2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines

Abbruch, Annullierung und die eigentliche Überraschung

Direkt nach dem außerordentlichen Verbandstag im Erfurter Steigerwaldstadion war die Suche nach Schlagworten erstmal groß. Eine Niederlage, gar eine Klatsche für den TFV würde das Votum der Delegierten für den Saisonabbruch sein. Wie man es auch nennen will, Fakt ist, dass der Beschluss vom 05.05. die Saison fortzusetzen an diesem Samstagvormittag einkassiert wurde.

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Also ich sehe es nicht als Klatsche“, sagte TFV-Präsident Dr. Wolfhardt Tomaschewski nach Beendigung des Verbandstages. „Mir geht es innerlich sehr gut. Ich sehe das als demokratische Entscheidung. Damit habe ich kein Problem“, so der 71-Jährige, der seinen Vorsitz abgeben wird. Dass er nicht erneut für das Amt kandidiert, hat im Übrigen nichts mit dem Verbandstag, den vergangenen Monaten oder Corona zu tun. Tomaschewski ist seit 2011 im Amt und ist schlicht der Meinung, dass nun genug ist.

Der außerordentliche Verbandstag war gut vorbereitet und organisiert. Befürchtungen, dass die doch sehr unterschiedlichen Ansichten zum Saisonabbruch bzw. Fortsetzungen auch an diesem Tag wieder emotional Fahrt aufnehmen werden, bestätigten sich zu keiner Zeit. Alle der 98 anwesenden Delegierten und insbesondere die, die Redebeiträge einbrachten, brachten ihre Argumente sachlich vor, auch wenn selbstverständlich die Ansichten und entsprechenden Tendenzen zur Abstimmen verschieden waren. Gerade die Art und Weise wie die Debatte rund um dieses Thema zuletzt geführt wurde, missfiel den Funktionieren und auch dem TFV-Präsidenten, wie er in seiner Begrüßung nochmal deutlich machte. Und fast direkt im Anschluss ging es auch schon ans Eingemachte und die Delegierten konnten via Fernbedienung die Abstimmung der vorgebrachten Anträge abarbeiten.

Warmlaufen

Alle Abstimmungen liefen an diesem Vormittag gänzlich digital ab. Das erleichtert auf der einen Seite das Auszählen, hatte allerdings einen weiteren entscheidenden Hintergrund: Die Wahl sollte geheim durchgeführt werden. Jeder Delegierte sollte unbeeinflusst abstimmen können. Diese Handhabe traf auf keinerlei Widerstände im Saal, sodass nach einer kurzen technischen Erläuterung in die „Tasten gehauen“ werden konnte. Dabei konnten die Delegierten bei der Bestätigung des Wahlleiters (Rechtsanwalt Christian Gehret) und der Wahlkommission (Volker Anding, Blankenhain und Joachim Zeng, TFV-Geschäftsstelle) schon mal warmlaufen. Diese Vorschläge wurden mit großer Mehrheit bestätigt.

Die beiden ersten Anträge die zur Abstimmung standen waren formaler Natur. Im Antrag 1, der durch den TFV-Vorstand eingebracht wurde, galt es die Haftungsbeschränkung für die Mitglieder des TFV zu beschließen. Dabei ging es darum, die handelnden Personen aus Präsidium, Vorstand und den Ausschüssen aus der persönlichen Haftung zu nehmen, wie Vize-Präsident Udo Penßler-Beyer vor der Abstimmung nochmal erläuterte. Ohne Nachfragen oder Redebeiträge haben die Delegierten diesen Antrag mit einer großen Mehrheit (85 Stimmen-Ja, 9 Stimmen-Nein, 2 Enthaltungen) durchgewunken. Ein ähnlich deutliches Abstimmungsergebnis zeichnete sich beim zweiten Antrag ab, in dem beschlossen wurde, dass der Vorstand ermächtigt wird, die zu den am Samstag gefassten Beschlüssen notwendigen Änderungen zu beschließen. Das bezieht sich insbesondere auf die Organisation der Ligawettbewerbe (83 Stimmen-Ja, 10 Stimmen-Nein, 2 Enthaltungen).

