2024-05-02T16:12:49.858Z

Analyse
Spurtstark zeigte sich Meitingens Abteilungsleiter Torsten Vrazic (links). Nach dem 4:2 verfolgt er den Torschützen Denis Buja.  Foto: Karin Tautz
Spurtstark zeigte sich Meitingens Abteilungsleiter Torsten Vrazic (links). Nach dem 4:2 verfolgt er den Torschützen Denis Buja. Foto: Karin Tautz

Die ganze Skala der Gefühle

Das Spiel zwischen dem TSV Meitingen und dem SV Cosmos Aystetten war Werbung für den Amateurfußball +++ Selbst neutrale Beobachter bekamen Gänsehaut

Es gibt Spiele, an die erinnert man sich immer wieder: Die „Mutter aller Niederlagen“ beim 1:2 des FC Bayern München im Champions League-Finale gegen Manchester United, der 4:3-Sieg des FC Liverpool gegen Borussia Dortmund oder – für die Älteren – das 4:3 zwischen Italien und Deutschland bei der Weltmeisterschaft 1970, als Franz Beckenbauer die letzte Viertelstunde aufgrund einer Schulterverletzung mit an den Körper gebundenem – heute würde man sagen, getaptem – Arm durchhielt.

Die über 1000 Zuschauer, die am Sonntagnachmittag das Relegations-Rückspiel zur Landesliga zwischen dem TSV Meitingen und dem SV Cosmos Aystetten miterlebten, werden diese Partie wohl auch nicht so schnell vergessen. Wenn sie aus dem Meitinger Lager kommen, wegen des furiosen Finales, das mit dem 4:2 in der letzten Minute der Verlängerung gipfelte, die Aystetter aufgrund der bitteren Niederlage, nachdem der Vizemeister der Bezirksliga Nord nach dem 2:2-Ausleichstreffer durch Max Drechsler in der 111. Minute noch wie der sichere Sieger ausgesehen hatte. Selbst neutrale Zuschauer, wie Jürgen Reitmeier, der Abteilungsleiter des Landesliga-Aufsteigers Schwaben Augsburg, sind mit einer Gänsehaut nach Hause gegangen. „Das war allerbeste Werbung für den Amateurfußball“, sagt Torsten Vrazic.

„Nach dem 2:2 waren wir eigentlich tot“, bekannte der Meitingens Abteilungsleiter. Während Bezirksspielleiter Johann Wagner nach diesem Treffer nach Hause gefahren ist, sei er zwei Minuten völlig regungslos auf seinem Stuhl verharrt. „In meinem Kopf ist ein Film abgelaufen, was jetzt passiert, nachdem wir abgestiegen sind“, so Vrazic. Dann sprang er auf und brüllte – von den Umstehenden milde belächelt – aufs Spielfeld: „Wir brauchen jetzt ein schnelles Tor!“

Und der Wahnsinn nahm seinen Lauf: Nur vier Minuten später flutschte ein Freistoß von Michael Wende zum 3:2 ins Aystetter Gehäuse. Es war sein dritter Treffer in diesem Spiel. „Sensationell, wie er sein letztes Hemd für den TSV gibt“, so Vrazic über die Winterverpflichtung aus Heidenheim, der kommende Saison für den SC Bubesheim spielen wird. Für den alles entscheidenden Treffer in buchstäblich letzter Minute war dann mit Denis Buja ein Meitinger Urgestein zuständig.

„Ein Wahnsinnsspiel“, urteilte auch Pavlos Mavros, der ehemalige Trainer des SV Cosmos Aystetten, der in der kommenden Saison bei Türkspor Augsburg die Kommandos geben wird, „nur meine Jungs tun mir leid.“ Während die Meitinger wie von der Tarantel gestochen über den Platz rasten, lagen die Aystetter völlig apathisch am Boden. Auch sie hatten bei schwül-warmen Temperaturen alles gegeben.

„Das Tor war zweimal ganz weit offen“, war bei Aystettens Trainer Marco Löring die Niederlage auch am Tag danach noch immer nicht ganz verarbeitet. Schon zweimal hat er ähnliche Situationen erlebt. Als Spieler mit dem FC Augsburg, als es im letzten Saisonspiel gegen Jahn Regensburg um den Zweitliga-Aufstieg ging, und vergangene Saison als Trainer mit dem TSV Neusäß in der Landesliga-Relegation.

Diesmal war es besonders krass. „So rausgerissen zu werden, in letzter Minute, das ist bitter, das ist hart“, sagt Löring. Vor seinen Kickern zieht er verbal den Hut: „Ich muss der Mannschaft höchsten Respekt zollen. Wie sie sich in dieser Saison, in der wir immer wieder zurückgeworfen wurden, präsentiert hat, das zeugt von einem geilen Charakter.“ Am Ende sei man fix und alle gewesen. „Der Verband verdient an den Entscheidungsspielen, macht sich aber über die Spieler keine Gedanken“, kritisiert er den Europapokal-Modus mit Hin- und Rückspielen bei den Amateuren. Löring: „Besser wäre ein Spiel auf neutralem Platz.“

Eines steht fest: Ein drittes Mal will Marco Löring jedenfalls nicht in der Relegation scheitern: „Nächstes Jahr sind wir breiter aufgestellt. Da werden wir mal sehen, wohin uns die Füße tragen“, kündigt er an, dass der SV Cosmos Aystetten dann am liebsten den direkten Weg nach oben nehmen würde.

„Das Schlimme ist“, so Torsten Vrazic, „wir haben trotz dieses denkwürdigen Erfolges noch nichts erreicht.“ In der Tat: Noch steht dem TSV Meitingen eine weitere Hürde im Weg. Die heißt FC Stätzling. Der Vizemeister der Bezirksliga Süd hat den Landesligisten SC Fürstenfeldbruck mit 3:1 und 1:1 in die Bezirksliga geschickt. Das erste Spiel findet am Mittwoch, 18.30 Uhr in Stätzling statt, das Rückspiel am Sonntag um 16 Uhr in Meitingen. Erst dann hat der Wahnsinn für den TSV Meitingen ein Ende.

Aufrufe: 031.5.2016, 08:54 Uhr
Augsburger Landbote / Oliver ReiserAutor