2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Edin Rahic hat große Pläne mit Bradford City. Foto:Günter E. Bergmann
Edin Rahic hat große Pläne mit Bradford City. Foto:Günter E. Bergmann

Edin Rahic: „Dieser Sport ist mein Leben“

Der Echterdinger Edin Rahic ist einer der Clubbesitzer von Bradford City. Im Interview erinnert er sich an alte Tage in seiner Heimat und blickt in die Zukunft

Der Echterdinger Edin Rahic über sein Engagement bei Englands Drittligist Bradford City.

Im Mai 2016 übernahmen der Echterdinger Edin Rahic und sein Geschäftspartner Stefan Rupp den englischen Drittligisten Bradford City. Die ersten deutschen Clubbesitzer im englischen Profifußball haben seitdem kaum einen Stein auf dem anderen gelassen. Im Interview erinnert sich Rahic an seine fußballerischen Anfänge in der Heimat, lässt sein erstes Jahr auf der Insel Revue passieren und spricht über seinen Zehn-Jahres-Plan.

Herr Rahic, herzlich willkommen zurück in der Heimat. Wie ist es, wieder hier zu sein?

Edin Rahic:
Schön. Und spannend. Ich habe schon einige bekannte Gesichter gesehen, die ich erst mal wieder einordnen musste.

Sie haben damals beim TV Echterdingen das Kicken gelernt.

Rahic:
Ja, mein Bruder hat beim TVE gespielt. Und als ich fünf oder sechs war, habe ich neben dem Platz ein bisschen mit dem Ball jongliert. Das hat ein Trainer gesehen, kam auf mich zu und meinte: „Gar nicht mal so übel. Zu wem gehörst du?“ So fing das an.

Es war relativ schnell klar, dass Sie Talent haben. Mit 18 haben Sie beim VfL Sindelfingen in der Oberliga gespielt, der damals dritthöchsten Klasse in Deutschland.

Rahic:
Ich hatte Talent, ja. Es hieß damals: Wenn es zwei aus der Bezirksliga nach oben schaffen, dann der Alex Blessin und der Edin Rahic. Was mir gefehlt hat, war der unbedingte Ehrgeiz. Das versuche ich jetzt auch den Talenten in Bradford zu vermitteln: Dass sie zwischendurch Scheiße fressen und die Extrameile gehen müssen, sonst wird das nichts, sonst könnte ja jeder Profi werden.

Und als aus der Karriere nichts wurde, entstand der Plan, einen Club zu übernehmen?

Rahic:
Erst wollte ich mit dem Fußball nichts mehr zu tun haben, habe dann aber gemerkt: Dieser Sport ist mein Leben. Das ging dann Schritt für Schritt. Ich war als Scout beim VfB Stuttgart und bei den Stuttgarter Kickers im Vorstand. Da habe ich viele Erfahrungen gemacht, unter anderem mit dem Sponsor Gazi und mir ist klar geworden: Wenn ich so was noch mal mache, dann muss ich den Verein zu 100 Prozent übernehmen, muss Besitzer und Geschäftsführer in einer Person sein.



Beinahe hätten Sie sich die Glasgow Rangers nach deren Insolvenz geschnappt.

Rahic: Zuerst wollte ich bei den Grasshoppers Zürich mit ihrer tollen Talentschmiede einsteigen. Die Idee war, relativ schnell mit jungen Kickern in europäischen Cupwettbewerben zu spielen. Aber die wollten übertrieben viel Geld. Bei den Rangers wusste ich um das riesige Potenzial. Innerhalb von fünf Tagen hatte ich ein Konsortium zusammen und wir waren einer der letzten drei Bieter, bevor der Club unterm Tisch an einen Engländer ging. Aber ich habe gesehen, wie du an so eine Sache rangehen musst. Dass du einen Club mit Sachverstand, aber ansonsten wie ein Unternehmen führen musst. In England fließt unfassbar viel Geld. Der Zweitligist, der das Playoff-Finale in Wembley gewinnt und in die Premier League aufsteigt, hat gesicherte Einnahmen von 250 Millionen Euro. Ich habe das einigen Investoren erzählt, die konnten das gar nicht glauben.

Stefan Rupp und Sie haben 72 potenzielle englische Profivereine analysiert. Warum lief es auf Bradford City hinaus?

