2024-05-10T08:19:16.237Z

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Profitraum Türkei: Burhan Bahadir ist nach einem halben Jahr wieder zurück zur TuS Holzkirchen gewechselt. Saban Kilicci
Profitraum Türkei: Burhan Bahadir ist nach einem halben Jahr wieder zurück zur TuS Holzkirchen gewechselt. Saban Kilicci

Bahadir über Türkei: „Im Stich gelassen. Verarscht.“

Burhan Bahadir träumte bei Inegölspor vom Profi-Durchbruch

Neun Monate ist es her, dass drei türkische Amateurkicker aus München zu Inegölspor in die dritte türkische Liga gewechselt sind: Cengiz Ötkün (Türkgücü Ataspor), Burhan Bahadir (TuS Holzkirchen) und Kaan Aygün (FC Ismaning).

„Hier sind sie Amateure. Sie versauern. Aber die Türkei!! Das ist ihre Bühne“, schwärmt Dery Akkar. Er hat den Wechsel zusammen mit Strafverteidiger Andreas Müller in die Wege geleitet (Die ganze Geschichte lesen Sie hier). „Welcher Fußballer will nicht Profi sein und Geld verdienen?“ Vom Niveau können Spieler aus der Regional- oder Bayernliga in der dritten türkischen Liga mithalten, glaubt Derya Akkar. Wir haben mit Burhan Bahadir gesprochen, der inzwischen wieder für den TuS Holzkirchen kickt.

Warum bist du vor einem Jahr in die Türkei gewechselt?

Wir waren zu dritt im Trainingslager. Mich hat das einfach gelockt, der Traum vom Fußball-Profi. Ich wollte unbedingt diese Erfahrung sammeln. Zunächst war alles toll. Der Präsident des Vereins hat mich wie seinen eigenen Sohn behandelt. Er ist ein sehr guter Mensch. Aber sportlich war die Zeit eine Katastrophe. Als ich in den ersten drei, vier Spielen nicht im Kader stand, habe ich mir noch gedacht: Durchhalten, Burhan. Das stehst du durch. Beiß die Zähne zusammen. Aber mit der Zeit habe ich gemerkt, dass der Trainer Psychospiele mit mir betreibt.

Kannst du ein Beispiel nennen?

Wir sind mit dem Bus zehn Stunden zu einem Auswärtsspiel gefahren. Ich habe schon im Bus die Spieler gezählt. Es waren 18. Einer zuviel. Als wir ankamen, stand fest: Burhan Bahadir steht nicht im Mannschaftskader. Ich musste von der Tribüne aus zuschauen. Das war demütigend. Ich habe immer Gas gegeben, habe immer mein Maul gehalten, aber ich habe nie gespielt.

Du durftest erst am Ende der Saison ran. Warum hat es dann geklappt?

Weil ich zum Präsidenten gegangen bin und ihm gesagt habe: Ich bin nicht hier, um Urlaub zu machen. Ich habe zwei sehr gute Spiele gemacht. Das war unglaublich wichtig für mich, weil ich dann wusste: Ich kann es.

Leistenbruch verhindert weiteres Engagement in der Türkei

Warum bist du nicht in der Türkei geblieben?

Ich hatte ein Probetraining bei einem anderen Verein. Aber in der Türkei ist es sehr schwer. Bei dem Club waren in zwölf Tagen zwei bis drei Präsidenten da. Ich habe dann noch bei Sivas Belediyespor mittrainiert, gegen die ich auch mein letztes Spiel gemacht habe. Nach einem Leistungstest hatte ich große Schmerzen. Der Arzt hat einen Leistenbruch in der linken und rechten Seite festgestellt. Das war‘s dann endgültig. Zusammengefasst kann ich sagen: Sch... gelaufen. Alles.

War es richtig, seine Heimat für den Profi-Traum in der Türkei zu verlassen?

Ich habe im Vereinsheim gelebt und mein Grundgehalt erhalten. Aber Geld verdient man nur, wenn man auch spielt. Ich hatte schon immer den Traum, Profi zu werden. Wenn mich mein Lehrer früher gefragt hat, was ich werden möchte, hat er mir geantwortet: Fußballer ist kein Beruf. Ich glaube immer noch, dass man in der Türkei schneller nach oben kommt als in Deutschland. Die deutschen Spieler haben dort auf Grund ihrer Ausbildung ein sehr hohe Ansehen. Ich wusste, dass ich ein Risiko eingehe. Aber ich hätte mich sonst mein Leben lang gefragt: Was wäre passiert, wenn du es gemacht hättest?

Wie fühlt es sich an, wenn man nur trainiert und nie spielt?

Das war sehr schwer. Ich habe mich alleine gefühlt. Im Stich gelassen. Verarscht. Ich bin in München aufgewachsen. Mit meinen Freunden haben wir jeden Sonntag beim Kunstrasenplatz von Wacker München gekickt. Ich bin ein Straßenfußballer. Auf einmal war ich alleine in einer türkischen Kleinstadt, die so groß ist wie Unterhaching und habe am Wochenende alleine aufs Tor geschossen. Das war das Schlimmste: Während die Mannschaft zu den Auswärtsspielen gefahren ist, bin ich alleine im Vereinsheim zurück geblieben.

"Meinen Traum gebe ich dafür nicht auf"

Dein Kumpel Cengiz Ötkün ist mit dir gewechselt. Du hast dir mit ihm ein Zimmer geteilt. Er durfte spielen.

Cengiz war wie ein großer Bruder für mich. Natürlich war ich sauer, dass ich nicht gespielt habe. Aber wir sind Freunde, deshalb habe ich mich natürlich gefreut, dass es für ihn so gut gelaufen ist.

Würdest du den selben Schritt noch einmal machen?

Auf jeden Fall. Um als Fußballer weiter zu kommen, würde ich alles geben. Ich würde wieder gehen, wenn ein Angebot kommt. Natürlich denke ich auch an Geld, Familie und Kinder. Ich muss arbeiten und in die Zukunft schauen. Aber meinen Traum gebe ich dafür nicht auf.

Du bist wieder in Holzkirchen. Warum?

Der Verein ist wie eine Familie für mich. Ich habe mich hier immer wohl gefühlt. Auch wenn wir derzeit im Abstiegskampf stecken, bin ich überzeugt: Die Mannschaft ist viel besser.

Interview: Christoph Seidl

Aufrufe: 014.11.2018, 15:24 Uhr
Christoph SeidlAutor