2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines
– Foto: Meiki Graff

Regionalligisten sehen ihre Existenz bedroht

Einem Drit­tel der Ver­ei­ne könn­te das Aus dro­hen. Bis En­de April pau­siert der Spiel­be­trieb, bis da­hin feh­len wich­ti­ge Ein­nah­me­quel­len.

Verlinkte Inhalte

Für Viert­li­gist und Tra­di­ti­ons­klub SG Wat­ten­scheid 09 ist der 23. Ok­to­ber 2019 ein schwar­zes Da­tum der Ver­eins­ge­schich­te. Der in fi­nan­zi­el­le Schief­la­ge ge­ra­te­ne Re­gio­nal­li­gist muss­te nach lan­gem Kampf ge­gen die schlech­te wirt­schaft­li­che La­ge am En­de doch ein In­sol­venz­ver­fah­ren er­öff­nen und sei­ne Mann­schaft aus der vier­ten Li­ga ab­mel­den.
Ei­ne trau­ri­ge Ent­wick­lung, vor der vie­le Ver­ei­ne in der Re­gio­nal­li­ga West in den letz­ten Jah­ren im­mer wie­der Angst hat­ten: Ei­ne Angst, die seit ei­ner Wo­che ei­ne neue Dy­na­mik er­fah­ren hat.

Die ra­san­te Aus­brei­tung der Co­ro­na­vi­rus-Pan­de­mie und die da­mit ein­her­ge­hen­den Schutz­maß­nah­men ha­ben auch die ge­sam­te Sport­welt zum Still­stand ge­bracht. In der ak­tu­el­len La­ge kann nie­mand mit Ge­wiss­heit sa­gen, ob, wann und wie der Be­trieb in den Li­gen wie­der auf­ge­nom­men wer­den kann. Ei­ne be­sorg­nis­er­re­gen­de Si­tua­ti­on ge­ra­de für die Ver­ant­wort­li­chen der Re­gio­nal­li­ga-Klubs. „Fi­nan­zi­ell ist das ei­ne Ka­ta­stro­phe für uns. Je län­ger die­se Spiel­pau­se dau­ert, des­to we­ni­ger rea­lis­tisch ist es, dass wir das als Ver­ein über­le­ben“, er­klärt Ha­jo Som­mers, Prä­si­dent von Rot-Weiß Ober­hau­sen, die pre­kä­re La­ge. „In der vier­ten Li­ga ist es ja eh schon im­mer schwie­rig mit den Fi­nan­zen. Ich be­fürch­te, dass ein Drit­tel der Li­ga das nicht über­le­ben wird.“

Ne­ben der Angst, dass Spon­so­ren­gel­der in Zu­kunft weg­bre­chen könn­ten, sind es vor al­lem die feh­len­den Zu­schau­er­ein­nah­men, die in der vier­ten Li­ga ei­nen weit­aus hö­he­ren An­teil am Etat der Teams ein­neh­men, als zum Bei­spiel im deut­schen Ober­haus. Nach Ki­cker-In­for­ma­tio­nen ge­ne­rie­ren die Zu­schau­er­ein­nah­men 13 Pro­zent der Ge­samt­er­lö­se in der Bun­des­li­ga, in der Re­gio­nal­li­ga sind es weit­aus mehr, wie Rot-Weiß-Es­sen-Vor­sit­zen­der Mar­cus Uh­lig er­zählt: „Es ist das Mo­dell von RWE, durch mög­lichst vie­le Heim­spie­le mög­lichst vie­le Ein­nah­men zu ge­ne­rie­ren. Durch ei­nen vor­zei­ti­gen Ab­bruch der Sai­son wür­den bei uns bis zu 2,5 Mil­lio­nen Eu­ro im Feu­er ste­hen. Es ist doch klar, dass wir so ein exis­tenz­be­dro­hen­des Pro­blem hät­ten. Dann sä­he es düs­ter für uns aus.“

