München - Es war ein herzerwärmender Löwen-Abend im Dezember 2019. Beim siebten Adventssingen im Grünwalder Stadion rückten 1860 Fans (wohlwollend gerundet) eng zusammen, schmetterten Weihnachtslieder und lauschten der emotional-humorigen Moderation von Pfarrer Rainer Maria Schießler. Dessen innigster Wunsch: Dass er im Jahr seines 60. Geburtstags erlöst wird vom „ewigen Löwen-Leid“. Sein Hoffnungsträger: Michael Köllner, der sich unter die Fans mit blauen Nikolausmützen gemischt hatte – mit einem ersten Mutmacher im Gepäck. Dem 1:1 zu seinem Einstand gegen den FC Bayern II sollten 13 weitere Spiele ohne Niederlage folgen.
Ein Jahr später ist von Adventsstimmung wenig zu spüren. Im ganzen Land wegen des Corona-Leids. Aber auch bei den Löwen, die die Erlösung des Anhangs nicht entschlossen genug anpacken. Der anfangs so erfolgreiche Köllner stößt momentan an Grenzen, die der Verein selbst gezogen hat.
Gut lief es, als alle an Bord waren und die Kraft einer soliden Stammelf ausreichte, um auch nach Rückschlägen und Gegentoren zu punkten (in jeder der ersten vier Partien). Ab dem sechsten Spieltag verging dann kein Wochenende mehr, ohne dass Köllner auf Sperren oder Verletzungen reagieren musste. Die Folge: Von 30 möglichen Punkten landen zuletzt nur 10 auf dem 1860-Konto, viermal in den letzten fünf sieglosen Spielen entglitten Führungen. Und besonders bitter: Nie konnten die Löwen von der Bank nachlegen.
Es spricht Bände, dass kaum ein Spiel vergeht, in dem Köllner von seinen drei Wechseloptionen Gebrauch macht. Nachlegen sollte 1860 daher auf dem Wintertransfermarkt – auch wenn dazu ein finanzieller Kraftakt nötig ist. Zwei, drei Verstärkungen würden reichen, um sich in dieser engen Corona-Spielzeit in die Spitzengruppe abzusetzen.
Ein Gerüst ist da, ein Trainer mit hoher Akzeptanz – was fehlt, ist das Signal zum Aufbruch. Köllners erklärtes Ziel ist, die Saison bis zum Schluss spannend zu halten, und auch Fans wie der Pfarrer Schießler setzen darauf, wenn schon nicht im Advent, dann wenigstens an Ostern 2021 auf Erlösung hoffen zu dürfen. Ohne Corona. Mit Aufstiegschancen.
(ULI KELLNER)