2024-05-02T16:12:49.858Z

Analyse
Stimmt mit Ergebnissen der Studie nicht komplett überein: Bodenheims Trainer Jockel Weinz. Foto: Privat
Stimmt mit Ergebnissen der Studie nicht komplett überein: Bodenheims Trainer Jockel Weinz. Foto: Privat

"Man will ja auch immer neue Impulse setzen"

Fußball-Trainer der Region stehen Forschungen der Universität Mainz gespalten gegenüber

Mainz. Jeder Fußball-Fan hat genau das auch schon einmal gedacht, was nun Forscher der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in einer internationalen Studie belegt haben. „Fußballtrainer entscheiden irrational“, lautet der Titel der Untersuchung, deren Ergebnis lautet: Wenn eine Mannschaft unerwartet zurückliegt, treffen Trainer oft falsche Entscheidungen.

„Wir denken immer, Fußballtrainer seien Meister der Taktik“, sagt Univ.-Prof. Dr. Daniel Schunk. „Wenn ihr Team aber hinter Erwartungen zurückliegt, dann fällen sie zuweilen ungünstige Entscheidungen.“ So würden Trainer etwa unter anderem in Rückstand oft Offensivspieler für Abwehrleute einwechseln – was die Lage jedoch noch verschlimmere. So fanden die Forscher heraus, dass sich die Tordifferenz um 0,3 Tore pro offensivem Wechsel verschlechert.
Auch die Punktzahl im Fall eines unerwarteten Rückstandes und der „irrationalen“ Reaktion der Trainer verschlechtere sich um 0,3. Wenn ein Rückstand jedoch den Erwartungen von Publikum und Trainer entspricht, zeige sich dieser Effekt nicht. Die Erwartungen an die Teams haben die Forscher anhand von Sportwetten ermittelt. Während die Wissenschaftler 8.200 Spiele aus zwölf Saisons der deutschen Bundesliga und der englischen Premier League untersuchten, wagte diese Zeitung den Schritt in die Praxis und fragte Trainer von rheinhessischen Vereinen nach ihren Eindrücken.

"Wechsel kann durchaus helfen"

„Ich kann mir vorstellen, dass diese Zahlen stimmen, weil man mit einem offensiven Wechsel auch ein Stück die Defensive vernachlässigen kann“, sagt Jockel Weinz, Trainer des Landesligisten VfB Bodenheim. „So ein Wechsel ist aber auch immer eine Gelegenheit, um der Mannschaft einen Impuls zu geben. Das kann durchaus helfen“, hat er mit seinen Wechseln durchaus einen taktischen Plan im Hinterkopf. Es komme auch immer auf die verschiedenen Geschichten eines Spiels an. „Es gibt viele Faktoren, die sich in solchen Statistiken nicht abbilden lassen“, sagt Weinz. Das sieht auch Ali Cakici, Trainer des Oberligisten TSV Schott Mainz so. „Im Fußball steckt viel Potenzial des Zufalls. Man muss aufpassen, dass man nicht alle Ereignisse in Statistiken presst.“ Er wechsele allerdings auch offensiv, wenn sein Team in Führung liege. „Dafür ziehe ich meine Jungs ab und an auch eher zurück, wenn wir ein Tor bekommen“, schildert Cakici. „Da handele ich ziemlich oft gegensätzlich.“
In seiner Zeit als Scout für Mainz 05 habe Cakici allerdings auch erlebt, dass Teams das Credo vertreten haben, immer zu gewinnen. „Dementsprechend wechseln sie dann auch. Das ist für mich dann eher rational“, sagt Cakici. Bert Balte musste angesichts der Ergebnisse direkt an die Aufholjagd seines SVW Mainz in der Hinrunde beim VfR Grünstadt denken. „Da haben wir auch 0:4 zurückgelegen, ich habe Stürmer gebracht und dann haben wir noch 4:4 gespielt“, erinnert sich Balte. „Deshalb kenne ich auch Fälle, die nicht zutreffen.“

"Man will ja auch immer neue Impulse setzen“

Völlig normal ist für Balte auch der festgestellte Effekt, dass die Schiedsrichter bei unerwarteten Rückständen mehr Regelverstöße ahnden müssen. „Die Spieler haben während dieser Zeit 14 Prozent mehr gelbe oder rote Karten erhalten“, schildert Schunk. „Durch Wechsel wird das Spiel eben hektischer. Man will ja auch immer neue Impulse setzen“, sagt Balte. Interessant ist dennoch: Karten wegen Tätlichkeit nahmen unter diesen Bedingungen um 85 Prozent zu. „Das deckt sich allerdings nicht mit meinem Eindruck“, schildert Balte seine subjektive Meinung.
Bei dieser Betrachtung ist allerdings auch zu beachten, dass sich die Forscher mit Fußball auf einem professionellen Niveau befasst haben. Dort ist der Druck auf die Trainer und Spieler ohne Zweifel höher. Dennoch interessant. Diese Studie – und die Sicht der Trainer.

Aufrufe: 011.12.2014, 11:22 Uhr
Dennis RinkAutor