2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines
Hier ein paar Euro an der Tageskasse, dort ein paar Euro am Bratwurststand - das brauchen Amateurvereine einfach, um ihre laufenden Kosten zu decken. Gruppenligist SSC Burg beispielsweise hatte letztmalig am 2. November die Gelegenheit, im Rahmen eines Heimspiels rund um seinen Naturrasenplatz Kasse zu machen. Für das erste Heimspiel nach der Winterpause gegen Bicken musste sich der Verein wieder einmal auf dem Kunstrasenfeld in Herborn einmieten.	Archivfoto: dpa
Hier ein paar Euro an der Tageskasse, dort ein paar Euro am Bratwurststand - das brauchen Amateurvereine einfach, um ihre laufenden Kosten zu decken. Gruppenligist SSC Burg beispielsweise hatte letztmalig am 2. November die Gelegenheit, im Rahmen eines Heimspiels rund um seinen Naturrasenplatz Kasse zu machen. Für das erste Heimspiel nach der Winterpause gegen Bicken musste sich der Verein wieder einmal auf dem Kunstrasenfeld in Herborn einmieten. Archivfoto: dpa

Ab Mai würde es kritisch werden

DILLENBURG: +++ Auch Amateurfußball kostet Geld: Kommen die Verbands- und Gruppenligisten finanziell durch die Spielpause? +++

Herborn/Haiger/Mittenaar. Der Spielbetrieb ruht, die Kosten laufen weiter, gleichzeitig fehlen Heimspieleinnahmen. Was bedeutet das für die Fußballvereine SSV Langenaubach, TSV Bicken, SSC Burg und TSV Steinbach, die mit ihren ersten Mannschaften (Steinbach mit seiner zweiten) in der Verbandsliga oder in der Gruppenliga auf einem mittleren Leistungsniveau angesiedelt sind? Müssen Trainer und Spieler auf Leistungen verzichten? Können Darlehen beispielsweise für den Kunstrasen- und Flutlichtbau gestundet werden? Wie lange hält der Verein durch, wenn beispielsweise ein Energieversorger weiterhin Abschläge für Strom vom Konto zieht, auch wenn das Flutlicht nicht eingeschaltet wird?

Fragen an Wolfgang Haupt (Kassierer des SSV Langenaubach), Karl-Heinz Woyczyk (Kassierer des SSC Burg), Harald Zygan (Vorsitzender des TSV Bicken) und Pierre Bellinghausen (Spielertrainer des TSV Steinbach II, gleichzeitig Vorstandsmitglied mit dem Schwerpunkt Finanz- und Kassenwesen).


SSV Langenaubach

Wolfgang Haupt, Kassierer des Verbandsligisten SSV Langenaubach sagt: „In meinem Verein machen wir uns selbstverständlich Gedanken um das Thema Geld. Ich möchte denjenigen Verein sehen, der über ein großes Polster verfügt. Jeder lebt zu einem großen Teil auch von Zuschauereinnahmen, Bandenwerbung und Einnahmen aus dem Sportheimbetrieb.“

Im ersten und bisher einzigen Heimspiel nach der langen Winterpause, beim 4:2 über den SV Bauerbach, sei sowohl die Zahl der zahlenden Zuschauer als auch die Höhe der Einnahmen aus dem Verzehr überschaubar gewesen. „Das Wetter war nicht toll, so dass viele unmittelbar nach Spielende nach Hause gegangen sind. Ein kleines Häuflein hat dann noch ein Bier im Sportheim getrunken.“ Was die Kosten für Trainer und den Spielerkader angeht, so sagt Wolfgang Haupt: „Wir haben das noch nicht diskutiert. Gespräche darüber stehen erst an.“ Der SSV Langenaubach hat mehrere Vertragsamateure im Kader. Einige der Spieler haben lange Anfahrtswege, kommen aus dem Siegerland, aus dem Wetzlarer Raum oder vom Studienort Gießen ins Training gefahren. Fahrtkostenzuschüsse erhalten sie aber nur, sofern überhaupt trainiert wird.