Redebeiträge und Meinungen

Antrag 3 war schließlich der Antrag, der an diesem Tag wohl fast alle Fußballfreunde am meisten bewegte. Es ging um die Bestätigung des TFV-Beschlusses vom 05.05. zur Saisonfortführung. Kurz: Abbruch oder Fortführung. Und nun brachten auch einige der anwesenden Sportfreunde ihre Redebeiträge eine. So zum Beispiel Dittmar Börner, der KFA-Boss aus Südthüringen. Das der frisch wiedergewählte Vorsitzende seines Kreises ein Verfechter des Saisonabbruchs ist, wussten die meisten schon zuvor. Und genau das machte er auch in seiner Rede nochmal deutlich, berichtete von den Ansichten der Vereine aus seinem Kreis, gab nochmal einen Abriss von einigen unglücklichen Ereignissen im Zusammenhang mit der Saisonfortführung und unterstrich zudem finanzielle Folgen bei einer Fortführung. Genau zu diesem Punkt äußerte sich wenig später Harry Wiesner, der Schatzmeister des TFV und erläuterte, dass die Finanzen des TFV stabil sind und stellte klar: „Ich habe mehrfach das Thema Finanzen gehört und habe festgestellt, dass es Tendenzen gibt, das Thema Finanzen mit der Entscheidung zur Fortführung in Verbindung zu bringen. Das hat nichts miteinander zu tun. Ihr müsst die Entscheidung aus sportlicher Sicht treffen, nicht wegen der Finanzen. Die Finanzen des TFV sind stabil und können keine Grundlage für die Entscheidung sein“, gibt Wiesner den Delegierten mit auf den Weg.

Auch der KFA-Vorsitzende des Fußballkreises Jena-Saale-Orla Carl Krumbolz meldete sich zu Wort und betont in seiner Wortmeldung, dass die Mannschaften wieder „Bock haben zu spielen. Sie wollen wieder auf den Platz“, so Krumholz der ergänzte, dass die Delegierten an diesem Tag dafür da sind, um die Vereine zu vertreten. Schiedsrichter-Obmann Armin Stollberg schlug inhaltlich in die gleiche Kerbe und sagte: fast 70% der Vereine unseres Kreises sind für einen Abbruch. Wir alle hier sind Vertreter unserer Vereine, daran möchte ich erinnern, Es geht nicht um persönliche Befindlichkeiten oder Emotionen. Die sind in letzter Zeit viel zu oft hochgekocht.“

Abbruch oder Fortführung

Als letzter Redner ergriff Sven Wenzel das Wort. Der Vorsitzende des Spielausschusses und Befürworter der Saisonfortführung, erläuterte seine Argumente für eine Saisonfortführung. Dabei scheute Wenzel auch die Themen nicht, die ihm zuletzt vorgeworfen wurden. Da war die Orientierung am Bayerischen Landesverband. „Was ist falsch daran, wenn wir uns an einem anderen Landesverband orientieren?“, fragt Wenzel und ergänzt: Im Umkehrschluss wird ja auch erwartet, dass wir uns an den „Abbrechern“ orientieren. Nach der Veranstaltung sagte er zum Thema außerdem, dass es nicht darum gegangen sei, woher der Vorschlag kam, sondern, dass er für die Verantwortlichen überzeugend war. Überdies bedauert er, dass vom DFB keine einheitliche Empfehlung an die Landesverbände ausgesprochen wurde. Und auch alle inhaltlichen Argumente für eine Saisonfortführung warf Wenzel nochmal in den Ring. Aufgeblähte Ligen (bei Aufsteigern), Terminschwierigkeiten beim Durchführen des Spielbetriebes und allen vorran eine unsichere Pandemielage. Was ist wenn die zweite Welle kommt? Das die große Frage, die über jeglicher Bewertung steht. „Was ist wenn es nicht klappt? Setzen wir uns dann wieder zusammen, brechen wieder ab?“, fragt Wenzel rhetorisch in die große Runde. Er jedenfalls warb nochmals für die Saisonfortführung. Vergeblich, wie wir jetzt wissen.

Denn direkt im Anschluss durften die Delegierten wieder Abstimmen. Dass das Ergebnis eng wird, damit rechnete so gut wie jeder der Anwesenden. Mit einem Stimmverhältnis von: 41 Stimmen für Fortführung, 54 Stimmen für Abbruch und 2 Enthaltungen, sollten sie auch recht behalten. Die Saison war somit abgebrochen. Die Delegierten hatten entschieden. Zur Freude von einigen - zum Ärger von anderen. Dass dieses Ergebnis möglich ist, hatte sicher keiner der Anwesenden im Steigerwaldstadion oder der Kicker in Thüringen ausgeschlossen. Die eigentliche Überraschung des Tages folgte allerdings in Antrag 4, dem nächsten Antrag.

