2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
Nach dem Markus Karls Vertrag in Sandhausen im Sommer ausgelaufen ist, ist der 34-Jährige aktuelle aus Vereinssuche.
Nach dem Markus Karls Vertrag in Sandhausen im Sommer ausgelaufen ist, ist der 34-Jährige aktuelle aus Vereinssuche. – Foto: Steven Mohr / FNS

Sein letzter großer Wunsch

Niederbayerische Exportschlager: Markus Karl +++ Der 34-jährige Vilsbiburger ist aktuell vereinslos - und noch verletzt dazu. Seine große Hoffnung: Ein versöhnliches Karriereende.

Am Telefon meldet er sich zunächst in lupenreinem Hochdeutsch. Als er jedoch erkennt, dass auf der anderen Seite der Leitung ein Niederbayer sitzt, kann er ohne Probleme in den Dialekt-Modus umschaltet. Obwohl Markus Karl bereits seit Jahren im deutschen Profifußball unterwegs ist, hat er gewisse typische Eigenheiten seiner Heimat gewahrt - dazu zählt unter anderem die Mundart. "Ich lebe seit 2013 in Kaierslautern, fühle mich hier auch sehr heimisch", berichtet der 34-Jährige. "Nichtsdestotrotz werde ich meine Wurzeln nie vergessen."

Der Vilsbiburger ist der nächste Akteur in der Reihe "Niederbayerische Exportschlager" - und wohl einer der traurigsten Interviewpartner im Rahmen dieser Serie. Denn nach einer erfolgreichen Karriere bei Fürth, dem HSV, Ingolstadt, Union Berlin, Kaiserslautern und Sandhausen steht der Mittelfeldspieler vor einem sehr bitteren Ende. Sein Vertrag bei Zweitligist Sandhausen ist im Sommer ausgelaufen - hinzu kommt eine Knieverletzung, die noch nicht komplett ausgeheilt ist. Dennoch gibt er zweifache Familienvater nicht auf, wie er u.a. im FuPa-Gespräch betont...

Markus, die wichtigste Frage vorweg: Wie geht’s Dir?
Vor vier Wochen bin ich nochmal an meinem lädierten Knie operiert worden. Ein kleiner Knorpelschaden, der mit dem Kreuzbandriss einhergegangen ist, wurde durch die Belastung in der Reha doch größer und musste deshalb nun repariert werden. Eigentlich bin ich kurz vor der Rückkehr ins Mannschaftstraining gestanden, und nun muss ich weitere sechs Wochen warten, bis ich wiederum mit der Reha starten kann.

Für eine derartige Hiobsbotschaft klingst Du aber sehr positiv und zuversichtlich.
Klar, ist es bitter, dass das alles passiert ist. Aber ich kann es nicht rückgängig machen. Ich hatte was Verletzungen betrifft in meiner bisherigen Karriere unheimliches Glück. Nach 14 Jahren Profifußball habe ich mich das erste Mal schwerer verletzt. Nichtsdestotrotz möchte man allerdings nicht, dass es auf diese Art und Weise zu Ende geht. Ich würde gerne mein Karriereende selber festlegen.


»3. Liga traue ich mir auf alle Fälle noch zu«

Gesundheit war in letzter Zeit das Thema schlechthin. Wie hast Du Corona und dessen Folgen wahrgenommen?
Durch meine Knieverletzung und den geltenden Bestimmungen war ich seit mehr als vier Monaten nicht mehr bei der Mannschaft in Sandhausen. Meine Mannschaftskameraden waren ja während des Spielbetriebes in Quarantäne. Leider war es deshalb nicht möglich, dass ich sie treffe und sie im Abstiegskampf unterstütze. Sehr bitter. Eine harte Geschichte.

Schwere Zeiten für Dich - auch, weil Dein Vertrag in Sandhausen nun ausgelaufen ist.
Zu ein paar Vereinen besteht Kontakt. Bevor diese Gespräche konkret werden können, muss ich allerdings wieder komplett fit werden. Ich habe jedoch keine Angst vor der Zukunft. Durch meine Erfahrung würde ich relativ schnell wieder in ein Mannschaftsgefüge zurückfinden. Und außerdem habe ich ja doch schon ein fortgeschrittenes Fußballalter und eine Karriere, auf die ich stolz sein kann.