Was Haupt vielleicht sogar noch stärker beschäftigt, sind andere Posten auf der Ausgabenseite: „Der Landessportbund will noch mehr als 1000 Euro von uns haben, und im Mai werden die Zahlungen an die Berufsgenossenschaft fällig. Außerdem müssen wir monatlich das Darlehen für den Kunstrasenplatz bedienen. Das ist kein unerheblicher Betrag. Vielleicht müssen wir über eine Stundung nachdenken.“ Akut in seiner Existenz bedroht sieht er seinen Verein nicht: „März und April überstehen wir. Aber danach wird es kritisch.“

Die geplante Erneuerung der Flutlichtanlage wird sich aber vermutlich verzögern. „Unser 40 Jahre altes Flutlicht ist eine Katastrophe. Mit dieser Anlage kannst du eigentlich kein Abendspiel mehr austragen“, sagt Wolfgang Haupt. Die Vorfreude auf das eine oder andere Wochentagsnachholspiel hält sich bei ihm nicht nur deswegen in Grenzen: „Mittwochs sind die Schiedsrichterkosten höher. Da müssen wir statt mit 170 Euro mit 240 Euro kalkulieren.“

SSC Burg

Karl-Heinz Woyczyk, Kassierer des Gruppenligisten SSC Burg, hat seit dem 2. November kein Heimspiel der ersten Mannschaft auf dem eigenen Rasenplatz erlebt. „Schon im November mussten wir auf den Kunstrasenplatz auf dem Rehberg in Herborn ausweichen, weil unser Naturrasen nicht mehr bespielbar war. In Herborn müssen wir uns für jedes Training und für jedes Spiel der ersten und der zweiten Mannschaft einmieten. Da kann ich aufs Jahr gesehen schon einmal mit 1000 Euro mehr an Ausgaben kalkulieren.“ Auch das erste und bisher einzige Pflichtspiel nach der Winterpause fand auf dem Kunstrasenfeld in Herborn statt. Karl-Heinz Woyczyk hätte den ersten Heimauftritt auf Naturrasen also wirklich herbei gesehnt.

Über die Kosten für den Spielerkader und den Trainer macht er sich aus einem Grund weniger Gedanken: „Wir haben in dieser Hinsicht vielleicht eine etwas bessere Ausgangslage als andere Vereine. Denn außer Zuschüssen für die Fahrt ins Training bekommt bei uns kein Spieler etwas. Wer nicht ins Training kommt, kriegt auch kein Geld.“

Mit Trainer Steffen Hardt müsste demnächst allerdings ein Gespräch über das Trainerhonorar für die Zeit geführt werden, in der coronabedingt nicht trainiert werden darf.

Das Thema Vertragsamateure tangiert den Verein nicht. Karl-Heinz Woyczyk sagt: „Sobald wir den ersten Vertragsamateur hätten, wäre ich kein Kassierer mehr.“ Warum? „Weil die Mannschaft dann auseinanderfallen würde. Wie kann denn einer zu anderen Bedingungen spielen als die anderen?“ Mit Gemeinschaftssinn und Kameradschaft sei es unter solchen Bedingungen dann vermutlich nicht mehr so weit her wie jetzt.

Was die Finanzierung einer Saison angeht, sagt Woyczyk: „Wir kommen einigermaßen hin. Nur von Mitgliedsbeiträgen und Eintrittsgeldern kann man den Spielbetrieb aber nicht stemmen. Man braucht außerdem Einnahmen aus Sponsoring und Verzehr.“ In dieser Hinsicht würden Freitagabendspiele in der schönen Jahreszeit ein wichtiges Zubrot bedeuten: „Bei schönem Wetter bleiben viele Zuschauer auch nach dem Abpfiff auf dem Gelände und trinken noch etwas. Solche Freitagabendspiele können wir aber nur im Sommer veranstalten. Wir haben auf dem Rasenplatz kein Flutlicht.“ Nachholspiele bei schönem Wetter könnten demnächst helfen, den Einnahmenausfall zu kompensieren.

