2024-05-10T08:19:16.237Z

Ligabericht
Tristesse in Degerloch, der Abstieg haut die Spieler um. Foto: Baumann
Tristesse in Degerloch, der Abstieg haut die Spieler um. Foto: Baumann

Stuttgarter Kickers: Neustart mit Fragezeichen

Neun wichtige Fragen und Antworten zur Zukunft der Stuttgarter Kickers nach dem Abstieg in die Regionalliga

Abstieg statt Aufstieg: die Stuttgarter Kickers blicken auf eine verkorkste Saison zurück, die mit dem Gang in die Regionalliga endet. Klar ist bisher nur, dass Sportdirektor Michael Zeyer weitermachen soll.

Am Tag nach dem bitteren Last-Minute Abstieg in die Regionalliga sah die Welt bei den Stuttgarter Kickers zwar nicht besser, aber schon wieder etwas zuversichtlicher aus. Zumindest der Präsident Rainer Lorz will rasch nach vorne schauen. Eine Bestandsaufnahme:

Was tut sich im Umfeld des Vereins? ,,Wir sind von den Strukturen her gut aufgestellt", sagt Rainer Lorz, das sei der große Unterschied zum letzten Abstieg 2009. Der Präsident kündigt in diesem Zusammenhang zwei personelle Änderungen an, die unabhängig von der Ligenzugehörigkeit bereits beschlossen worden sind. Das betrifft zum einen den organisatorischen Bereich, um schlagkräftiger zu werden. Deshalb wird eine Person für das operative Geschäft installiert, der zum einen den Präsidenten entlasten soll und zum anderen im Alltag auf der Geschäftsstelle vor Ort ist und die interne Kommunikation verbessert, ,,um dem Verein ein Gesicht zu geben", wie es Lorz formuliert. Damit kein Missverständnis entsteht: bei dieser externen Person wird es sich um keinen ehemaligen Profi oder ähnliches handeln.

Die zweite nicht minder wichtige Personalie betrifft Lutz Meschke, stellvertretender Vorstandsvorsitzender sowie Finanzvorstand beim Werbepartner Porsche. Er wird als kooptiertes Mitglied den Aufsichtsrat verstärken wird. Lorz: ,,Das zeigt für mich die Belastbarkeit dieser Partnerschaft und gibt mir die Hoffnung, gestärkt aus diesem Abstieg herauszugehen."

Wie sieht es bei den Sponsoren aus? ,,Die Signale, die ich bisher schon bekommen habe, machen Hoffnung, dass wir etwas Ordentliches auf die Beine stellen werden", sagt Lorz. So hat der Hauptsponsor MHP noch einen Vertrag bis 2018 und will auch bei der Stange bleiben, allerdings wohl zu reduzierte Bezügen (bisher lag das Engagement bei geschätzten 350 000 Euro pro Saison). Auch der Investor Quattrex hat ein Interesse daran, dass die Kickers sportlich einen Wideraufstieg anstreben, da die Erfüllung der laufenden Verträge in der dritten Liga einfacher zu erfüllen sind. Allerdings gibt es nach Information dieser Zeitung auch Partner, die ihr weiteren Engagement überdenken werden.

Was wartet in der Regionalliga? Die Kickers wissen aus eigener Erfahrung, was in der vierten Liga auf sie zukommt, der sie bereits von 2009 bis 2012 angehörten. Damals gab es von ein Dreijahres-Konzept, das am Ende aufging. Dieses Mal soll der ,,Betriebsunfall", so Lorz, möglichst umgehend korrigiert werden. Der Unterschied zum letzten Anlauf: inzwischen gibt es keinen direkten Aufsteiger mehr, so dass selbst der Meister am Ende der Saison noch zwei Relegationsspiele bestreiten muss. Im Gegenzug kommt jetzt auch noch der Tabellenzweite in den Genuss der Aufstiegspartien (was den Kickers zum Beispiel 2011 als Vize-Meister geholfen hätte). ,,Dieser Modus hat Vor- und Nachteile", bringt es Lorz auf den Punkt. Der Saisonstart ist für den 5. bis 7. August vorgesehen. Nach dem Aus im WFV-Pokal wurde die Teilnahme am DFB-Pokal verpasst, ,,der fehlt uns jetzt mehr denn je", gibt Lorz zu.

