Die rasante Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie und die damit einhergehenden Schutzmaßnahmen haben auch die gesamte Sportwelt zum Stillstand gebracht. In der aktuellen Lage kann niemand mit Gewissheit sagen, ob, wann und wie der Betrieb in den Ligen wieder aufgenommen werden kann. Eine besorgniserregende Situation gerade für die Verantwortlichen der Regionalliga-Klubs. „Finanziell ist das eine Katastrophe für uns. Je länger diese Spielpause dauert, desto weniger realistisch ist es, dass wir das als Verein überleben“, erklärt Hajo Sommers, Präsident von Rot-Weiß Oberhausen, die prekäre Lage. „In der vierten Liga ist es ja eh schon immer schwierig mit den Finanzen. Ich befürchte, dass ein Drittel der Liga das nicht überleben wird.“
Neben der Angst, dass Sponsorengelder in Zukunft wegbrechen könnten, sind es vor allem die fehlenden Zuschauereinnahmen, die in der vierten Liga einen weitaus höheren Anteil am Etat der Teams einnehmen, als zum Beispiel im deutschen Oberhaus. Nach Kicker-Informationen generieren die Zuschauereinnahmen 13 Prozent der Gesamterlöse in der Bundesliga, in der Regionalliga sind es weitaus mehr, wie Rot-Weiß-Essen-Vorsitzender Marcus Uhlig erzählt: „Es ist das Modell von RWE, durch möglichst viele Heimspiele möglichst viele Einnahmen zu generieren. Durch einen vorzeitigen Abbruch der Saison würden bei uns bis zu 2,5 Millionen Euro im Feuer stehen. Es ist doch klar, dass wir so ein existenzbedrohendes Problem hätten. Dann sähe es düster für uns aus.“
Uhlig appellierte an die restlichen Vereine der Bundesrepublik: „Wir müssen in Fußball-Deutschland den Solidaritätsgedanken hoch halten. Das übergeordnete Ziel muss es sein, die Saison zu Ende zu spielen. Wir setzen alles daran, diese Krise bestmöglich zu managen. Wir überlegen momentan noch, was Sinn macht, um in der aktuellen Situation Erlöse zu generieren. Aber auch Kurzarbeit kann ich zum jetzigen Stand nicht ausschließen.“
Die grundsätzliche Möglichkeit der Kurzarbeit war auch Thema in einer Telefonkonferenz mit dem Verband und allen 18 Vereinen am Mittwochnachmittag. Knapp eine Stunde wurde sich über den momentanen Stand und die finanzielle Zukunft der Klubs ausgetauscht.
Das Thema Kurzarbeit ist gerade in den Ligen unterhalb der Bundesligen ein zentrales, das bestätigt auch Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VDV: „Gegenwärtig sind wir als Spielergewerkschaft sehr stark eingebunden, da natürlich unsere Mitglieder – insbesondere aus der 3. Liga und der Regionalliga – zahlreiche Fragen zu Ihren Rechten und Pflichten als Arbeitnehmer während einer Pandemie haben. Schwerpunktmäßig geht es dabei um das Thema Kurzarbeit. Es geht jetzt in erster Linie darum, kurzfristig gute Lösungen zu finden.“
Der Trainings- und Spielbetrieb ruht definitiv bis zum 19. April. Am 26. April, so zumindest der aktuelle Plan, sollen die Spiele in der Regionalliga West wieder anlaufen. Anfang des Monats wird auf einer erneuten Telefonkonferenz die Situation neu bewertet und abgestimmt. Bis dahin soll auch feststehen, wie es mit möglichen Fördergeldern aussieht. DFB-Präsident Fritz Keller hatte „strukturelle und finanzielle“ Unterstützung der Regional- und Landesverbände im DFB angekündigt.
Dennoch: Die Sorge vor einer längeren Unterbrechung des Spielbetriebs oder gar einem gesamten Abbruch der Saison hat man auch beim Bonner SC: „Das wäre für uns ein Schlag ins Kontor“, sagt Dirk Mazurkiewicz, der Vorstandsvorsitzende des Regionalligisten. „Uns würden damit Beträge im fünfstelligen Bereich wegfallen. Für diese Saison ist alles gerade so geregelt. Aber für die kommende Saison wäre das hart.“ Das fehlende Geld würde bei der Kaderzusammenstellung für die Spielzeit 2021/2022 fehlen.
Bei Fortuna Köln zeigen sich die Verantwortlichen angesichts der kritischen Lage erfinderisch. Der Klub fordert seine Anhänger zum Kauf eines Unterstützertickets für ein virtuelles Spiel der Fortuna auf. „Durch die Partie sollen möglichst wegfallende Einnahmen kompensiert werden“, sagt Benjamin Bruns auf Anfrage unserer Redaktion. Der Kölner Klub rechnet durch die Spielausfälle mit einem Verlust von circa 200.000 Euro. Dem Kölner Geschäftsführer ist es in diesem Zusammenhang aber auch wichtig, zu betonen, dass „wir in der Lage sind, eine solche Phase zu überbrücken.“
Ähnlich sieht es beim SV Verl, dem Tabellenzweiten der Liga, aus: „Es ist auch für unseren Verein eine harte Zeit, allerdings haben wir das Glück, dass unsere Saison durchfinanziert ist“, erklärt Raimund Bertels, Präsident und Sportlicher Leiter beim SV. „Mit einem Zuschauerschnitt von knapp 1.000 Menschen spielt dieser Bereich in unserem Etatplan keine so entscheidende Rolle, wie bei größeren Regionalliga-Klubs“.
Aufsteiger TuS Haltern brachte ein Szenario ins Spiel, das hauptsächlich im US-Sport Anwendung findet. „Es bedarf eines Lockout-Szenarios, wie man es aus den USA kennt, um fortlaufende Verpflichtungen zeitweise auszusetzen.“ Man müsse an „politischen Lösungen für Kurzarbeit- oder Urlaubsregelung“ arbeiten, ansonsten würde der „Einnahmen-Ausfall bei gleichzeitiger Weiterzahlung der Personalkosten in voller Höhe vermehrt Vereine in die Insolvenz treiben“, hieß es von Klubseiten.
Ungewiss ist der Blick der fünf U23-Teams der Bundesligavereine in die Zukunft. Sie sind zwar am wenigsten von den Zuschauereinnahmen betroffen, müssen aber natürlich auf andere Entwicklungen schauen: „Diese Krise trifft andere Teams sicher härter als unsere Mannschaft, da wir grundsätzlich auf die Entwicklung bei den Profis angewiesen sind“, erklärte die Schalker Knappenschmiede. Ähnlich äußerte sich auch Frank Schaefer, Leiter des Nachwuchszentrum von Fortuna Düsseldorf: „Als U23 sind wir in unserer Kalkulation nur geringfügig von Zuschauereinnahmen oder Fernsehgeldern abhängig. Von daher ist die Situation für uns aktuell zu bewältigen. Als Nachwuchsteam befinden wir uns mittelfristig natürlich in Abhängigkeit von der Gesamtentwicklung.“