Ansonsten laufen auch beim SSC Burg bestimmte Kosten weiter und weiter und weiter. „Demnächst muss der Rasenplatz gedüngt werden. Das kostet ebenfalls Geld“, blickt Karl-Heinz Woyczyk voraus. Was die Platzpflege angeht, ist er über die vielen Ehrenamtler froh, die helfen, die Kosten niedrig zu halten. „Ohne deren Hilfe müssten wir für die Platzpflege bestimmt 7000 Euro mehr in einer Saison ausgeben“, schätzt er.

TSV Bicken

Harald Zygan, Vorsitzender des TSV Bicken, sagt mit Blick auf das Große und Ganze: „Fehlende Einnahmen aus den Heimspielen reißen eine Lücke, aber keine große. Beim TSV Bicken ist eigentlich alles über Sponsoring gut abgesichert.“ Allerdings schränkt er ein: „Wir müssen darüber reden, wie der Trainer bezahlt wird, wenn kein Training stattfindet. Wenn keine Leistung erbracht werden kann, muss sich das Honorar eigentlich reduzieren.“

Mit den Spielern habe Coach und Vereinskassierer Florian Kissel bereits eine Verabredung getroffen. Zygan ging in dieser Hinsicht aber nicht ins Detail. Er sagte aber, dass es beim TSV Bicken eine Punktprämie gebe. Möglicherweise könnten die Spieler diese Prämien in derjenigen Saisonphase nachverdienen, in denen wieder gespielt wird.

Vertragsamateure gibt es im aktuellen Kader keine. Einzelne Spieler sind bei Zygans Firma Thermokon angestellt, leben also nicht ausschließlich vom Fußball. „Ich hoffe, dass das Thema Corona Anfang Mai durch ist“, sagt Zygan mit Blick auf den Fußball. Doch was ist, wenn das Spielverbot verlängert werden würde? „Dann beginnt eine Zeit mit vielen Fragen“, sagt er.

TSV Steinbach II

Pierre Bellinghausen, Spielertrainer des TSV Steinbach II, gleichzeitig Vorstandsmitglied mit dem Schwerpunkt Finanz- und Kassenwesen, sagt: „Eine Kürzung von Aufwandsentschädigungen ist bei uns noch kein Thema gewesen. Wir haben weder darüber gesprochen, noch gibt es eine Entscheidung. Der Trainings- und Spielbetrieb ruht, also gibt es auch nicht großartig etwas zu kürzen. Insgesamt geht es dabei sowieso eher um Kleinigkeiten.“ Zurzeit sind zwei Spieler als Vertragsamateure besonders abgesichert. Der Verein habe aber schon vor längerer Zeit festgelegt, dass es in der „Zweiten“ künftig keine Spieler mit Amateurverträgen mehr geben werde.

„Für mich sind zurzeit andere Aspekte viel wichtiger“, sagte Bellinghausen. „Wie geht es mit der Saison weiter? Wir befinden uns ja im luftleeren Raum.“ Sollte die Runde nicht fortgesetzt werden können, dann würde dem TSV Steinbach möglicherweise zum zweiten Mal in Folge der Aufstieg in die Verbandsliga entgehen. Zurzeit steht die Mannschaft auf Rang zwei, der zum direkten Aufstieg berechtigen würde. „Dieser sportliche Part bewegt mich zurzeit mehr als das Finanzielle.“ Mit gemischten Gefühlen nahm er am Donnerstag die Kunde auf, dass der Hessische Fußballverband bereits über eine Verlängerung des Spiel- und Trainingsverbots über den 10. April hinaus nachdenkt.



Aufrufe: 019.3.2020, 19:30 Uhr
Sven Jessen (DIll-Zeitung)Autor