2024-05-02T16:12:49.858Z

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In der Saison 1957/58 wurde das TSV-Team Bezirkspokalsieger mit (hinten von links) Abteilungsleiter Karl Bauer, Manfred Sontowski, Richard Berner, Helmut Hörmann, Albrecht Hahn, Klaus Renner, Kurt Bohnet, Trainer Hans Gauder, (vorne von links) Oswald Dieterle, Gerhard Wanner, Erich Salz, Armin Bohnet und Kurt Gomringer Foto: TSV-Archiv
In der Saison 1957/58 wurde das TSV-Team Bezirkspokalsieger mit (hinten von links) Abteilungsleiter Karl Bauer, Manfred Sontowski, Richard Berner, Helmut Hörmann, Albrecht Hahn, Klaus Renner, Kurt Bohnet, Trainer Hans Gauder, (vorne von links) Oswald Dieterle, Gerhard Wanner, Erich Salz, Armin Bohnet und Kurt Gomringer Foto: TSV-Archiv

Aus aufmüpfigen Jungs werden echte Schaffer

Der TSV Hildrizhausen hat in jeglicher Hinsicht 90 bewegte Vereinsjahre erlebt

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Am Samstag, 25. Oktober, blickt der TSV Hildrizhausen bei einer Vereinsfeier in der Schönbuchhalle auf 90 bewegte Vereinsjahre zurück. Vor allem der in den 50er Jahren aufgenommene Fußballsport und die zahlreichen Vereinsausflüge in ganz Europa haben das Vereinsleben geprägt.

Wenn der Württembergische Fußballverband (WFV) in seinem Gebiet nach dem dienstältesten Vereinsvorsitzenden fahnden will, ist der Weg aus Gäu-Sicht nicht weit: Seit 1964 steht Helmut Hörmann dem TSV Hildrizhausen vor – eine wohl einmalige Marke. Zumindest im Bereich des Sportkreises Böblingen. Aber es ist beileibe nicht nur diese Zahl eines seit nunmehr 50 Jahren amtierenden Vereinschefs, die den TSV zu einem außergewöhnlichen Verein macht. Es sind vielmehr die über Jahrzehnte gewachsene Mentalität und Einsatzbereitschaft, die den Club über die Kreisgrenzen bekanntgemacht haben. Von ehrenamtlichen Helfern lebt jeder Verein. Der Blick in viele Chroniken zeigt, dass das Erstellen und Erbauen von Sportplätzen und Sportheimen in den 50er und 60er Jahren gang und gäbe gewesen ist.

Zum Schaffen erzogen worden

Auch in Hildrizhausen hat es kaum Stillstand gegeben, geschweige denn ein Ausruhen auf dem Erreichten. Der vor einigen Jahren verstorbene ehemalige Fußball-Abteilungsleiter Karl Bauer hat einmal über die „Aufbaujahre“ des TSV gesagt: „Wir sind zum Schaffen erzogen worden, nicht zum Nutzen.“ Doch die Generation um den 1940 geborenen Helmut Hörmann hatte mit Sicherheit ebenfalls Vorbilder. Vielleicht sogar die jungen Sportler des TSV, die im März 1924 unter der Führung des Lehrers Karl Brösamle den Verein gründeten. Und fortan kräftig zur Tat schritten. Bereits ein Jahr später wurde mit dem Sportplatzbau begonnen, zwei Jahre später kam ein Holzschuppen in den Maßen vier auf sechs Meter hinzu – mit einem Kampfrichterzimmer im Obergeschoss. Damals wurden Kunstturnen und Leichtathletik betrieben. Zarte Anfänge, sich dem Fußballsport zuzuwenden, gab es 1932 mit der Anschaffung eines Fußballs, zur Gründung einer Abteilung kam es vor dem Zweiten Weltkrieg aber nicht mehr.

Nach dem Krieg eine Leichtathletik-Hochburg

Nach Wiederaufnahme des Sportbetriebs 1946 galt Hildrizhausen kurzzeitig als Leichtathletik-Hochburg. Mit Karl Bauer brachte der Club sogar einen württembergischen Meister im Diskuswerfen hervor. Um auf eine 100-Meter-Laufbahn zu kommen, wurde 1948 sogar der Sportplatz vergrößert. Doch binnen kürzester Zeit erlahmte der Sportbetrieb im Turnen und bei den Leichtathleten. Im damals nur 80 Mitglieder zählenden Verein wurde 1951 eine Fußballsparte gegründet, ältere Mitglieder lehnten die Kickerei jedoch ab. Auch die Vorstandschaft stand dem Fußball skeptisch gegenüber, die erste Runde 1952/53 verlief zudem wenig erfolgreich. Hildrizhausen wurde Tabellenletzter der C-Klasse mit 0:40 Zählern und 10:132 Tore. Im Jahr darauf sah es mit 10:144 Toren und 1:41 Punkten nicht viel besser aus. Doch ein starker C-Jugendjahrgang um – dreimal darf geraten werden – Stürmer Helmut Hörmann sorgte Anfang der 60er Jahre für die Wende. Allerdings wurden die Jungen als aufmüpfig angesehen. Helmut Hörmann: „In der A-Jugend planten wir dann 1957 einen Ausflug nach Tirol.“ Sein damaliger Mannschaftskollege Rudolf Grob: „Acht Tage lang – zu dieser Zeit konnten sich so etwas nicht einmal die Reichen im Ort leisten.“ Das Geld für den Trip nach Österreich verdienten sich die Jungs mit Kugelschreiber- und Rasierklingenverkauf. Sie bekamen mit 7 000 Mark eine Riesensumme zusammen, von der prompt die Vereinsführung 5000 Mark einbehielt, weil damals der Verein wegen eines Sportheimbaus Schulden angehäuft hatte. Die A-Jugend ließ sich den Ausflug aber nicht verderben und reiste eben mit 2 000 Mark los.

Fußball-Reise in die damalige DDR

Der Rest ist fast schon Stoff für Legenden: Die tatkräftigen Jungen rissen ab 1962 das Vereinsruder mehr und mehr an sich. Helmut Hörmann, gerade mal 24 Jahre alt, wurde 1964 Vorsitzender – und ist es bis heute geblieben. Die Reiselust behielten die TSV-Fußballer übrigens bei, bereisten Jahr für Jahr neue Ziele. In ganz Europa. Und der damaligen Ostzone. Der einstige Ost-Flüchtling Heinz Rösener, versierter Vorstopper der 64er-Aufstiegsmannschaft, wollte sein Abschiedsspiel unbedingt in seiner alten Heimat bestreiten. Und im Oktober 1967 war es tatsächlich so weit: Der TSV Hildrizhausen reiste hinter den sogenannten „Eisernen Vorhang“ spielte gegen den TuS Dessau-Kochstedt. Und mit seinem forschen Auftreten gegenüber den DDR-Sportfunktionären erreichte Hörmann sogar, dass die Kochstedter ein Jahr später zu einem Gegenbesuch in die Bundesrepublik reisen sollten. Auch im Fußballsport haben Hörmann und seine Mitstreiter alles erreicht. Der TSV-Vereinschef nahm sich schon in den 90er Jahren, als ein talentierter Jahrgang um Armin Mahrla und Carsten Wagner 1997 den Sprung in die Landesliga schaffte, vor: „Ich möchte einmal gegen jede Mannschaft im Bezirk um Punkte spielen.“ Im Sommer 2006 war es so weit: Als letzte höherklassige Mannschaft war die SV Böblingen übrig geblieben. Das TSV-Team um Trainer Uli Eipper schlug die SVB im entscheidenden Relegationsspiel um den Aufstieg in die Verbandsliga in Darmsheim vor rund 3000 Zuschauern mit 3:2. Hörmann: „Ein Dorf stand kopf, ein Märchen wurde wahr.“

Über 15.000 Arbeitsstunden fürs neue Sportheim

Diese Erfolge wären freilich undenkbar gewesen, wenn in Hildrizhausen nicht über Jahrzehnte hinweg eine ideale Sportstätte erschaffen worden wäre. Angefangen beim 1996 angelegten neuen Rasenplatz, der aufgrund der Lehmbeschaffenheit des Waldbodens mit sehr viel Erde aufgefüllt respektive „angehoben“ wurde, um eine gut funktionierende Drainage einbauen zu können. Schließlich kam es vor sieben Jahren zur letzten großen Weichenstellung von Hörmann & Co.: Als die Energiekosten beim alten Sportheim davonzulaufen drohten, entschloss sich der Verein, eine neue Vereinsgaststätte zu bauen. Der „Mebus“, wie der Hausemer Vereinschef heißt, scharte noch mal seine „alten Schaffer“ um sich. Das alte Vereinsheim wurde im Juli 2007 abgerissen, nach exakt 15 021 unentgeltlich geleisteten Arbeitsstunden wurde das neue im November 2009 eingeweiht.

Helmut Hörmann will den Vorsitz abgeben

Doch die Herausforderungen werden nicht weniger. Helmut Hörmann will die Vereinssatzung überarbeiten, die neue soll ein mehrköpfiges Führungsgremium ermöglichen. Der 74-Jährige möchte im nächsten Jahr endlich den Vorsitz abgeben. Auch die Finanzströme im Verein zwischen Hauptverein und den Abteilungen sollen transparenter werden. Ein festgesetzter Satz an Beitragsrückflüssen soll eine solide Haushaltsplanung der Abteilungen in dem mittlerweile 920 Mitglieder zählenden Verein ermöglichen. Denn auch Helmut Hörmann weiß: Im TSV Hildrizhausen hat man sich mit dem Erreichten noch in den seltensten Fällen zufriedengegeben.

Aufrufe: 024.10.2014, 12:30 Uhr
Andreas GaußAutor