2024-05-02T16:12:49.858Z

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Hohe Sprünge beim Warm Up: Florian Stahl. Fotos: Klipp
Hohe Sprünge beim Warm Up: Florian Stahl. Fotos: Klipp

Torjäger auch mit dem Adler auf der Brust

Fußball-Nationalmannschaft der Bundeswehr bestreitet ein Testspiel gegen den SV Meppen / Wir haben Mittelstürmer Florian Stahl ins Emsland begleitet

„Wahrscheinlich ist das fußballerische Niveau in Schleswig-Holstein so hoch“, sagt Sven Steingräber und muss grinsen. Fußballer aus Schleswig-Holstein in der Fußball-Nationalmannschaft? Wo gibt’s denn so was? Bei der Bundeswehr, genauer gesagt bei der Bundeswehr-Nationalmannschaft, in deren Kader Bundestrainer Oberstabsfeldwebel Olaf Bahne mit Torwart Steingräber vom TSV Schilksee, Torjäger Florian Stahl vom Regionalligisten Eutin 08, Patrick Piesker vom TSV Travemünde, Christer Reiser vom TSV Klausdorf und Niklas Ludwig von der Husumer Sportvereinigung fünf Spieler aus dem nördlichsten Bundesland berufen hat.

Der Dienst in der Einheit geht vor. Der Fußball-Lehrgang in Rheine dauert zwar von Montag bis Donnerstag, aber Florian Stahl darf mit einem Tag Verspätung an- und am selben Tag auch wieder abreisen. Das bot eine sehr gute Gelegenheit, ihn auf seiner Tour zum Lehrgang zu begleiten und einen Tag mit den besten Fußballern der Bundeswehr zu verbringen. Als Abfahrtszeit haben wir 4.30 Uhr abgemacht. „Fünf Minuten vor der Zeit ist des Soldaten Pünktlichkeit“, lautet ein früher oft zitierter Spruch – den der 31-Jährige befolgt. Vor dem Morgengrauen geht es los. „Bis 9 Uhr muss ich in der Kaserne sein“, gibt Stahl vor. Wir sind um 7.30 Uhr rechtzeitig zum gemeinsamen Frühstück da: Brötchen, Marmelade, Wurst, Käse, Müsli und Kakao. „Ich bin kein Kaffeetrinker, aber der Tag sollte mit einem heißen Kakao beginnen, kalt geht auch, aber Kakao muss sein“, verrät der Hauptfeldwebel der Luftwaffe.

Das Training beginnt um 9.30 Uhr. Bei den Profis heißt das am Morgen vor einem Spiel „Anschwitzen“. Aufwärmen ohne Ball, dann mit Ball, dann 5 gegen 2, eine Ballberührung, direktes Spiel – die Jungen müssen in die Mitte – „Stahler“ ist der Routinier in der Runde. Als es ihn erwischt, drücken die Jungen richtig auf die Tube, hetzen den einzigen Stürmer im 20-köpfigen Aufgebot von links nach rechts, von rechts nach links. Stahl nimmt es gelassen hin, lacht mit, als er den Ball um Millimeter verpasst. Spaß im Dienst? Ist ausdrücklich erlaubt.Nach dem Training Duschen, und Zeit für ein Nickerchen. Ausruhen, seit dem Aufstehen sind fast acht Stunden vergangen. Um 11.30 Uhr folgt die Theorie, Videoanalyse des SV Meppen. „Marius Kleinsorge ist ein kleiner, schneller Stürmer, der immer nachsetzt“, fasst Bahne seine erste Personalie zusammen. Der zweite Spieler, den er genauer analysiert, ist Nico Granatowski: „Der Name ist Programm, der schießt aus allen Rohren und hat ein richtiges Pfund.“ Natürlich hat der Cheftrainer auch Schwächen beim Drittligisten aus Meppen ausgemacht: „Wenn wir es schaffen, den Ball hinter ihre Abwehrkette zu spielen, bekommen sie Riesenprobleme.“ Diesen Rat konnte seine Mannschaft nur selten beherzigen, zu überlegen waren die Profis, die den Amateurfußballern die Grenzen aufzeigten – aber dazu später.Zu Mittag gibt es in der Kantine der Theodor-Blank-Kaserne Fisch, Fleisch oder vegetarische Kost – Fisch ist aber aus. Das ist kein großes Problem, die sportlichen Soldaten bevorzugen mehrheitlich den Braten. Am Tisch blüht der Flachs, die Männer nehmen sich gegenseitig auf die Schippe, ein Thema ist natürlich Florian Stahls Club, Eutin 08 ist Schlusslicht der Regionalliga. „Hoffentlich kommt ihr da unten raus“, sagt ein Mitspieler. „Stahli“, so heißt er hier, steht im Blickpunkt, er ist der erfahrenste Spieler in der Mannschaft, hat die meisten Länderspiele auf dem Buckel, war schon Torschützenkönig bei einer Militär-Europameisterschaft. „Ich bin hier das Urgestein“, stellt er sich vor. Er war auch schon Kapitän der Nationalmannschaft, „aber als Stürmer bist du weit weg vom Geschehen und vom Schiedsrichter“, so bestimmte Olaf Bahne einen neuen Mannschaftsführer.

