2024-05-10T08:19:16.237Z

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Es war einmal beim TSV Wankendorf: Chefcoach Jörg Zenker (re.) und Co-Trainer Olaf Weick (li.) mit den Neuzugängen Dennis Holstein (2. v. li.) und Maurice Borgert, der beim nun zurückgetretenen  Zenker wegen seines Urlaubs kurz nach Saisonbeginn in Ungnade fiel. Weick übernimmt das Oberliga-Schlusslicht nun interimsweise.Sell
Es war einmal beim TSV Wankendorf: Chefcoach Jörg Zenker (re.) und Co-Trainer Olaf Weick (li.) mit den Neuzugängen Dennis Holstein (2. v. li.) und Maurice Borgert, der beim nun zurückgetretenen Zenker wegen seines Urlaubs kurz nach Saisonbeginn in Ungnade fiel. Weick übernimmt das Oberliga-Schlusslicht nun interimsweise.Sell

Zenker schmeißt hin - Handlungsdruck in Wankendorf

Fußball-Oberligist braucht einen neuen Coach / Erwartungshaltung des bisherigen Trainers nicht übertragbar / Weick übernimmt interimsweise

Er sei kein Typ, der einfach wegläuft, hat Jörg Zenker mal gesagt. Wer ihn kennt, der weiß, dass das zu 100 Prozent stimmt. Weggelaufen ist er auch diesmal nicht, und doch warf der Trainer des Fußball-Oberligaaufsteigers TSV Wankendorf am Dienstagabend die Brocken hin. Der besorgniserregende Saisonstart mit null Punkten und 1:19 Toren aus den ersten vier Partien spielte dabei nur eine Nebenrolle.

„Meine Erwartungshaltung ist hoch. Wenn ich diese nicht eins zu eins auf meine Mannschaft übertragen kann, muss ich mir Gedanken machen. Ich arbeite sieben Tage die Woche für den Verein. Wenn dann nicht von allen eine entsprechende Gegenleistung kommt, bin ich nicht der richtige Mann“, erklärte Zenker gegenüber unserer Redaktion. Es sei ein längerer, also ein gärender Prozess gewesen, sagte der 46-Jährige, „und wenn ich so weitergemacht hätte wie in den vergangenen Wochen, dann hätte ich mich aufgerieben“. Immer wieder hatte der frühere Regionalligaspieler des VfR Neumünster mit Absagen für den Trainingsbetrieb zu kämpfen. Das zehrte an ihm. „Ich habe vollstes Verständnis dafür, wenn jemand arbeiten oder fürs Studium lernen muss“, betonte Zenker, „nur kann ich das mit meiner Trainingsarbeit nicht vereinbaren, und besonders nervten mich diese ganzen Urlaubsgeschichten“. Ein ums andere Mal fehlten Spieler deswegen, zuletzt brachen – mitten in der Saison – Maurice Borgert und Tom Steinmetz in die Ferien auf.

Bereits in der Vorbereitung sei es schwierig gewesen, die Mannschaft gezielt auf das große Abenteuer Oberliga vorzubereiten. „Ich hatte insgesamt 27 Mann auf dem Zettel, doch beim ersten Meisterschaftsspiel in Flensburg standen nur drei Leute in der Startelf, die tatsächlich die komplette Vorbereitung durchgezogen hatten“, erinnerte sich der B-Lizenz-Inhaber, für den daher die fürchterliche 0:10-Pleite beim SC Weiche 08 II „nicht von ungefähr“ kam.Zenker hatte Wankendorf zur Saison 2016/17 von Torsten Block übernommen und wurde gleich im ersten Jahr mit den Galb-Blauen Meister der Verbandsliga Süd-West. „Als wir uns zusammengesetzt und mit jedem Einzelnen über den großen Sprung in die Oberliga gesprochen haben, waren alle dafür. Doch anschließend fehlte mir der Enthusiasmus. Um mit einem Team wie Wankendorf in der höchsten Landesklasse bestehen zu können, brauchst du 18 oder 19 positiv Verrückte“, sagte Zenker und begann aufzuzählen: „Wenn ich mich von allen denjenigen getrennt hätte, die nicht richtig mitgezogen haben, wären nur noch zwölf Mann übrig geblieben. Das aber wollte ich dem Club nicht antun.“ Zuletzt habe er sich sogar mit einem Akteur überworfen, verriet der (Ex-)Coach, „weil der Spieler einen Kurztrip nach Berlin unternahm“. Man hätte so weitermachen können wie in den vergangenen Wochen, meinte Zenker, „aber ich wollte so nicht weitermachen. Ich möchte morgens und abends in den Spiegel schauen und immer noch mich selbst erkennen.“