Uh­lig ap­pel­lier­te an die rest­li­chen Ver­ei­ne der Bun­des­re­pu­blik: „Wir müs­sen in Fuß­ball-Deutsch­land den So­li­da­ri­täts­ge­dan­ken hoch hal­ten. Das über­ge­ord­ne­te Ziel muss es sein, die Sai­son zu En­de zu spie­len. Wir set­zen al­les dar­an, die­se Kri­se best­mög­lich zu ma­na­gen. Wir über­le­gen mo­men­tan noch, was Sinn macht, um in der ak­tu­el­len Si­tua­ti­on Er­lö­se zu ge­ne­rie­ren. Aber auch Kurz­ar­beit kann ich zum jet­zi­gen Stand nicht aus­schlie­ßen.“

Die grund­sätz­li­che Mög­lich­keit der Kurz­ar­beit war auch The­ma in ei­ner Te­le­fon­kon­fe­renz mit dem Ver­band und al­len 18 Ver­ei­nen am Mitt­woch­nach­mit­tag. Knapp ei­ne Stun­de wur­de sich über den mo­men­ta­nen Stand und die fi­nan­zi­el­le Zu­kunft der Klubs aus­ge­tauscht.

Das The­ma Kurz­ar­beit ist ge­ra­de in den Li­gen un­ter­halb der Bun­des­li­gen ein zen­tra­les, das be­stä­tigt auch Ulf Ba­ra­now­sky, Ge­schäfts­füh­rer der Spie­ler­ge­werk­schaft VDV: „Ge­gen­wär­tig sind wir als Spie­ler­ge­werk­schaft sehr stark ein­ge­bun­den, da na­tür­lich un­se­re Mit­glie­der – ins­be­son­de­re aus der 3. Li­ga und der Re­gio­nal­li­ga – zahl­rei­che Fra­gen zu Ih­ren Rech­ten und Pflich­ten als Ar­beit­neh­mer wäh­rend ei­ner Pan­de­mie ha­ben. Schwer­punkt­mä­ßig geht es da­bei um das The­ma Kurz­ar­beit. Es geht jetzt in ers­ter Li­nie dar­um, kurz­fris­tig gu­te Lö­sun­gen zu fin­den.“

Der Trai­nings- und Spiel­be­trieb ruht de­fi­ni­tiv bis zum 19. April. Am 26. April, so zu­min­dest der ak­tu­el­le Plan, sol­len die Spie­le in der Re­gio­nal­li­ga West wie­der an­lau­fen. An­fang des Mo­nats wird auf ei­ner er­neu­ten Te­le­fon­kon­fe­renz die Si­tua­ti­on neu be­wer­tet und ab­ge­stimmt. Bis da­hin soll auch fest­ste­hen, wie es mit mög­li­chen För­der­gel­dern aus­sieht. DFB-Prä­si­dent Fritz Kel­ler hat­te „struk­tu­rel­le und fi­nan­zi­el­le“ Un­ter­stüt­zung der Re­gio­nal- und Lan­des­ver­bän­de im DFB an­ge­kün­digt.

Den­noch: Die Sor­ge vor ei­ner län­ge­ren Un­ter­bre­chung des Spiel­be­triebs oder gar ei­nem ge­sam­ten Ab­bruch der Sai­son hat man auch beim Bon­ner SC: „Das wä­re für uns ein Schlag ins Kon­tor“, sagt Dirk Ma­zur­kie­wicz, der Vor­stands­vor­sit­zen­de des Re­gio­nal­li­gis­ten. „Uns wür­den da­mit Be­trä­ge im fünf­stel­li­gen Be­reich weg­fal­len. Für die­se Sai­son ist al­les ge­ra­de so ge­re­gelt. Aber für die kom­men­de Sai­son wä­re das hart.“ Das feh­len­de Geld wür­de bei der Ka­der­zu­sam­men­stel­lung für die Spiel­zeit 2021/2022 feh­len.

