2024-05-02T16:12:49.858Z

Spielbericht
Die Sektkorken knallten noch auf dem Platz, sogar die aus der Champions League bekannten Goldschnipsel durften bei der Jetzendorfer Spontanfeier nicht fehlen. HAB
Die Sektkorken knallten noch auf dem Platz, sogar die aus der Champions League bekannten Goldschnipsel durften bei der Jetzendorfer Spontanfeier nicht fehlen. HAB

Alexander Schäffler: „Ich habe Rotz und Wasser geheult“

Im vierten Anlauf erfolgreich - Jetzendorf bricht Relegationsfluch

Der Schriftzug „TSV Jetzendorf – Aufsteiger 2019“ prangte auf den T-Shirts, die sich die Spieler nach dem Schlusspfiff überstreifen durften. Lange blieben die Jerseys nicht trocken denn auf knallenden Sektkorken folgten Schaumweinduschen.

Zuvor hatten die Jetzendorfer durch den 4:1-Sieg im Rückspiel beim SV Neuperlach München (Hinspiel 2:1) den Relegationsfluch besiegt – und den Verein erstmals in seiner Historie in die Landesliga geballert.

Als Schiedsrichter Patrick Höpfler die Partie beendete, stürmten die Jetzendorfer Spielerfrauen, Anhänger, Bankspieler und Offiziellen auf den Platz zu ihren Helden, die sich in den Armen lagen – oder wie Spielertrainer Alexander Schäffler in sich zusammensanken.

„Ich hatte schon fünf Minuten vor dem Ende Tränen in den Augen. Mit dem Schlusspfiff konnte ich mich nicht mehr auf den Beinen halten. Ich habe Rotz’ und Wasser geheult“, so der 30-Jährige.

Schäffler hatte die Mannschaft vor der Saison mit dem gleichaltrigen Co-Trainer Martin Schröder übernommen und sich in seiner ersten Saison als Trainer einen Traum erfüllte: „Ich habe elf Jahre darauf hingearbeitet, mit diesem Verein in die Landesliga aufzusteigen. Heute haben wir Vereinsgeschichte geschrieben. Bis ich das begreife, wird es dauern.“

Die Jetzendorfer waren überfällig: Seit dem Aufstieg in die Bezirksliga vor elf Jahren schlossen sie die Saison immer mindestens auf Platz fünf ab. In den vergangenen fünf Jahren spielten sie dreimal in der Relegation um den Aufstieg – und jedes Mal scheiterten sie.

„Die Aufstiegs-T-Shirts waren schon gedruckt und wurden dann eingestampft“, verrät TSV-Spielleiter Manfred Zeindl. Das ist nun Geschichte. „Ich werde das T-Shirt die nächsten zwei Tage nicht mehr ausziehen und meinen Chef fragen, ob ich es auch in der Arbeit tragen darf“, erzählte der überglückliche Schäffler, der mit seinen Eltern und dem in zwei Fanbussen mitgereisten Jetzendorfer Anhang feierte. Die Gäste gingen mit einem Startvorteil in das Rückspiel. Der 2:1-Heimsieg im ersten Vergleich war ein gutes, aber auch gefährliches Ergebnis.

Der Gegner aus Neuperlach versuchte, so schnell wie möglich in Führung zu gehen. Auf dem „immens kleinen und noch kürzer als erwarteten Platz“ (O-Ton Alexander Schäffler) begannen die Münchner aggressiv und offensiv. Jetzendorf war zunächst ausschließlich damit beschäftigt zu verteidigen.

So nach einer Viertelstunde gelang es den Gästen dann aber immer besser, Neuperlachs Spielmacher Cenk Ismak aus dem Spiel zu nehmen. Der Druck der Münchner ebbte ab – und die komplett in grün gekleideten Gäste stellten die Weichen auf Aufstieg.

In der 24. Minute antizipierte Ben Geuenich den Pass eines Neuperlacher Verteidigers. Der Torschützenkönig der Bezirksliga-Nord-Saison lief alleine auf Daniel Stacheter zu und schob den Ball am SVN-Torhüter vorbei ins Netz.

„Ben haderte mit sich, da er in den Relegationsspielen gegen Moosinning und im Hinspiel gegen Neuperlach nicht getroffen hatte. Man hat nach dem Tor gesehen, welche Last von ihm abgefallen ist“, sagte TSV-Spielleiter Manfred Zeindl.