Holger Bajorat
Holger Bajorat
Zenker gilt als einer, der in puncto Einstellung und Disziplin das Maximum gibt und das auch vorlebt. Holger Bajorat (Foto), Gründungsmitglied und 1. Vorsitzender des Wankendorfer Fußballförderkreises, bezeichnete den 46-Jährigen gar als „hochintelligenten und erfahrenen Profi“. Dennoch, so Bajorat, sei man im Verein „ein Stück enttäuscht. Denn wir hatten eigentlich vor, das Ding knallhart gemeinsam durchzuziehen.“ Der 61-Jährige vermutete gestern noch einen weiteren Grund, der den Übungsleiter zum Rückzug bewogen hat: „Zenker hat unterschätzt, dass es nicht so leicht ist, Spieler zu uns zu lotsen. Er hatte gedacht, dass drei, vier hungrige Talente auf Grund seiner Reputation nach Wankendorf kommen würden. Das war aber nicht der Fall.“ In der Tat hatte Zenker vor wenigen Wochen eingeräumt, dass die Transferaktivitäten in die Rubrik „enttäuschend“ fielen. Neben Borgert, einem Reservisten des SH-Liga-Absteigers TuS Hartenholm, wurden nur noch Dennis Holstein vom Kreisligisten TSV Gadeland sowie Marcel Stölting vom letztjährigen Verbandsligarivalen VfR Neumünster II an den Jahnplatz gelockt. „Ich hätte gedacht, die Oberliga als Anreiz würde stärker ziehen“, hatte Zenker kürzlich eingeräumt. Doch in Wankendorf ist die „große Mark“ nicht mitzunehmen, laut Bajorat wird „ein bisschen Fahrgeld und sonst gar nichts“ gezahlt. „Wir werden auch von diesem Kurs nicht abrücken“, betonte der Bankkaufmann, „ansonsten würden wir große Probleme mit dem Gesamtverein bekommen“. Bajorat („Wir sind kein reiner Fußballclub.“) verwies in diesem Zusammenhang auf 950 Mitglieder in 13 verschiedenen Sparten.
Während Zenker jetzt erst einmal „ein paar andere Dinge des Lebens“ in Angriff nehmen und sich erst im Winter Gedanken über einen neuen Trainerjob machen will („Wenn meine Person dann überhaupt noch gefragt ist.“), befindet sich der TSV Wankendorf laut Bajorat „unter Handlungsdruck“. Das sportlich ohnehin brisante Derby am Sonntag daheim gegen den Polizei-SV Union (Anstoß 15 Uhr) wird jetzt noch einmal aufgewertet. „Der neue Trainer muss zu uns passen. Er muss wissen, dass wir Dorffußballer sind und Dorffußballer bleiben werden“, betonte Bajorat. Auch auf Wunsch der Mannschaft wird der bisherige Co-Trainer Olaf Weick interimsweise den Chefposten übernehmen. Das Wankendorfer Urgestein wird das Team auf das Kellerduell mit den „Polizisten“ einstellen. „Denn vor dem Wochenende passiert definitiv gar nichts. Ich gehe davon aus, dass wir in der übernächsten Woche Vollzug melden werden“, erklärte Bajorat.Am Ende der Trennung wurde es versöhnlich. „Es bleibt eine Freundschaft mit Zenker“, sagte der Boss des Förderkreises. Der zurückgetretene Coach ging sogar noch weiter: „In Wankendorf waren das nicht nur meine Spieler, das waren meine Freunde.“
Aufrufe: 023.8.2017, 21:00 Uhr
SHZ / sasAutor