2024-04-25T14:35:39.956Z

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Riesige Vorfreude auf das Duell mit China: Aaron Krüger (Mitte) fiebert mit seinen Teamgefährten aus der Nationalelf der Pazifikinsel Guam dem Spiel im fast 55 000 Zuschauer fassenden Tianhe Stadium in Guangzhou entgegen.
Riesige Vorfreude auf das Duell mit China: Aaron Krüger (Mitte) fiebert mit seinen Teamgefährten aus der Nationalelf der Pazifikinsel Guam dem Spiel im fast 55 000 Zuschauer fassenden Tianhe Stadium in Guangzhou entgegen. – Foto: Krüger

Aus Liga sieben in die Nationalelf

Aaron Krüger spielt beim Gruppenligisten SVW – und nun auch für die Pazifikinsel Guam in der WM-Qualifikation

Wiesbaden. Aaron Krüger findet es einfach nur „surreal und verrückt“. Der Stürmer des Fußball-Gruppenligisten SV Wiesbaden erlebt gerade, wie ein Traum Wirklichkeit wird. Der 30-Jährige zählt zum Kader der Nationalelf von Guam, die an diesem Donnerstag (14 Uhr unserer Zeit) im fast 55 000 Zuschauer fassenden Tianhe Stadium in Guangzhou in der Weltmeisterschafts-Qualifikation auf die von Marcello Lippi trainierte Auswahl Chinas trifft. Jener Lippi, der Italien 2006 in Deutschland zum WM-Titel geführt hatte.

Insel gegen Riesenreich: Ein Duell David gegen Goliath. „Eher das Spiel eines ganz großen Goliaths gegen einen ganz kleinen David. Und das Duell einer Insel mit 160 000 Einwohnern gegen ein Reich mit 1,4 Milliarden Menschen“, sagt Krüger, als er am Mittwoch mit seiner Mannschaft gerade das Stadion besichtigt. Es ist die familiäre Verknüpfung, die ihm dieses wohl in kühnsten Träumen nicht erwartete Abenteuer überhaupt erst ermöglicht hat.

Durch den Vater Wurzeln in Guam: Sein Vater Victor Taitano stammt von der im westlichen Pazifik gelegenen Insel, die zu den Außengebieten der USA zählt. Taitano bedeute übersetzt „Mann ohne Land“, erläutert Aaron, dessen Vater als Soldat der US-Army auf die Air Base in Wiesbaden-Erbenheim gelangte und dort Aaron Krügers Mutter Dagmar kennenlernte.

Zufällig in Sichtung der Nationalelf geraten: Als der Stürmer aus der siebthöchsten deutschen Spielklasse, der zuvor für den TV Nieder-Olm in der A-Liga Mainz-Bingen gespielt hatte, 2016 zum Besuch auf Guam weilte, schloss er eine erste fußballerische Bande zur Heimat seines Vaters. Er erkundigte sich Online nach einem Verein, um auch im Urlaub seiner Leidenschaft frönen zu können, stieß schließlich auf den damaligen Erstliga-Tabellenführer Rovers FC. Einhergehend fiel auf der Insel vier Tage der Strom aus. Danach erhielt er eine Antwort, er solle zum Kicken vorbeikommen. Um überrascht festzustellen, dass es sich bei den in Blau gekleideten Spielern um eine Sichtungsmaßnahme für die Nationalmannschaft handelte. Krüger durfte im Trainingsspiel mitmachen, doch unter dem damaligen Nationalcoach Darren Sawatzky war erst einmal nicht an eine Nominierung zu denken. 2017 durfte Guams Nationalelf aufgrund eines Korruptionsskandals keine Spiele austragen.

Doch mit dem Neustart unter dem aus Australien stammenden Trainer Karl Dodd bekam Krüger urplötzlich eine zweite Chance. Der Anruf des Australiers wurde für ihn zum absoluten Glücksfall. „2018 war ich bei einem Trainingslager dabei, habe sogar ein Tor erzielt“, schildert der Wiesbadener mit familiärer Verbindung zu Guam eine Begebenheit, die zur Initialzündung wurde.

Top Zeugnis vom neuen Coach: Denn Dodd zählt offenbar auf ihn. Der Australier verteile Zeugnisse an seine Spieler, berichtet Aaron Krüger. Ein „Exzellent mit Sternchen“ sei bei ihm in allen Bereichen des sozialen Verhaltens darin vermerkt, aber auch bei den fußballerischen Qualitäten habe er in puncto Dribbling, Technik und Schuss mit der Beurteilung „Gutes Level“ prima abgeschnitten.

Euphorie und Demut: Einziges Manko: die Fitness. Als Siebtligaspieler hat Krüger seit der Zeit beim SV Wiesbaden, die 2018 begann, intensiv daran gearbeitet. Im Rahmen seiner zeitlichen Möglichkeiten. Schließlich hat er parallel Anfang 2019 mit dem Bachelor in Sportwissenschaften Grundlagen für die Zukunft gelegt. Im jetzigen Sportmanagement-Studium wolle er Weichen für eine berufliche Zukunft möglichst im Bereich Fußball legen, verrät er. In der Personalabteilung der R+V-Versicherung ist er zudem aushilfsweise beschäftigt. Die Nominierung für den Kader Guams empfindet er nun als eine Zugabe, die er gleichermaßen mit Euphorie und Demut betrachtet. „Andere Spieler sind besser und hätten das vielleicht eher verdient. Gerade wenn ich bei uns Nigel Bier sehe“, sagt Krüger und ist einfach nur froh, überhaupt dabei sein zu dürfen. Schon eine einzige Sekunde Einsatzzeit würde er als phänomenal empfinden. Wobei nach dem Duell mit den Chinesen, zu deren Kader auch mehrere Brasilianer um Galionsfigur Elkeson zählen, eine weitere Option winkt. Denn auch für das nächste Länderspiel gegen Syrien, das am 15. Oktober (16 Uhr) in den Vereinigten Arabischen Emiraten steigt, ist Aaron Krüger nominiert.

Daumendrücken im SVW-Lager: Doch zunächst liegt sein Fokus ganz auf dem China-Spiel. „Wir werden uns nicht hintenreinstellen“, geht er davon aus, dass Dodd mutige Direktiven erteilen wird. Alles aufsaugen – das ist Aaron Krügers elementares Ziel mit der „Matao“, wie die Nationalelf Guams genannt wird. Das heiße so viel wie: die Anführer. Beim SV Wiesbaden, der am Sonntag bei Primus Niedernhausen nochmals ohne Krüger auskommen muss, drücken jedenfalls alle die Daumen für ein Debüt ihres Angreifers.

Aufrufe: 08.10.2019, 21:30 Uhr
Stephan NeumannAutor