Rahic:
Wir hatten mehrere Kriterien. Sehr wichtig war die Infrastruktur, also ein Flughafen in der Nähe. Dann haben wir uns die Fanszene angeschaut und haben die Finanzstruktur und die Besitzergeschichte analysiert. Bradford war seit 17 Jahren von zwei Männern geführt. Sehr sympathisch, aber sehr einfach. Sportlich waren sie aber auf einem guten Weg und – das war das Allerwichtigste: schuldenfrei.

„Sie wissen, dass wir nicht Millionen reinpumpen“


Der Anfang war aber alles andere als optimal. Die Fans hatten Angst, dass sie jetzt zu Bratwurst City werden und nach ein paar Wochen flüchtete der ganze Trainerstab.

Rahic: Nicht nur das. Wir kamen an und hatten noch acht Spieler. Der Manager und Fan-Liebling Phil Parkinson war weg. Unser Glück war, dass er zu einem direkten Konkurrenten gegangen ist, das hat das Blatt für uns gewendet. Wir haben die Clublegende Stuart McCall als neuen Coach geholt und Spieler gefunden, mit denen wir den besten Fußball seit 20 Jahren gespielt haben. Attraktiven Angriffsfußball, nicht das fürchterliche Kick and Rush wie davor. Die Fans erkennen unsere Ehrlichkeit an. Die merken, dass sie uns offen ansprechen können. Sie wissen, dass wir nicht Millionen reinpumpen, sondern organisch wachsen wollen. Mit jungen Spielern, die Bradford als Sprungbrett sehen und bis zum Umfallen kämpfen. Wir haben nicht gesagt, dass wir alles besser können, sondern dass wir es anders machen wollen – und dann ja sehen werden, was dabei herauskommt.

Sie haben als Ihr Ziel genannt, in zehn Jahren in der Premier League zu spielen.

Rahic: Wir sind die Ersten mit einem langfristigen Plan. So was kennen die Engländer nicht. Ich habe gesagt, ich bleibe so lange, bis wir in der ersten Liga sind.


Gefällt es Ihnen in der Stadt?

Rahic: Ja, eine Arbeiterstadt mit netten Menschen, nicht so hektisch wie London. Die Landschaft ist schön. Meine Familie fühlt sich wohl. Außerdem gibt es wohl das beste Curry außerhalb Indiens und Pakistan.

Ihre erste Saison wäre beinahe mit einem großen Erfolg geendet. Sie sind erst im Aufstiegsfinale gescheitert – mit 0:1 gegen Millwall, durch ein Gegentor in der 86. Minute.

Rahic: Obendrein ein Abseitstor. Aber wir hatten es an dem Tag nicht verdient. Unser Auftreten war eine große Enttäuschung. Ich kann bis heute nicht nachvollziehen, warum die Spieler in der Partie nicht gebrannt haben.

Wie laufen die Vorbereitungen auf die kommende Runde?

Rahic: Sehr gut. Wir haben 19 000 Dauerkarten verkauft, in der dritten Liga! Fürs Stammteam brauchen wir nur noch einen Innenverteidiger, fürs Entwicklungsteam suchen wir Talente. Wir haben extra einen Trainer geholt, der sich nur um etwa zehn 18- bis 20-Jährige kümmert. Das gibt’s in England sonst nirgends. Dessen einzige Aufgabe ist es, die Jungen mit einem individuellen Programm besser zu machen. Wenn er keinen von ihnen rausbringt, fliegt er wieder.

Beim Sichtungstraining in Echterdingen wollten rund 300 Talente dabei sein.

Rahic: Das war der Wahnsinn. Da kamen Leute aus Berlin oder Hannover. Wir hatten mit 30 bis 40 gerechnet. Wir überlegen jetzt, weitere Sichtungstage in Deutschland zu veranstalten. Die Tatsache, dass wir Joel Grodowski geholt haben, einen Spieler aus der Kreisliga A bei Dortmund, zeigt ja auch: Wir meinen es ernst.

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Vereinsverwalter werden und eigenen Verein bei FuPa präsentieren: www.fupa.net/stuttgart/anmelden

Fragen, Anregungen oder einen Fehler gefunden? Schreibt uns direkt hier als Kommentar, bei FuPa Stuttgart auf Facebook oder per Mail an stuttgart@fupa.net

Aufrufe: 017.7.2017, 15:00 Uhr
Filder-Zeitung / Benjamin Schieler.Autor