2024-05-02T16:12:49.858Z

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Der WFV denkt über eine Reform des Spielklassensystems nach.
Der WFV denkt über eine Reform des Spielklassensystems nach. – Foto: FuPa Stuttgart
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Reform des Spielklassensystems: Das könnte sich ändern

Erhebliche Auswirkungen für den Bezirk Stuttgart möglich

Der Württembergische Fußball-Verband arbeitet an einer Reform seines Spielklassensystems und der Bezirksgebiete. Wird diese Realität, ergeben sich für die Vereine des Bezirks Stuttgart teils deutliche Veränderungen.

Warum braucht es im württembergischen Fußball eine Reform?

Hilfe, es ist Fußball, und keiner macht mehr mit?! Nein, so drastisch verhält es sich noch nicht. Die Zahlen sind gleichwohl alarmierend. So etwa waren bei den Männern vor 20 Jahren im Bezirk Stuttgart 156 Teams aktiv am Spielbetrieb beteiligt, aktuell sind es nur noch 130, also 26 weniger. Der Grund für das Mannschaftssterben ist in nahezu allen Fällen der gleiche: Personalmangel. Und daran wird sich in absehbarer Zeit auch kaum etwas ändern – eher im Gegenteil, wenn man auf den Juniorenbereich blickt, wo im selben Zeitraum übers gesamte Verbandsgebiet gar ein Rückgang um rund 30 Prozent zu regis­trieren ist. Heißt: es kommt auch immer weniger nach.

Dies wiederum bedeutet, dass das aktuelle Spielklassensystem des Verbands an Grenzen stoßen wird, sofern es an jenen nicht eh schon ist. Aufgeteilt ist Württembergs Kicker-Landkarte in 16 Bezirke. In manchen davon tut man sich bereits jetzt schwer, ausreichend Staffeln mit Teams zu befüllen. Groß ist das Ungleichgewicht. Während in Bezirken wie Neckar/Fils und Enz/Murr annähernd 200 Mannschaften auf Punktejagd gehen, sind es im Nördlichen Schwarzwald und an der Riss gerade mal etwas mehr als 70. Vor allem der erwähnte Schwund sowie diese Diskrepanz haben die Verantwortlichen des Württembergischen-Fußballs (WFV) die Initiative ergreifen lassen. Vor gut einem Jahr haben sie eine Strukturkommission gegründet. Jene hat seither Reformvorschläge erarbeitet. Der Ansatzpunkt dabei: wie ist die Wettbewerbsfähigkeit auch für die Zukunft zu sichern? Wie erreicht man einen ausgeglicheneren Wettbewerb und damit auch mehr Gerechtigkeit zwischen den Bezirken?

Zwei Varianten stehen zur Auswahl

Wie sehen die Reformvorschläge aus?

Am Anfang habe man etwa 20 verschiedene Modelle auf dem Tisch gehabt, sagt der WFV-Vizepräsident Steffen Jäger, der zusammen mit dem Spielausschusschef Harald Müller die Kommission anführt. Übrig geblieben sind beim Puzzlespiel schließlich zwei. Beide sehen eine Änderung sowohl des bisherigen Spielklassensystems als auch der Bezirksgebiete vor. Bislang gilt in Württemberg: eine Verbandsliga, darunter vier Landesliga-Staffeln, darunter 16 Bezirksligen. Verkürzt gesagt: 1-4-16.

Nun lautete die gemäßigtere Reform­variante 1-4-12, die radikalere 1-3-9. Im einen Fall blieben immerhin fünf Bezirke identisch in ihrer jetzigen Form, im anderen keiner.

Was bedeutete die Reform für die Mannschaften aus dem Bezirk Stuttgart?

Auch dies ist auf der gegenüberliegenden Seite erläutert. Zusammengefasst lässt sich sagen: zumindest für die Landes- und Bezirksligisten würde sich viel ändern. Die Landesligisten spielten fortan mit ganz anderen Gegnern als bisher in einer Staffel. Die Fahrtwege gingen nicht mehr in Richtung Fils, Donau und Ostalb, sondern im einen Fall stattdessen gen Schwarzwald und Achalm, im anderen bis hinauf ins Hohenlohische.