Gibt es Hoffnung auf Lizenzentzüge? ,,Dafür gibt es im Moment keine Signale" sagt Lorz zwar, ,,aber wir werden natürlich unsere Hausaufgaben machen" , sprich die Vorgaben für die eine Lizenzierung erfüllen. Wackelkandidaten könnten Onabrück, Rostock, und im Falle des Abstiegs auch Duisburg sein. In der Regionalliga beschränken sich die Auflagen auf technisch-organisatorische Dinge, die die Kickers mit dem Gazi-Stadion erfüllen. Hinzu kommt eine zu leistende Bürgschaft in der Größenordnung 35 000 Euro, auch die stellt kein Problem dar.

Wie sieht es mit dem Etat aus? ,,Der muss natürlich reduziert werden", sagt Lorz. Um wie viel, sagt/weiß er noch nicht, nachdem das Budget zuletzt mehr als sechs Millionen Euro betragen hat (davon etwa die Hälfte für den Drittliga-Kader), wovon allein knapp 800 000 Euro an Fernsehgeld fehlt. Auch die Zuschauerkalkulation wird runtergeschraubt. Von etwa 5000 auf eine Größenordnung von 3000. Wobei Lorz da auf die sportlichen Ergebnisse setzt. ,,Wir haben unter Dirk Schuster gesehen, dass die Leute kommen, wenn der Erfolg da ist." Im Aufstiegsjahr lag der Schnitt bei 3620 Zuschauern, jetzt bei etwa 4500.

Was wird aus dem Trainer? Wie schon im vergangenen Jahr mit dem damaligen Zweitligisten Erzgebirge Aue stieg Tomislav Stipic denkbar unglücklich ab. Das ändert nichts daran, dass es sehr unwahrscheinlich, dass er auch in der neuen Saison die Kickers betreuen wird. Die Tendenz geht eindeutig zu einer Trennung. Die Suche nach einem Nachfolger befindet sich im Anfangsstadium. Sinn macht ein akribischer Arbeiter vom Schlage eines Dirk Schuster oder Bernd Hollerbach, der für Leistung steht, und nicht sich, sondern den Verein und die Mannschaft in den Vordergrund stellt. Gefragt sind nun keine großen Reden, sondern Taten. Der neue Mann sollte über ein gutes Netzwerk auch in der Region verfügen und auch den Nachwuchs im Blick haben.

Bleibt der Sportdirektor? Michael Zeyer ist die Hauptzielscheibe der Kritik. Er war für Teile der Mannschaft ein rotes Tuch, auch auf der Geschäftsstelle gab es atmosphärische Störungen und bei den meisten Fans, denen er sich am Samstag nach dem Spiel mannhaft stellte, ist er der Hauptschuldige der Misere. ,,Michael Zeyer hat Fehler gemacht, aber nicht nur er. Es ist einfach, immer einen Schuldigen zu finden", sagt Lorz - und ergänzt: ,,Wir wollen den Weg mit Michael Zeyer weitergehen." Der Ex-Profi sei ein ,,analytischer Fachmann". Einen vergleichbaren Mann werde man für die Regionalliga nicht finden.

Wie sieht die neue Mannschaft aus? Es gibt für die Regionalliga keine gültigen Verträge. Lorz sieht dies auch als Chance: ,,Wir haben die Möglichkeit, uns neu aufzustellen." Um das Gerüst von vier, fünf Korsettstangen soll ein schlagkräftiges Team gebildet werden. Bei Marc Stein scheinen die Chancen nicht schlecht zu stehen. Auch Sandro Abruscia und Klaus Gjasula sollen unbedingt gehalten werden. ,,Wir lassen jetzt erst mal alles sacken", hält sich Gjasulas Berater Silvio Meißner noch bedeckt. Sicher gehen werden die bisherigen Stammspieler Fabian Baumgärtel, Fabio Leutenecker und Hendrik Starostzik, der bei Dynamo Dresden im Gespräch ist. Dem ehemaligen Kapitän Enzo Marchese liegt ein attraktives Angebot aus Mallorca vor: Die Anzeichen verdichten sich, dass er zum von Christian Ziege trainierten spanische Drittligaclub Atletico Baleares wechselt.

Wer sind die künftigen Konkurrenten? Aus regionaler Sicht stehen die brisanten Derbys mit dem VfB Stuttgart II und Aufsteiger SSV Ulm im Blickpunkt. Auch Kickers Offenbach und der 1. FC Saarbrücken sind attraktive Gegner. Sollte Waldhof in der Aufstiegsrunde scheitern, wären auch die Mannheimer ein Zuschauermagnet.

Aufrufe: 018.5.2016, 15:00 Uhr
Stuttgarter Nachrichten / Jürgen Frey und JoachimAutor