2024-05-02T16:12:49.858Z

Relegation
Keine Aufstellung, keine Taktiktafel, nur Emotionen: Trainer Ali Cakici (Mitte) schwört seine Jungs in der Kabine auf das Aufstiegsspiel in Rodenbach ein.	Foto: Torben Schröder
Keine Aufstellung, keine Taktiktafel, nur Emotionen: Trainer Ali Cakici (Mitte) schwört seine Jungs in der Kabine auf das Aufstiegsspiel in Rodenbach ein. Foto: Torben Schröder

Reichlich Stoff fürs Sommermärchen

Emotionaler Einblick hinter die Kulissen der TuS Marienborn beim Aufstiegsspiel in Rodenbach

Marienborn. Am Treffpunkt läuft Ali Cakici noch ohne T-Shirt herum. „Ich will Sonne tanken“, sagt der muskelbepackte Trainer der TuS Marienborn. Subtext: Stärke zeigen. Denn in zweieinhalb Stunden steht das Aufstiegsspiel beim SV Rodenbach an. Im Bus ist die Stimmung nahe an der Ausgelassenheit. Die Spieler singen – und werfen von der Autobahn aus einen andächtigen Blick auf den Betzenberg. Geht es vielleicht bald öfter in die Westpfalz? Cakici macht Klimmzüge im Bus. „Wo fahren wir hin? Ro-den-bach?“

Bloß kein Druck. 45 Minuten vor Anstoß die Kabinenansprache. Keine Aufstellung, keine Taktiktafel. „Das erledigen wir alles im Training“, sagt der 51-Jährige. „Was brauchst du, um glücklich zu sein?“, fragt er seine Jungs. Freunde, Kollegen, eine Aufgabe, Spaß. „Ihr wisst, wo ihr hingehört“, ruft der Coach.

Immer mit der Kamera dabei: Gero Mayer, Optiker und alter Ringer-Freund Cakicis, der seine Version des „Sommermärchens“ über die TuS dreht. „Was er hier für ein Team hat, ist einmalig“, schwärmt der Flörsheimer. Inzwischen ist auch der zweite TuS-Bus da, mit Vereinschef Dietmar Hofmann. Der hat als Kind mit Cakici in der Berliner Siedlung gespielt. Vor zwei Jahren holte er den Trainer nach Marienborn, ein Aufsehen erregender Coup. „Damals ging es für mich darum, sozial aufgefangen zu werden“, blickt Cakici auf die Zeit nach der schmerzlichen Entlassung beim TSV Schott zurück. „Der Aufstieg hier wäre mein größter Erfolg als Trainer.“

Acht Minuten noch. Cakici tänzelt, fokussiert wie vor einem Ringkampf. Die finale Ansprache, eine Minute voller Energie. Hiebe auf die Brust, Stirn an Stirn. Dann wird die mitgebrachte Musikanlage angeschmissen. Einklatschen, Einsingen. „Champions-League-Sieger wie Real Madrid!“, ein kollektiver Urschrei. Das Gros der 600 Zuschauer kann durch die offenen Fenster zuhören. Joshua Klüber, Barca-Fan, ist besonders angestachelt, liefert als Linksverteidiger zwei Tore und eine Vorlage.

Halbzeit. Es steht 4:0 für die TuS. Viele tröstende Worte für Andreas Klapper. „AK14“, der Topstürmer, musste mit Knieschmerzen vom Feld, befürchtet Schlimmeres. Cakici schüttelt Dennis Ritz die Beine aus. Und mahnt, in aller Schärfe, die zweite Halbzeit ebenso anzugehen wie die erste. Wieder „Real Madrid“, wieder Urschrei. „Das ist mein anstrengendster Job, schwerer als Ingolstadt“, erzählt der Trainer an der Seitenlinie. Der Mannschaft den Druck nehmen, Leichtigkeit vorleben, ist kein Selbstläufer. „Kann es nicht endlich vorbei sein?“, fleht Cakici 18 Minuten vor Spielende. Meistertrikots gibt es nicht, aber einen Haufen Getränke.

Um 20.50 Uhr entlädt sich eine ganze Saison im Jubel-Gewitter. 4:1, der Durchmarsch in die Verbandsliga ist geschafft. „Geile Sache, ich bin stolz auf die Jungs“, freut sich Ex-Coach Guido Ritz, „ich freue mich, dass Vereine wie Marienborn oder Bretzenheim mit ehrlicher Arbeit Erfolg haben.“ Hofmann erinnert daran, dass Moritz Freisler und Nikolas Putzker aus der C-Klasse kamen und nun fünf Klassen höher spielen werden. Co-Trainer Jens Strußenberg trägt sein „Erlebnis statt Ergebnis“-Shirt. „Wir setzen nicht das eine vor das andere“, sagt der Fitnessexperte, „der Gegner hat alles reingeworfen. Da ruhig zu bleiben ist die Arbeit mehrerer Jahre.“

Monetha: „Vor zehn Jahren waren wir am Tiefpunkt“

Vor zehn Jahren „waren wir am Tiefpunkt“, sagt Stadionsprecher Markus Monetha. Jetzt sei ein regelrechter Hype entstanden, die Zuschauer kommen, der Erfolg erst recht. Andreas Klapper holt, ohne T-Shirt, ein halbes Dutzend Flaschen Rosé aus dem Bus. Heimfahrt, keine Ansprachen, nur Party. Es geht ins Klubheim – und mitten in der Nacht für einige Spieler noch ab nach Mallorca. Sonne tanken, und ein bisschen feiern.



Aufrufe: 07.6.2018, 17:00 Uhr
Torben SchröderAutor