Dem Bezirk Stuttgart bliebe zwar eine Zerschneidung oder gar Zerstückelung, wie sie anderen Bezirken droht, erspart, er würde aber jeweils erweitert. Bei der Variante 1-4-12 fusionierte er mit dem Gebiet der Schiedsrichtergruppe Böblingen, bei 1-3-9 mit den Einzugsbereichen der Schiedsrichtergruppen Esslingen und Waiblingen. Auf die Bezirksligisten kämen also weitere Auswärtsfahrten zu. Vorbei wären die Zeiten der „Stuttgarter Straßenbahnerliga“, wie der ehemalige Bezirksvorsitzende Emil Herre die eigene Spielklasse einst augenzwinkernd nannte – deshalb, weil jeder Gegner eben auf kurzem Weg theoretisch sogar mit Bus oder Straßenbahn zu erreichen war. Freilich: es handelt sich auch um einen Sonderstatus, den die Stuttgarter Vereine aufgrund der räumlichen Begrenztheit ihres Bezirks bislang genießen. In anderen Bezirken ist es schon heute unaufgeregte Normalität, sonntags hin und zurück 100 oder mehr Autokilometer abzuspulen.

Auf die Kreisligisten schließlich käme nur bei der Variante 1-3-9 ein Einschnitt zu.

Gut 70 Prozent sind für das 1-4-12

Wie wahrscheinlich ist es, dass eine Reform kommt?

Gemessen an den vier Regionalkonferenzen, auf denen der Verband seine Ideen in den vergangenen Wochen der Basis präsentiert hat, ist die Wahrscheinlichkeit hoch. Unter den Vereins- und Bezirksvertretern fand zum Abschluss jeweils eine Abstimmung statt – nichts Verbindliches, aber doch eine gute Orientierungshilfe. Das Ergebnis? Von den insgesamt gut 400 Anwesenden votierte eine überwältigende Mehrheit von 98 Prozent für eine Änderung des Spielklassen­systems. Gut 70 Prozent präferierten dabei die Variante ­1-4-12. Und immerhin 69 Prozent waren der Meinung, dass eine Reform dann auch mit einer Anpassung der Bezirksgebiete einhergehen sollte.

Was sind die Argumente und Bedenken der Reformgegner?

Der zeitliche und auch finanzielle Mehraufwand durch weitere Fahrtstrecken ist das, was vielen Sorgen macht. Andere befürchten einen Verlust von Tradition oder sportlicher Heimat, wenn Bezirke durchschnitten würden. Der Einwurf: was wollen wir mit neuen, fremden Gegnern, wenn es auf Kosten über Jahrzehnte gewachsener Duelle und womöglich treuer Fanbegleitung geht?

Betroffen wären vor allem die Bezirke Rems/Murr, Böblingen/Calw und Hohenlohe. Jene würden in beiden Reform­varianten dem Seziermesser zum Opfer fallen. Aus dem Bezirk Neckar/Fils ertönt derweil bereits heftiger Protest gegen das Modell 1-3-9, würde das eigene Gebiet in diesem Fall doch sogar in drei Teile zerstückelt. Und aus Zollern, just dem mit kleinsten Bezirk, ist schon jetzt eines unzweideutig formuliert: Reform? Danke, nein.

Der Kommissionschef Müller sieht es so: „Es ist klar, dass da jeder Bezirk erst einmal an sich selbst denkt. Aber man sollte auch das Ganze sehen.“

Wie ist der weitere Verfahrensweg?