Die eigentliche Überraschung

Da musste nämlich entschieden werden, wie die Saison 2019/2020 zu gewertet wird. Dafür standen zwei Varianten zur Auswahl. Variante A sah eine Tabelle nach Quotientenregel vor, mit Auf- und ohne Absteiger. Variante B würde bedeuten, dass die Saison in Gänze annuliert wird und es keine Auf- oder Absteiger gibt. Dass sich die Delegierten mehrheitlich für die Variante B entschieden, kam durchaus überraschend, wie deutlich dieses Votum ausfiel erst recht (Variante A: 35, Variante B: 60). Für die Teams, die aktuell in ihren Ligen auf Platz 1 stehen und gerne aufgestiegen wären natürlich ein harter Schlag. Außer für den FC An der Fahner Höhe. Der darf nämlich hoch, also in die Oberliga, ins „Hohheitsgebiet „des NOFV. Genau diesen Sonderfall thematisierte Udo Penßler-Beyer direkt nach der Abstimmung für Variante B und erklärte, dass man den FC An der Fahner Höhe fristgerecht für die Oberliga meldete. Den Thüringer Platz in der überregionalen Liga wolle man nicht verfallen lassen. Das sahen alle Delegierten unisono genauso, denn auf Nachfrage meldete kein Einziger Bedenken für dieses Vorgehen an. „Wir mussten einen Aufsteiger melden, ansonsten hätten wir Thüringen benachteiligt. Wir haben aber offengelassen, wie die Entscheidung beim Verbandstag ausfällt. Deshalb war der Vizepräsident nochmal am Podium und hat es bestätigen lassen“, sagte Wolfhardt Tomaschewski, der schon ahnte, dass eine Regelung ohne auf und Absteiger einigen ganz und gar nicht schmecken wird. „Es werden die sehr enttäuscht sein, die hofften, dass sie aufsteigen.“ Vermutlich hat er recht.

Überdies entschieden die Delegierten, dass die Pokalwettbewerbe auf Landesebene bei den Erwachsenen fortgesetzt werden (84 Stimmen-Ja, 11 Stimmen-Nein, 2 Enthaltungen). Die Kreise sollen selbst entschieden, wie sie mit ihren Pokalen verfahren wollen. Abschließend wurde der Beschluss die Saison auch im Nachwuchs abzubrechen erwartungsgemäß mit deutlicher Mehrheit bestätigt (87 Stimmen-Ja, 7 Stimmen-Nein, 1 Enthaltung). Im Schlusswort dankte Tomaschewski allen für ihre Sachlichkeit und wies auf den nächsten Verbandstag am 12.12. hin.

Ob nun Niederlage oder nicht, der Thüringer Fußball hat nun ein demokratisches Votum „in der Hand“ auf dessen Grundlage nun die neue Saison geplant wird. Ob die Delegierten an diesem Tag die richtige Entscheidung getroffen haben, wissen wir vielleicht im Frühjahr 2020. Fakt ist, das der bayrische Landesverband nun der einzige ist, der seine Saison fortführen will.



Stimmen

Sven Wenzel, der Vorsitzender des Spielausschuss nach dem Verbandstag im kurzen Interview:

FuPa Thüringen: Nun ist die Entscheidung gefallen. Du hattest ja zuvor in deiner Wortmeldung nochmal gesagt, welche deine Überzeugung (Saisonfortsetzung) ist. Wie bewertest du jetzt die Entscheidung der Delegierten.
Sven Wenzel: „Die Entscheidung ist demokratisch zustande gekommen und im Gegensatz zu anderen halte ich mich an eine demokratische Entscheidung und werde diese auch mit tragen. Ob sie mir persönlich gefällt oder nicht muss dabei keine Rolle spielen.“

FuPa Thüringen: Hast du im Vorfeld damit gerechnet, dass als Ergebnis der Abbruch rauskommen kann?Sven Wenzel: Ich habe im Vorfeld mit allen Varianten gerechnet und habe mich sicherlich auch schon mit den Varianten befasst. Also was wäre, wenn... Das heißt nicht, dass ich das vorher schon weggeschenkt hätte aber ich habe mich natürlich bei einer Abstimmung damit befasst.

FuPa Thüringen: Was bedeutet das jetzt für dich und euren Spielausschuss. Wird nun die Arbeit aufgenommen, um die neue Saison vorzubereiten?
Sven Wenzel: Genau so ist es. Wir werden auf Landesebene kurzfristig mit der Planung der neuen Saison beginnen beziehungsweise die Schublade einfach öffnen und den für mich überraschenden Weg ohne Aufsteiger entsprechend umsetzen. Dafür schaffen wir erstmal die technischen Voraussetzungen. Das wird die Geschäftsstelle am Montag machen. Dann werden wir natürlich nächste Woche in die Planung gehen.

FuPa Thüringen: Hat dich an diesem Punkt speziell die Deutlichkeit der Abstimmung für eine Annullierung ohne Aufsteiger und Absteiger überrascht?
Sven Wenzel: Ich kann schon sagen, dass mich der Antrag 4 in seinem Ausgang überrascht hat.

Jens Hirschfeld, Spieler und sportlicher Leiter Eintracht Hildburghausen, Delegierter des KFA Südthüringen beim Verbandstag:
"Ich finde die Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt gut und richtig. Ich freue mich mit allen Verantwortlichen auf eine neue Saison, die im September hoffentlich endlich starten kann. Die Redner vor der Abstimmung des Antrags haben es aber teilweise richtig gesagt, ob es sportlich das Richtige war, kann man wohl erst nächstes Jahr sicher sagen."

Aufrufe: 019.7.2020, 09:00 Uhr
FuPa ThüringenAutor