Bei For­tu­na Köln zei­gen sich die Ver­ant­wort­li­chen an­ge­sichts der kri­ti­schen La­ge er­fin­de­risch. Der Klub for­dert sei­ne An­hän­ger zum Kauf ei­nes Un­ter­stüt­zer­ti­ckets für ein vir­tu­el­les Spiel der For­tu­na auf. „Durch die Par­tie sol­len mög­lichst weg­fal­len­de Ein­nah­men kom­pen­siert wer­den“, sagt Ben­ja­min Bruns auf An­fra­ge un­se­rer Re­dak­ti­on. Der Köl­ner Klub rech­net durch die Spiel­aus­fäl­le mit ei­nem Ver­lust von cir­ca 200.000 Eu­ro. Dem Köl­ner Ge­schäfts­füh­rer ist es in die­sem Zu­sam­men­hang aber auch wich­tig, zu be­to­nen, dass „wir in der La­ge sind, ei­ne sol­che Pha­se zu über­brü­cken.“

Ähn­lich sieht es beim SV Verl, dem Ta­bel­len­zwei­ten der Li­ga, aus: „Es ist auch für un­se­ren Ver­ein ei­ne har­te Zeit, al­ler­dings ha­ben wir das Glück, dass un­se­re Sai­son durch­fi­nan­ziert ist“, er­klärt Rai­mund Ber­tels, Prä­si­dent und Sport­li­cher Lei­ter beim SV. „Mit ei­nem Zu­schau­er­schnitt von knapp 1.000 Men­schen spielt die­ser Be­reich in un­se­rem Etat­plan kei­ne so ent­schei­den­de Rol­le, wie bei grö­ße­ren Re­gio­nal­li­ga-Klubs“.

Auf­stei­ger TuS Hal­tern brach­te ein Sze­na­rio ins Spiel, das haupt­säch­lich im US-Sport An­wen­dung fin­det. „Es be­darf ei­nes Lock­out-Sze­na­ri­os, wie man es aus den USA kennt, um fort­lau­fen­de Ver­pflich­tun­gen zeit­wei­se aus­zu­set­zen.“ Man müs­se an „po­li­ti­schen Lö­sun­gen für Kurz­ar­beit- oder Ur­laubs­re­ge­lung“ ar­bei­ten, an­sons­ten wür­de der „Ein­nah­men-Aus­fall bei gleich­zei­ti­ger Wei­ter­zah­lung der Per­so­nal­kos­ten in vol­ler Hö­he ver­mehrt Ver­ei­ne in die In­sol­venz trei­ben“, hieß es von Klub­sei­ten.

Un­ge­wiss ist der Blick der fünf U23-Teams der Bun­des­li­ga­ver­ei­ne in die Zu­kunft. Sie sind zwar am we­nigs­ten von den Zu­schau­er­ein­nah­men be­trof­fen, müs­sen aber na­tür­lich auf an­de­re Ent­wick­lun­gen schau­en: „Die­se Kri­se trifft an­de­re Teams si­cher här­ter als un­se­re Mann­schaft, da wir grund­sätz­lich auf die Ent­wick­lung bei den Pro­fis an­ge­wie­sen sind“, er­klär­te die Schal­ker Knap­pen­schmie­de. Ähn­lich äu­ßer­te sich auch Frank Schae­fer, Lei­ter des Nach­wuchs­zen­trum von For­tu­na Düs­sel­dorf: „Als U23 sind wir in un­se­rer Kal­ku­la­ti­on nur ge­ring­fü­gig von Zu­schau­er­ein­nah­men oder Fern­seh­gel­dern ab­hän­gig. Von da­her ist die Si­tua­ti­on für uns ak­tu­ell zu be­wäl­ti­gen. Als Nach­wuchs­team be­fin­den wir uns mit­tel­fris­tig na­tür­lich in Ab­hän­gig­keit von der Ge­samt­ent­wick­lung.“

Aufrufe: 021.3.2020, 12:05 Uhr
RP / P. Biedenweg, T. Dinkelborg und S. KalenbergAutor