Müller und die Seinen wollen nun bis zum Sommer nächsten Jahres weiter Stimmen und Stimmungen einfangen. Wahrscheinlich, dass es jeweils auf Bezirksebene ergänzende Informationsveranstaltungen geben wird. Auch hat der Verband zum Thema extra eine Seite im Internet eingerichtet. Unter der Adresse zukunftwfv.de können sich Vereinsvertreter und sonstige Interessierte einlesen oder Kommentare einstellen. Spätestens am 30. Juni wird die Kommission dann dem WFV-Beirat einen Abschlussbericht vorlegen – worauf es wiederum jenem obliegt, gegebenenfalls konkrete Vorschläge an den Verbandstag zu übermitteln.

Letzterer tagt das nächste Mal im Mai 2021 – und ist das final entscheidende Gremium. Vertreten sind dort eben die Bezirke, die in unterschiedlicher Anzahl Delegierte entsenden, abhängig davon, wie hoch die Vereinsmitgliederzahlen in ihren Gebieten sind. Die mit Abstand größte Fraktion wird wie gehabt der Bezirk Stuttgart stellen (zuletzt: 38 von 246), dem VfB mit seinen allein 67 000 Mitgliedern sei Dank. Zum Beschluss einer Reform bräuchte es eine Zweidrittelmehrheit an Stimmen. Würde diese nicht erreicht, bliebe es beim System 1-4-16.

Neue Reform nicht vor 2023/24

Wann könnte die Reform frühestens greifen?

Kommt die Reform, müssen die Startplätze in den Spielklassen neu vergeben werden. Ein Beispiel, im Fall von 1-4-12: 15 Stuttgarter Bezirksligisten + bisherige Böblinger Bezirksligisten wären für eine Staffel natürlich zu viel. Es müsste also erst einmal mindestens ein Qualifikationsjahr mit verschärftem Abstieg geben. „Vielleicht auch zwei oder drei“, sagt Müller. Der Modus hierfür steht noch nicht fest. Dieses Qualifikationsjahr könnte laut Müller frühestens die Saison 2022/2023 sein – und die eigentliche Reform mit neuem System somit frühestens 2023/2024 kommen.

Inwieweit wären der Frauen- und der Juniorenfußball betroffen?

Gar nicht. Beide spielen schon jetzt beziehungsweise von der nächsten Saison an mit verändertem System, in ihren Fällen ohne ein Antasten der Bezirksgebiete, sondern bezirksübergreifend. Bei den Frauen gilt das System 1-2-6 (Verbands-, Landes-, Regionenliga), bei den Junioren erfolgt die Umstellung auf 1-3-9 (Verbandsstaffel, Landes-, Bezirksstaffeln).

Hat es schon einmal derart konkrete Reformpläne gegeben?

Ja. Und beim Verband wird man sich schmerzlich daran erinnern. Vor 19 Jahren war der Plan schon einmal, die Zahl der Bezirke von 16 auf zwölf zu reduzieren – und auf WFV-Seiten handelte man sich eine böse Abfuhr ein. Dass die Verantwortlichen das Reformpapier im stillen Kämmerlein ausgebrütet hatten und ihren Vereinen erst kurz vor knapp präsentierten, straften die Delegierten ab. Seinerzeit gar drei Jahre Vorarbeit waren damit reif für die Tonne.

Die aktuellen Macher haben ihre Lehren daraus gezogen. Diesmal kam es ihnen von Beginn an auf Transparenz, Offenheit und Mitspracherecht an – in der Hoffnung, dass das Ergebnis beim aktuellen Anlauf anders ausfallen wird.

Ob die Betroffenen die Chance, sich einzubringen, dann auch nutzen, steht immer noch auf einem anderen Blatt. Bei der Regionalkonferenz unlängst in Heilbronn, zu der unter anderem die Stuttgarter Vereine geladen waren, fiel die Resonanz überschaubar aus. Von 74 Clubs des Bezirks waren vertreten: zwei. TSV Weil­imdorf und Türkspor – alle anderen glänzten durch Abwesenheit.


Hier findet ihr mehr Informationen zum Projekt "Zukunft WFV"



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Aufrufe: 013.12.2019, 13:50 Uhr
Filder-Zeitung / Franz StettmerAutor