Für Spielertrainer Schäffler war der Treffer ein Signal, dass „der Fußballgott Jetzendorf in der Landesliga sehen will. Neuperlachs Treffer aus dem Hinspiel war eine Schuss, der unhaltbar abgefälscht wurde. Ich habe den Jungs gesagt, dass sich das im Rückspiel ausgleichen würde. Das Tor war ein Zeichen.“

Neun Minuten später steckte der Spielertrainer den Ball auf Wlad Beiz durch, der wie zuvor Geuenich vor dem Tor eiskalt blieb – 2:0. Nach etwas mehr als einer halben Stunde stand fest, dass es keine Verlängerung geben würde und Neuperlach für den Aufstieg vier eigene Tore benötigte.

Und Jetzendorf? Die Gäste schienen nun keinen Druck mehr zu verspüren, sie genossen das Spiel. „Ich habe den Jungs in der Halbzeitpause gesagt, dass wir nicht verwalten, sondern so spielen, als stünde es 0:0“, berichtete Schäffler.

Da Martin Öttl 180 Sekunden nach dem Seitenwechsel im Anschluss an einen Eckball auf 3:0 stellte, war der Anschlusstreffer der Münchner durch Drinos Gerguris Fernschuss nicht mehr als ein kleines „Hallo, wir sind auch noch da.“

Als Rene Hamann einen Konter in der 67. Minute zum 4:1 abschloss, sehnten die Jetzendorfer den Schlusspfiff herbei, um aufs Spielfeld stürmen und jubeln zu können.

Auch Zeindl, der aufgrund der drei verlorenen Relegationen nicht zu euphorisch sein wollte, wusste: „Jetzt haben wir es gepackt.“

Spielertrainer Schäffler war sich wesentlich früher sicher: „Als ich vor der Partie in die Gesichter der Spieler geschaut habe, wusste ich, dass heute nichts schief gehen würden.“ Normalerweise schreibt er nur die Aufstellung vor der Partie auf ein Flip-Chart, dieses Mal setzte er auf eine zusätzliche Portion Motivation. Er wollte nichts dem Zufall überlassen. „Ich habe das Wort unaufsteigbar ergänzt – und dann die erste Silbe gestrichen“, so Schäffler. Es wirkte.

Nach dem Schlusspfiff kannte der Jubel keine Grenzen. Angekommen in Jetzendorf, stiegen die Spieler auf einen Anhänger, der von einem Traktor durch den Ort gezogen wurde. Danach ging die Party in die heiße Phase mit offenem Ende.

Am kommenden Freitag geht es mit den Spielern der zweiten Mannschaft zur Abschlussfahrt auf die Bergkirchweih nach Erlangen. „Bis dahin werden wir feiern“, verspricht Schäffler. Darauf angesprochen, ob der TSV landesligatauglich sei, antwortete er: „Ich entschuldige meine Wortwahl, aber das ist mir scheißegal. Wir genießen heute, die nächsten Tage und die komplette nächste Saison – egal, wie es dann läuft.“

Stenogramm

SV Neuperlach München – TSV Jetzendorf 1:4 (0:2)

SV Neuperlach München: Daniel Stacheter, Baran Sagiroglu, Süleyman Cakmak, Napel Alex, Serkan Türkcan (71. Suheyp Trabelsi), Suheil Amadodin, Cenk Imsak (71. Chrysostomos Nikolaou), Miridon Rexhepi (71. Malik Abasse), Drinos Gerguri, Dimitrios Vourtsis, Dennis Yimez

TSV Jetzendorf: Dennis Pöllner, Martin Öttl, Simon Oberhauser, Leon Grauvogl, Benedict Geuenich, Alexander Schäffler (61. Ludwig Dietrich), Rene Hamann (78. Daniel Gädke), Wlad Beiz, Stefan Kellner, Marc Peuker, Christos Papadopoulos

Schiedsrichter: Patrick Höpfler

Zuschauer: 549

Tore: 0:1 (24.) – Benedict Geuenich. 0:2 (33.) – Wlad Beiz. 0:3 (48.) – Martin Öttl. 1:3 (54.) – Drinos Gerguri. 1:4 (67.) – Rene Hamann.

Aufrufe: 03.6.2019, 09:21 Uhr
Dachauer Nachrichten / Moritz StalterAutor