Im Rahmen dieses Interviews darfst Du mal richtig die Werbetrommel rühren: Warum bist Du für Mannschaften interessant?
3. Liga traue ich mir auf alle Fälle noch zu - vielleicht auch die 2. Bundesliga. Durch Corona sind viele Vereine sehr zurückhaltend auf dem Transfermarkt. Es wird wohl nur wenig Geld fließen. Das alles ist eher ein Vorteil für mich - zumal ich generell ein sehr geduldiger Mensch bin. Ich bin ablösefrei und dank meiner Erfahrung ohne Integrationsprobleme sofort einsatzbereit. Mit 286 Einsätzen bin ich aktuell der Rekordspieler des Unterhauses. Als Sechser oder Innenverteidiger ist man auch etwas unabhändiger vom Alter, denn auf diesen Positionen ist die Schnelligkeit nicht maßgeblich. Und mein Knie wird auch wieder komplett ausheilen, davon bin ich überzeugt.

In Deiner Vita stehen unzählige Zweitliga-Spiele, aber nur wenige Einsätze in der Eliteliga: Warum hat es für "ganz oben" nicht gerreicht?
Fünf Bundesliga-Spiele habe ich ja immerhin (lacht). Spaß beiseite. Zu Beginn meiner Karriere, als ich mit 19 Jahren beim HSV spielte, war die Zeit noch nicht reif, junge Spieler ins kalte Wasser zu werfen. Damals wurde eher auf ältere, routinierte Akteure gesetzt. Der Jugend-Boom hat erst etwas später eingesetzt. Ganz ehrlich: Und ich war damals auch noch nicht bereit dazu. Im Juniorenbereich ist mir alles realtiv leicht gefallen, ich habe Junioren-Bundesliga und U-Nationalmannschaft gespielt. Bei den Senioren war es aber dann doch etwas anders. Meine eigene Unreife stand mir ihm Weg, es in der Bundesliga zu schaffen. Und später, als gestandener Zweitliga-Spieler mit Mitte Zwanzig, war ich für den Sprung einfach schon zu alt, weil ganz oben der Jugendhype ausbrach. Meine Vereine selbst waren entweder noch nicht bereit für den Aufstieg, oder wir sind - wie Kaierslautern - knapp daran gescheitert.

Bleibt Deine Karriere deshalb irgendwie unvollendet?
Überhaupt nicht. Ich bin verheiratet, habe zwei gesunde Kinder und habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Die vielen Spiele in der 2. Bundesliga sprechen auch für sich. Hier in Kaiserslautern habe ich zudem ein sehr gutes, privates Umfeld gefunden. Zum ersten Mal in meiner Karriere habe ich einen etwas größeren Freundeskreis. Dass vielleicht mehr drin gewesen wäre, will ich gar nicht bestreiten. Aber ob dann auch alles besser wäre? Ich bin so zufrieden, wie es ist.


»Als Spieler ist man austauschbar - und nicht mehr so viel Wert«

Du gehört einer Fußball-Generation an, die die Entwicklung des Profifußballs hin zum "Big Business" hautnah miterlebt hat. Wie hast Du das Ganze wahrgenommen?
Das Drumherum hat sich unfassbar verändert, keine Frage. Nicht nur finanziell. Es ist irre, was mittlerweile mit unterschiedlichsten Experten aus den Spielern herausgeholt wird. Die Professionalisierung ist immer weiter fortgeschritten, es gibt offensichtlich keine Ende. Der Standard ist extrem hoch. Eine der Folgen: Als Spieler ist man austauschbar und vielleicht nicht mehr so viel Wert. Das Spiel und die Fans - das Grundgerüst also - sind jedoch gleich geblieben. Mir macht es nach wie vor unheimlich viel Spaß, Fußball zu spielen.

Egal für welchen Verein?
Das hat sich alles irgendwie so ergeben. Im Juniorenbereich von Fürth hatten wir eine irre Mannschaft mit teilweise sechs U-Nationalspielern. Während sich solche Talente in der heutigen Zeit nicht vor Angeboten retten könnten, hatten wir damals nicht diese große Auswahl. Meine Stationen haben sich dann nach und nach als richtige Lösung herauskristallisiert. Letztlich habe ich mich im Rückblick nie falsch entschieden. Ich habe viel gesehen von Fußball-Deutschland und ich möchte keine der Erfahrungen missen.