Mit seinem Biss und seiner Erfahrung ist Florian Stahl kaum zu ersetzen. Nach Regenerationsschlaf und Busfahrt von Rheine nach Hemsen wird es ernst, das Freundschaftsspiel rückt näher, bei Dauerregen auf tiefem Boden. Auf der Anlage des SV Hemsen lassen sich gut 100 Zuschauer auch vom trüben Wetter nicht schrecken, die meisten sind Fans des SV Meppen, Weiß und Blau bestimmen die Kulisse. Auch gegen den Drittligisten zeigt der einzige Stürmer im Aufgebot seine Klasse, ein Tor und eine Vorlage stehen für Florian Stahl zu Buche – doch die Niederlage nervt ihn, 2:8. „Ich haben gehofft, hier ein besseres Ergebnis erzielen zu können“, sagt auch der Cheftrainer. Im Emsland fällt ein Auto mit OH-Kennzeichen auf. „Das ist ja ein Zufall, dass wir uns hier wieder sehen“, stellt ein stattlicher Mann mit einer Sporttasche in der Hand fest. Er gehört nicht zur Bundeswehrdelegation. „Ich bin doch der Schiedsrichter, der am Wochenende Eutin 08 gegen Blau-Weiß Rehden gepfiffen hat“, sagt Franz Bokop, der das Spiel zusammen mit seinen Assistenten Lukas Benen und Stefan Zielsdorf leitet. Das Trio ist eingespielt, kommuniziert – wie in höheren Ligen üblich – übers Headset miteinander. „Vorsicht, Rückpass“, spricht Zielsdorf ins Mikrofon. Doch es ist alles ok, der Meppener Torwart Jeroen Gies befördert den Ball mit einem genauen Pass aus der Gefahrenzone und leitet so einen Spielzug ein.

Das Spiel in Hemsen ist für die Bundeswehrmannschaft der Abschluss für das Jahr 2017. „Die Weltmeisterschaften in Baku 2013 und jetzt dieses Jahr die WM in Oman waren zwei absolute Highlights, die man nicht wieder vergisst“, berichtet Patrick Piesker. Olaf Bahne hat nach der WM im Sultanat Oman noch ein weiteres Ereignis im Blick. Beim Tag der Bundeswehr in Augustdorf interessierten sich die Besucher nicht nur für Technik und Ausrüstung der Truppe, auch der Fußball war ein Anziehungspunkt. Deutschland gegen England ist auch im Militärfußball ein Klassiker: „Gegen England macht es immer Spaß Fußball zu spielen. Wir haben ein hervorragendes Spiel gemacht, das wir 3:0 gewonnen haben.“ Für die Mannschaft eine hervorragende Gelegenheit, innerhalb der Bundeswehr und nach außen Imagepflege zu betreiben. „Der stellvertretende Inspekteur der Streitkräfte war als Repräsentant unter den Zuschauern, der höchste englische Militär in Deutschland war auch vor Ort“, betont Bahne. Christer Reiser lobt das hohe Niveau, das die Soldaten mit Fußballschuhen im Training und im Spiel zeigen: „Die Professionalität ist besser als im Verein. Die Qualität der einzelnen Spieler ist enorm, da merkt man einfach, dass hier die Creme de la Creme der Bundeswehr Fußball spielt.“

Aufrufe: 026.10.2017, 17:00 Uhr
SHZAutor