2024-05-02T16:12:49.858Z

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Ein Jubilar im Mittelpunkt: Die Kreisschiedsrichterausschuss-Vorsitzenden Hans-Josef Huschen (l.) und Erich Drotleff ehrten RainerWaltert für 60 Jahre Dienst an der Pfeife.
Ein Jubilar im Mittelpunkt: Die Kreisschiedsrichterausschuss-Vorsitzenden Hans-Josef Huschen (l.) und Erich Drotleff ehrten RainerWaltert für 60 Jahre Dienst an der Pfeife.

„Ich hatte ein bisschen Glück“

Fußball-Schiedsrichter Rainer Waltert über seinen steilen Aufstieg bis hinauf in die Bundesliga, stolze 60 Jahre Dienst an der Pfeife und aktuelle Entwicklungen im Fußball und im Referee-Wesen

Ein Mann erntete bei der Schiedsrichter Ehrung des Fußballkreises Paderborn im Ettelner Sportheim stehende Ovationen: Rainer Waltert. Das ist auch wenig verwunderlich, denn der Referee des SV Rot-Weiß Alfen ist seit sage und schreibe 60 Jahren als Schiedsrichter im Einsatz. Von 1973 bis 1981 pfiff Waltert hierbei sogar Bundesliga-Spiele. FuPa hat mit dem 77-Jährigen über eine lange und bewegte Karriere sowie über aktuelle Entwicklungen im Fußball gesprochen.

Herr Waltert, 60 Jahre als Schiedsrichter sind eine große Leistung. Sie haben es sogar soweit geschafft, 64 Spiele in der Fußball-Bundesliga zu pfeifen. Wie verlief ihr steiler Aufstieg?

RAINER WALTERT: Es war auch damals sehr schwierig. Nach 1984 ist ja auch kein Schiedsrichter aus Ostwestfalen mehr in die oberen Fuß- ball-Ligen gekommen. Ich hatte ein bisschen Glück. Das gehört auch dazu. Man muss vernünftige Spiele und Beobachter haben.

Was waren Ihre schönsten Erlebnisse als Schiedsrichter?

WALTERT: Es war alles einmalig. Ich habe dadurch Europa und fast ganz Deutschland kennen gelernt. Ich erinnere mich gerne an Spiele in Finnland, Schottland oder Italien. Das waren enorme Erlebnisse. Ich war ja mit dem DFB fast zehn Mal im Ausland. Die schönste Reise ging nach Tiflis. Wir waren fünf Tage unterwegs und sind zuerst nach Moskau geflogen. Von dort ging es weiter nach Tiflis und am dritten Tag war das Spiel. Über Moskau und Düsseldorf ging es dann zurück nach Paderborn. Drei Tage später stand schon das Meisterschaftsspiel zwischen Bayern München und Eintracht Braunschweig an. Die vielen tausend Spiele, die ich gepfiffen habe, waren tolle Erlebnisse. Man kommt an Orte, die kaum ein anderer kennt. Und es war natürlich etwas Besonderes, Spielern wie Uwe Seeler oder Franz Beckenbauer vor dem Spiel die Hand zu drücken. Ich hatte das Glück, oben pfeifen zu dürfen und diese Dinge zu erleben.

Welche Empfehlungen würden Sie einem jungen, talentierten Schiedsrichter geben, um heute rasch aufzusteigen? Was für Eigenschaften braucht ein guter Schiedsrichter?

WALTERT: Er sollte ehrlich und fair sein. Dass man die Regeln kennen muss, ist klar. Es ist aber ganz schwierig, so weit aufzusteigen. Das sieht man an den Schiedsrichtern aus Paderborn. Wir sind die größte Schiedsrichtervereinigung in Westfalen und bekommen keinen Schiedsrichter mehr nach ganz oben. Das zeigt, dass man mit den Beobachtungen auch Glück habe muss. Ich bin damals jedes zweite Jahr eine Liga aufgestiegen und hatte dieses Glück.

Gewalt gegen Schiedsrichter kommt auch heute leider immer wieder vor. Was war das schlimmste Erlebnis Ihrer langen Laufbahn?

WALTERT: Ein wirklich schlimmes Erlebnis gab es nicht. Es sind immer mal schwierige Situationen und Entscheidungen dabei. Man darf aber keine große Angst haben. Im Juni 1979 mussten wir allerdings einmal in die Katakomben flüchten. Das Hamburger Volksparkstadion war brechendvoll, der HSV war schon Meister und spielte gegen Bayern. Nach Spielschluss wollten die Zuschauer feiern und waren so begeistert, dass sie die Zäune einrissen. Wir sollten laut DFB-Anweisung eigentlich nach dem Spielschluss auf die Tribüne kommen und die Ehrungen mitmachen. Man konnte aber nur noch flüchten. Im Gedränge hatten sich mehrere Zuschauer verletzt. Da bekommt man schon Angst. Zu der geplanten Ehrung kam es nicht mehr.

Seit dieser Saison sorgt der Videobeweis für Diskussionen. Wie stehen Sie zum Videobeweis?

WALTERT: Es ist heute eine andere Zeit. Ich halte nicht viel vom Videobeweis. Die Tatsachenentscheidungen gehen verloren. Dass ein Handspiel im Strafraum übersehen wird, durfte damals mal passieren. Heute geht das in der ersten Liga nicht mehr und soll durch den Videobeweis korrigiert werden. Aber man sieht ja selbst, wie es läuft.

64 Spiele in Deutschlands Eliteliga

Am 22. August 1973 feierte Rainer Waltert sein Erstliga-Debüt. Der großgewachsene Schiedsrichter vom SV RW Alfen pfiff damals die Bundesligapartie zwischen Fortuna Köln und Fortuna Düsseldorf. Es folgten 63 weitere Spiele in Deutschlands Eliteklasse. Hinzu kamen 77 Partien in der 2. Bundesliga. Darüber hinaus leitete Waltert 16 DFB-Pokal-Spiele. Am 9. Juni 1979 pfiff er am letzten Bundesliga-Spieltag die Partie zwischen Meister Hamburger SV und Bayern München. Nach dem Ende der Partie stürmten HSV-Fans das Spielfeld. Bei dem Gedränge erlitten Zuschauer Knochenbrüche und andere ernsthafte Verletzungen. Mit seinen 77 Jahren ist Rainer Waltert nun noch immer als Betreuer für junge Schiedsrichter im Einsatz.



Aufrufe: 023.12.2017, 13:30 Uhr
Manuel SchlichtingAutor