2024-05-10T08:19:16.237Z

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Dieses Bild zeigt den TSV Klingenbrunn in seiner letzten Bezirksliga-Saison im Jahr 1993 (hinten v.l.): Spartenleiter Walter Eder, Stefan Czernoch, Wolfgang Mandl, Josef Kaufmann, Josef Schafhauser, Bernd Heidner, Christian Puchinger, (vorne v.l.) Gustav Hanny, Armin Nama, Klaus Würzbauer, Werner Schrönghammer, Martin Kern und Stefan Mandl.
Dieses Bild zeigt den TSV Klingenbrunn in seiner letzten Bezirksliga-Saison im Jahr 1993 (hinten v.l.): Spartenleiter Walter Eder, Stefan Czernoch, Wolfgang Mandl, Josef Kaufmann, Josef Schafhauser, Bernd Heidner, Christian Puchinger, (vorne v.l.) Gustav Hanny, Armin Nama, Klaus Würzbauer, Werner Schrönghammer, Martin Kern und Stefan Mandl. – Foto: TSV Klingenbrunn
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»Wäre ich von Klingenbrunn weg gegangen, hätte ich wegziehen müssen«

Der TSV Klingenbrunn spielte in den 80ern und frühen 90ern in der Bezirksliga +++ Der heutige 1. Vorsitzende Josef Kaufmann gehörte damals zu den Leistungsträgern +++ Selbst Regen-Legende Georg Gigl verbeugt sich +++

Es war bei weitem nicht so, dass sich die Lockrufe aus Regen irgendwo in den Wäldern zwischen der Kreisstadt und Klingenbrunn verirrten. Sportlich wäre die Herausforderung beim damals frisch gebackenen Bezirksoberligisten zweifelsohne reizvoll gewesen. Und auch in zwischenmenschlicher Hinsicht hätte alles gepasst. Nichtsdestotrotz sagte Stürmer Josef Kaufmann dem TSV-Macher, seinem Arbeitskollegen und Freund, Georg Gigl immer wieder ab. "Wäre ich von Klingenbrunn weg gegangen, hätte ich mich im Dorf nicht mehr blicken lassen dürfen und hätte wohl wegziehen müssen", erinnert sich der umgarnte Offensivmann und schmunzelt.

Mit dem Abstand von fast drei Jahrzehnten kann der heute 59-Jährige über die damaligen Begebenheiten lachen. Seinerzeit allerdings war die Lage durchaus ernst. Auf der einen Seite die fußballerischen Ambitionen eines jungen Mannes, der seine Leistungsgrenze ausloten wollte. Auf der anderen Seite die rund um die Wende noch deutlich größeren Zwänge innerhalb einer Dorfgemeinschaft. "Mei, das war halt einfach so", tut Josef Kaufmann das Ganze ab. Er steht heute über den Dingen und ist sogar irgendwie dankbar, dass es so gekommen ist, wie es gekommen ist. Der TSV Klingenbrunn ist inzwischen beinahe so etwas wie das Kind des amtierenden 1. Vorsitzenden. Und den Nachwuchs lässt man bekanntlich nicht zurück - auch weil Kaufmann mit großem Stolz auf sein Baby blickt.

Da ist zum einen seine eigene, vorher bereits etwas angeschnittene Spielerkarriere. FuPa hat in letzter Zeit bereits über einige Goldene Generationen im niederbayerischen Fußball berichtet - auch Klingenbrunn hatte eine solche. Und der TSV wusste auch, damit umzugehen, die Talente zu fördern und den Laden zusammenzuhalten. 1985/86 und dann noch einmal von 1987 bis 1992 gehörte der Verein, der in der Gemeinde Spiegelau angesiedelt ist, zum elitären Kreis der Bezirksligisten. "Im Jugendbereich haben uns die Verantwortlichen nicht aufsteigen lassen, weil sie die weiten Fahrstrecken fürchteten. Im Seniorenbereich hatten sie keine Wahl mehr", erzählt Josef Kaufmann.


Das fehlende Auto der Familie Kaufmann und die Folgen



Er selbst gehörte zu den Leistungsträgern und zu einem verschworenen Haufen um Helmut Winterstetter, Werner Schrönghammer, Klaus Urban, Michael Blöchinger, Stefan Czernoch, den leider bereits verstorbene Edmund Schneider sowie Gustav und Max Hanny. Sie alle hatten gemeinsam in der "Schüler" mit dem Fußball begonnen. "Ich hatte damals ein Trikot von Hans Friedl, der Fußball-Koryphäe aus Spiegelau. Deshalb wollte ich dort als junger Bursch auch spielen. Mein Papa hat das aber nicht zugelassen. Der einfache Grund: Wir hatten kein Auto." Animiert von einer Bayerwald-Legende wurden die Mannen von Trainer Rudolf Wilhelm, Spitzname "Riva", selbst zu Ikonen. Und mit Anton Brunner, der zu Bezirksliga-Zeiten von Jahn Regensburg zu seinem Heimatverein zurückkehrte, hatte der TSV auch einen absoluten Star in seiner Truppe.