Eine Fußballerkarriere bedeutet ein Leben aus dem Koffer. Auch Du hast schon in jungen Jahren das Elternaus verlassen. Welche Verbindungen und Erinnerungen gibt es noch an Deinen ersten Verein, den TSV Vilsbiburg?
Mein bester Kumpel wohnt in der Nähe von Vilsbiburg. Zu früheren Schul- oder Teamkameraden besteht allerdings kein Kontakt mehr. Ich habe ja bereits mit 17 meine Heimat verlassen und mich in der jeweiligen Stadt dann auch gut eingelebt. Es lebt sich irgendwie auseinander - dieses Gefühl kennt wohl jeder.

Seine prägenste Zeit erlebte der Niederbayern beim 1. FC Kaiserslautern. Noch heute wohnt er mit seiner Familie dort.
Seine prägenste Zeit erlebte der Niederbayern beim 1. FC Kaiserslautern. Noch heute wohnt er mit seiner Familie dort. – Foto: Getty Images

Verfolgst Du ab und zu noch Spiele Deiner ehemaligen Kollegen in der Bezirksliga West?
Natürlich. Es war richtig gut, als Vilsbiburg in der Landesliga spielte. Derartige Erfolge sind aber immer eine Frage des Geldes. Die besten Spieler werden regelmäßig weggeholt, deshalb ist die aktuelle Spielklasse wohl die beste für den TSV.

Gibt's im aktuellen Kader noch ehemalige Mitspieler aus Deiner Zeit im TSV-Juniorenbereich?
Nein - die sind alle viel zu jung (lacht). Vor ein paar Jahren habe ich während der Sommerpause anstatt meiner Laufeinheiten mal bei ihnen mittrainiert. Eine coole Sache, an die ich mich gerne zurückerinnere.

Würdest Du Dich nach Deiner fußballerischen Deutschland-Reise überhaupt noch als Niederbayern bezeichnen?
Absolut. Ich habe mich immer als Niederbayern gefühlt, egal, in welchem Eck von Deutschland ich gerade war. Ich spreche noch immer Dialekt und auch die typische Sturheit wird mir nachgesagt (schmunzelt).

Ist für Dich eine Rückkehr nach Niederbayern ausgeschlossen - sowohl privat als auch fußballerisch?
Ohne Grund ist für mich eine Rückkehr nicht vorstellbar. Ich wohne inzwischen seit siebeneinhalb Jahre hier in Kaiserslauter und ich fühle mich hier sehr wohl. Meine Kinder gehen hier zur Schule, gemeinsam mit meiner Frau habe ich mir, wie schon erwähnt, einen Freundeskreis aufgebaut und wir besitzen hier ein Haus. Das alles würde ich nur ungern aufgeben. Der Schritt zurück nach Bayern wäre mit großer Ungewissheit verbunden. Und für solche Abenteuer bin ich mittlerweile zu alt (schmunzelt).


»Es sind wieder Typen mit klarer Kante gefragt«

Dein Weg vom ländlichen Niederbayern ins Profigeschäft war ebenfalls ein Abenteuer. Wie blickst Du heute auf diese Zeit zurück?
Das Geschäft ist inzwischen noch extremer geworden. Ich habe samstags B-Bayernliga und sonntags A-Bezirksoberliga gespielt und erst mit 17 Jahren Vilsbiburg verlassen - das wäre heute schon zu spät. Talente, die nicht mit 12 oder 13 Jahren entdeckt werden, haben es inzwischen sehr, sehr schwer.

Würdest Du Dich als gleichströmig bezeichnen, weil Du eben dieses etwas starre NLZ-Gebilde durchlaufen hast?
Nein, überhaupt nicht. Ich lasse mich nicht verbiegen. Generell stehen individuelle Fähigkeiten meiner Meinung nach wieder vermehrt im Mittelpunkt. Es sind wieder mehr Typen mit klarer Kante gefragt.

Der beste Beweis, dass Du ein Original bist, war deine Waldhof-T-Shirt-Aktion?
Dass das so eine große Nummer wird, hätte ich nicht gedacht, als irgendwer dieses Foto von mir gemacht hat. Ich bin nun mal Kaiserslauter-Fan, hab dort auch noch eine Dauerkarte. Ob die Aktion nun clever war oder nicht - darüber muss man reden. Aber die Frage, die sich mir stellt: Muss man rund um so ein T-Shirt einen derartigen Hype machen?

Vielen Dank für das Interview, alles Gute für die Zukunft - und ganz wichtig: Erst gesund werden, dann bleiben!

Aufrufe: 026.7.2020, 12:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor