2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
VR Bank Bodensee-Oberschwaben

Bei weißer Weste ab zum Döner

Aladji Ibrahim Tandjigora, genannt Ibrah, lernte das Fußballspielen noch in Mali, ehe er sich auf die Flucht machte und über Polen und dem Allgäu nach Ostwürttemberg fand. Nach einer Station beim AC Milan Heidenheim ist der 26-Jährige seit dieser Saison Stammtorhüter des VfL Gerstetten.

FC Füssen, SV Rieden am Forggensee und der AC Milan Heidenheim waren die Stationen im Leben von Ibrah Tandjigora, ehe er seine fußballerische Heimat beim VfL Gerstetten fand. Der 26-Jährige stand bereits in Mali bei einer Fußballakademie zwischen den Pfosten, ehe er sich vor einigen Jahren aufgrund des Krieges in seinem Heimatland auf nach Europa machen musste. Mittlerweile ist der 26-Jährige als Stammtorhüter des Überraschungs-Zweiten VfL Gerstetten in der Bezirksliga Ostwürttemberg angekommen. Und hat noch große Pläne, wie er im Interview verrät.

Aladji Ibrahim „Ibrah“ Tandjigora (26), VfL Gerstetten: „Warum sollten wir nicht auch Meister werden können?“

„Meine große Stärke als Torhüter liegt im Spiel auf der Linie, das sagen auch meine Mannschaftskollegen. Außerdem habe ich ein Auge dafür und genügend Selbstvertrauen, bei Eckbällen die Hereingaben abzufangen. Für einen Torwart ist Letzteres generell das Wichtigste: Selbstvertrauen und viel und hart an sich zu arbeiten, also speziell das Torwarttraining. Mit Zeki Evrensel haben wir hier beim VfL Gerstetten auch wirklich einen super Torwarttrainer, der einen hervorragenden Job macht. Und auch er sagt: „Arbeit, Arbeit, Arbeit, Ibrah!“ Und darauf vertraue ich dann auch.


© Foto: Kevin Damrose

In Mali war ich übrigens anfangs gar kein Torwart lacht! Ich bin dort bereits in einer Fußballschule gewesen, damals aber als Abwehrspieler. Einmal, ich war noch ein kleiner Junge, gab es aber keinen Torwart und so hat der Trainer zu mir gesagt, ich müsse ins Tor gehen. Weil ich meine Sache nicht schlecht gemacht habe, hat der Trainer dann entschieden, dass das meine richtige Position werden würde.

Der Start in Gerstetten war für mich nicht so einfach, weil ich die Mannschaft noch nicht so gut kannte und beispielsweise die Abstimmung mit der Abwehr anfangs noch ein Problem war. Aber der Trainer hat mich sehr motiviert und mir trotzdem das Vertrauen geschenkt. Nach dem ersten Lockdown war ich auch nicht so fit wie jetzt, das hat in der Vorbereitung dann ein bisschen gedauert und es änderte sich erst ein oder zwei Wochen vor dem Saisonstart. Ab da war ich dann auf meinem richtigen Niveau.

Für mich persönlich war vor der Saison das Ziel, mit dem VfL die Klasse zu halten. Wir hatten mit Fabrizio Lo Giudice, Markus Gentner und Edis Yoldas vom SV Neresheim, Nico Seibold und Timo Linsmeier (SGM Herbrechtingen Bolheim), Mateo Zelic aus Böhmenkirch und Abdul Sesay von der TSG Schnaitheim auch ein paar Neuzugänge und für alle war nach den letzten Jahren, in denen der VfL eigentlich immer eher in der unteren Tabellenhälfte gespielt hat, klar, dass der Klassenerhalt das oberste Ziel ist. Aber heute möchte ich ganz ehrlich sein: Wir stehen auf einem tollen zweiten Platz mit nur einem Punkt Abstand auf den Tabellenführer – warum sollten wir nicht auch Meister werden können?

Unser Trainer Patrick Bartak leistet wirklich sehr gute Arbeit. Er ist ein guter Trainer und wir als Mannschaft sind sehr zufrieden mit ihm. Er hat trotz der vielen Neuzugänge schnell eine Mannschaft gefunden und unsere Abwehr stark gemacht. Ich weiß, dass ich sehr gute Vorderleute vor mir habe, das hilft mir bei meinem Spiel ungemein und wir verstehen uns einfach gut.

Aber ich muss natürlich auch sagen, dass wir wirklich überrascht sind, dass es für uns einfach so gut lief in der bisherigen Saison. Ich bin ein gläubiger Mensch und bete sehr viel in der Hoffnung, dass wir das Spiel dann gewinnen. Wir sind aber eine Mannschaft und so ist es mir nicht nur wichtig, dass ich ein gutes Spiel haben werde, ich wünsche mir den Erfolg für die ganze Mannschaft. Von den zwölf Spielen, dich für den VfL in der Liga bestritten habe, waren natürlich ein paar mit dabei, wo ich von mir sagen würde, dass ich gut war und meine Leistung abrufen konnte. Gleich beim 2:1 zum Saisonauftakt daheim gegen Lorch war ich beispielsweise sehr zufrieden, aber auch beim Derby gegen Heldenfingen/Heuchlingen (1:0) oder dem torlosen Unentschieden gegen Hofherrnweiler II habe ich überzeugen können, würde ich im Nachhinein sagen. Gegen Hofherrnweiler haben Zeki und der Trainer gesagt: „Heute bekommst du drei Gegentore“ lacht. Wenn ich mein Tor aber das ganze Spiel über sauber halte, gibt es bei mir zwar keinen Alkohol, denn ich bin Muslim, aber eine kleine Party machen wir dann trotzdem immer. Meistens bekomme ich dann nach dem Spiel einen Döner und ich bin froh, dass das auch gegen Hofherrnweiler geklappt hat lacht!

Unzufrieden war ich hingegen zum Beispiel bei meinem Fehler im Pokal gegen Heldenfingen oder gegen Lauchheim zu Hause, da war ich einfach nicht konzentriert genug.

Meine Vorbilder aus dem Profifußball sind Oblak und Neuer. Diese zwei Torhüter bringen das zusammen, wie ich auch spielen will: Bei Manuel Neuer ist es das Selbstvertrauen. Er hat keine Angst, auch nicht beim Rauskommen. Wenn er rausgeht, denkt er nicht lange nach, er geht raus! Oblak ist dagegen sehr stark auf der Linie und rettet seiner Mannschaft damit die Punkte. Wenn man sich die Ergebnisse von Atletico Madrid anschaut, bemerkt man, dass sie immer knapp gewinnen. Bei so einer Spielweise ist es umso wichtiger, dass man sich auf seinen Torhüter zu 100% verlassen kann.


© Foto: Markus Brandhuber

Vielleicht gelingt auch mir noch irgendwann der Sprung und ich spiele nochmal ein oder zwei Ligen höher. Die Landes- oder Verbandsliga wäre auf jeden Fall mein Karriereziel. Ich bin jetzt 26, trainiere viel und versuche, Woche für Woche gute Leistungen zu zeigen. Vielleicht klappt es ja irgendwann noch!“

Hier könnt ihr Ibrah auf seinem weiteren Weg verfolgen.

Aufrufe: 01.2.2021, 13:00 Uhr
Michael FeindertAutor