An Allüren dachten die Klingenbrunner jedoch nicht einmal im Ansatz. "Wir hatten einfach riesengroßen Spaß am Fußball, der durch die Erfolge weiter befeuert wurde", berichtet Josef Kaufmann - und ergänzt in Erinnerung an das fehlende Auto in seiner Familie: "Und wir hatten ja sonst auch nichts außer dem Fußball." Es war aber keinesfalls so, dass nichts los gewesen wäre im kleinen Dorf am Rande des Nationalparks: Neben den üblichen kirchlichen und gesellschaftlichen Festen kamen in den 80er und frühen 90er Jahren sportliche Feiertage hinzu - nämlich dann, wenn Freyung, Waldkirchen, Simbach, Pfarrkirchen, Dietfurt und Passau auf dem kleinen Platz in unmittelbarer Nähe zur Fatima-Kapelle antreten mussten. Die Betonung liegt dabei auf "muss".



Denn: Winterstetter, Schrönghammer & Co. verließen sich bei diesen Spielen nicht ausschließlich auf göttlichen Beistand. "Durch das ständige Bolzen wären wir technisch nicht die Schlechtesten. Und laufen konnten wir sowieso", geht Josef Kaufmann auf die Stärken des kleinen, aber feinen Kader ein. Ein weiterer Vorteil der Waidler: Auf dem engen Geläuf fanden sich die TSVler besser zurecht als die namhaften Gegner, die größere Spielfelder gewohnt waren. "Ab und an haben wir die Favoriten dann Daheim überrumpelt. Für uns war es aber auch ein Höhepunkt auswärts auf den tollen Anlagen der Stadtvereine zu spielen."

Auch der aufgrund seiner Größe nicht mit dem TSV Klingenbrunn vergleichbare TSV Regen spielte damals in derselben Spielklasse - stieg just in dem Jahr aber in die Bezirksoberliga auf, als es für das Örtchen in der Glasregion zurück auf Kreisebene ging. Nichtsdestotrotz spricht Regens damaliger Abteilungsleiter Georg Gigl in höchsten Tönen nicht über seinen Spezl Josef Kaufmann, sondern über die gesamten Mannschaft. "Klingenbrunn war schwer zu bespielen. Dass sie es so weit nach oben geschafft haben, liegt daran, dass sie tolle Spieler hatten, aber auch einen unbändigen Zusammenhalt."

Bibel-ähnlichen Status zu Bezirksliga-Zeiten hatte das Fußball-Echo, das zu den Heimspielen des TSV Klingenbrunn erschien.
Bibel-ähnlichen Status zu Bezirksliga-Zeiten hatte das Fußball-Echo, das zu den Heimspielen des TSV Klingenbrunn erschien. – Foto: TSV Klingenbrunn


Es waren rauschende Jahre. Es wurde trainiert, gespielt - aber auch gefeiert. Nach heroischen Siegen floss das Bier der örtlichen Brauerei in Strömen. Alles zu seiner Zeit, und alles mit absoluter Hingabe - das war die Devise. "Beim lokalen Radiosender wurden am Sonntagabend immer die Ergebnisse durchgesagt - von Walter Eder, der zugleich unser Abteilungsleiter war. Ab und an gab es über Bezirksliga-Spiele sogar kleine Berichte. Wir haben jedes Mal darauf hin gefiebert, ob wir vielleicht erwähnt werden. War das der Fall, waren wir unglaublich stolz." Nach diesen Worten überlegt Josef Kaufmann etwas länger. Es ist zu spüren, dass er nicht so recht weiß, wie er folgende Sache in Worte fassen soll.

"Das einzige, was man uns vielleicht vorwerfen kann, ist, dass wir keine Jüngeren dran gelassen haben. Wir waren schon Platzhirsche, die nicht unbedingt über den Tellerrand hinausgeblickt haben." Zur Entschuldigung sei gesagt: Wahrscheinlich wären ohne diese Wagenburg-Mentalität die Aufstiege erst gar nicht möglich gewesen. Und seinen Fehler, wenn man überhaupt davon sprechen will, hat der 59-Jährige längst wieder gut gemacht. Denn: Seit 2011 ist er 1. Vorsitzender seines Heimatvereins, dessen Heimat inzwischen wieder die A-Klasse und ab und an die Kreisklasse ist. Trotz der großen Vergangenheit ist der TSV-Chef mit dem Status quo zufrieden. "Mit gerade einmal 800 Einwohnern ist es ein großer Erfolg, noch eine eigene Mannschaft zu haben. Wir sind zufrieden mit dem, was wir haben - wenn man auch immer wieder gerne zurückdenkt."

Die Bezirksliga-Erfolge sind allerdings keine Bürde für die heutige Klingenbrunner Generation, vielmehr ist man wiederum stolz auf das Geleistete früherer Helden. "Nein, einen Druck verspürt das Team nicht aufgrund dieser Zeiten", macht Kapitän Thomas Hruschka deutlich. "Es freut uns vielmehr, wenn wir wohin kommen und auf die Glanzzeit angesprochen werden."

Aufrufe: 018.2.2021, 10:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor