2024-05-10T08:19:16.237Z

FuPa Portrait

Ihsan Kalkan: "Ich habe mich hier einfach wohl gefühlt!"

Nach acht Jahren verlässt der Innenverteidiger den Regionalligisten SV Rödinghausen zum Saisonende. Im letzten Meisterschaftsspiel gegen den TV Herkenrath kommt er nach langer Verletzungspause wieder zum Einsatz.

Bodenständigkeit ist eine der Eigenschaften, die Leuten nachgesagt werden, die im Sternzeichen Stier geboren sind. Auf Ihsan Kalkan trifft dies allemal zu. Er ist der letzte Feldspieler, der noch zu Landesligazeiten zum heutigen Regionalligisten SV Rödinghausen stieß. Das war 2011. Mit Ausnahme der Saison 2016/17, als er wegen eines Stipendiums für ein Jahr in die USA ging und dort in Los Angeles für die Cal State Athletics spielte, trug der seit dem vergangenen Montag 31 Jahre alte Innenverteidiger seitdem das Trikot des Wiehenklubs.

Rückblende: 2011 war das Jahr des ganz großen Aufbruchs beim SV Rödinghausen, der gerade in die Landesliga aufgestiegen war. Der neue Trainer Mario Ermisch stellte einen komplett neuen Kader zusammen und holte Spieler an den Wiehen, deren Namen noch heute die Augen so mancher eingefleischter SVR-Anhänger zum Leuchten bringen: Sören Siek, Sebastian Block, Jan Schönwälder (der Torhüter wird nun beim SVR der letzte dieser „alten Garde“ sein), Florian Rüter, Francis Williams sind darunter – und eben auch Ihsan Kalkan. Den kannte Ermisch aus seiner Zeit zwei Jahre zuvor beim SC Verl in der Regionalliga West. „Ganz ehrlich, ich kannte den SV Rödinghausen damals nicht“, bekennt Kalkan.


Denn der damals gerade 23-Jährige orientierte sich eigentlich in anderen sportliche Regionen. Nachdem er als Fünfjähriger beim TuS Quelle – im Bielefelder Ortsteil, in dem er 1988 geboren wurde und wo er auch heute wohnt – seine ersten fußballerischen Gehversuche gemacht hatte, kam er über den TSV Amshausen als Zwölfjähriger zum DSC Arminia Bielefeld. Dort durchlief er sämtliche Jugendteams, bekam mit 16 einen Amateurvertrag und hatte nach seinem ersten Seniorenjahr bei der Zweitvertretung der Arminia durchaus die Chance, Profi zu werden. „Ich hatte als Nachwuchsspieler regelmäßige Einsätze in der Westfalenauswahl, unter anderem mit Spielern wie Benedikt Höwedes, Mesut Özil, Ralf Fährmann oder Nuri Sahin. In Bielefeld wollte mich dann der damalige Geschäftsführer Detlev Dammeier, der auch die zweite Mannschaft trainierte, mit einem Drei-Jahres-Vertrag ausstatten. Aber ich habe den Schritt damals nicht so ganz gewagt. Ich hatte mich entschlossen, ein Studium zu beginnen, und hätte dem Fußball sehr viel unterordnen müssen“, blickt Kalkan zurück.



Stattdessen ging er mit 20 Jahren zum SC Verl in die Regionalliga West, damals die dritthöchste deutsche Spielklasse, und traf dort eben auch erstmals auf Trainer Mario Ermisch. Während der Saison fiel er U-21-Sichtern aus der Türkei auf und wurde in den erweiterten Kader für die EM-Qualifikation berufen. „Es gab Lehrgänge in Izmir oder Istanbul, das waren tolle Erfahrungen“, sagt Kalkan, der übrigens nur die deutsche Staatsbürgerschaft hat. „Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Aber natürlich habe ich auch türkische Wurzeln, das liegt auf der Hand. Und im Nachwuchsbereich war es im Fußball möglich, deshalb für die Türkei zu spielen“, erläutert er.


Da er im zweiten Jahr in Verl unter Ermisch-Nachfolger Raimund Bartels aber weniger Einsätze bekam, erfüllte sich der Traum von einer weitergehenden internationalen Karriere nicht. „Ich habe das natürlich verstanden, aber als junger Spieler trauert man so einer Chance schon ein bisschen hinterher“, sagt Kalkan, der in der folgenden Spielzeit zum Goslarer SC wechselte und mit den Niedersachsen den Aufstieg in die Regionalliga Nord schaffte. Den Kontakt dorthin gab es übrigens durch Enrico Maaßen. Der heutige Trainer des SV Rödinghausen war im Jahr zuvor als Spieler vom SC Verl nach Goslar gewechselt. „Ich konnte meinen Wechsel nach Goslar damals auch gut mit dem Studium verbinden und habe ein Praktikum im Marketingbereich des Vereins absolviert“, berichtet Kalkan, der inzwischen den Bachelor in Wirtschaftspsychologie abgeschlossen hat und kurz vor dem BWL-Master-Abschluss steht. Nach einem Jahr zog es ihn vom Rande des Harzes aber wieder zurück in Richtung Teutoburger Wald. „Es gab fußballerisch auch andere Angebote, aus der Regional- und Oberliga oder aus der zweiten türkischen Liga. Aber ich wollte zurück in die Region.“


Und genau da kam der Anruf von Ermisch, der ihn auf den SV Rödinghausen aufmerksam machte. „Er sagte: Guck dir das Projekt einfach mal an. Und ich dachte mir: Ok, das mache ich mal, aber eigentlich möchte ich höher als in der Landesliga spielen.“ So kam es zu einem ersten Treffen mit SVR-Mäzen Horst Finkemeier, der Kalkan nach dem Gespräch in seinem Büro noch das gerade neu gebaute Häcker Wiehenstadion zeigte. Es sollte ein Schlüsselmoment sein. Ihsan Kalkan: „Als ich hier vor dem Stadion stand, hat es mich fasziniert. Ich habe schnell erkannt, dass man hier ernsthaft versucht, nachhaltig etwas aufzubauen, und das Projekt auf mehrere Jahre ausgelegt war.“ Er unterzeichnete gleich einen Drei-Jahres-Vertrag am Wiehen und blieb dem Verein auch danach treu. „Ich habe das bis heute nie bereut und ich glaube, der Verein auch nicht. Eine höhere Liga hat mich dann irgendwann auch nicht mehr gereizt. Ich fand es hier immer super, habe mich einfach total wohl gefühlt und immer das geschätzt, was ich hier habe“, bekennt Kalkan.



Und so wird auch die Trennung nun absolut freundschaftlich verlaufen. Kalkan: „Der Verein hat sich gerade zuletzt sehr professionell weiterentwickelt. Bei mir geht die berufliche Schiene jetzt vor. Ich werde bei der Firma Claas im Rahmen eines sechsmonatigen Praktikums meine Master-Arbeit beenden können. Und ich möchte dann auch endlich nach zehn gemeinsamen Jahren meine Lebensgefährtin Veronika heiraten. Unsere Beziehung hat auch während meiner Zeit in den USA trotz der weiten Entfernung gehalten.“


Eine Entscheidung, wie es fußballerisch mit ihm weitergeht, hat Ihsan Kalkan noch nicht getroffen. „Es gibt Angebote, aber ich warte noch ab“, sagt er. Später einmal kann er sich auch vorstellen, als Trainer zu arbeiten. „Da habe ich den ersten Schein, die B-Lizenz, schon gemacht, und werde auch die A-Lizenz angehen, wenn es beruflich vereinbar ist.“ Zunächst aber gilt es, die aktuelle Saison erfolgreich zu beenden. Im letzten Meisterschaftsspiel an diesem Samstag ab 14 Uhr daheim gegen Schlusslicht TV Herkenrath wird Kalkan wieder dabei sein, nachdem er zuletzt fast ein halbes Jahr verletzt pausieren musste. Nacheinander waren beide Knie lädiert. „Das habe ich so in der Form auch noch nie gehabt. Aber ich bin jetzt wieder fit“, freut sich Kalkan auf das Spiel, „auch wenn ein bisschen Wehmut dabei sein wird.“


Trainer Enrico Maaßen hat jedenfalls schon angekündigt: „Ihsan wird zum Einsatz kommen.“ Und dann hat der SVR ja im Anschluss an die Regionalliga-Saison auch noch die Chance, sich zum zweiten Mal in Folge für den DFB-Pokal zu qualifizieren. Kalkan: „Es war immer der große Wunsch von Horst Finkemeier, dass wir im DFB-Pokal spielen. Er hat hier alles möglich gemacht. Umso schöner wäre es, wenn wir es jetzt noch einmal schaffen würden.“


In der entscheidenden Phase der vergangenen Saison, als der SVR im Endspurt noch bester westfälische Regionalligist wurde und so die Chance auf die DFB-Pokal-Qualifikation bekam, spielte Kalkan übrigens die letzten Partien mit einem gebrochenen Zeh und mit starken Schmerzmitteln. „Ja, mein Arzt hat mir da einen Vogel gezeigt. Aber ich wollte dem Verein unbedingt auch etwas zurückgeben.“


Loyalität und Zuverlässigkeit, auch das sind zwei Eigenschaften, die Leuten nachgesagt werden, die im Sternzeichen Stier geboren sind. Wie Ihsan Kalkan, bei dessen Namensnennung die Augen vieler Fans des SVR auch in Zukunft ganz sicher weiter leuchten werden.




Das sagen alte Weggefährten über Ihsan Kalkan


Francis Williams (von 2011 bis 2015 Torjäger des SV Rödinghausen, der inzwischen in England lebt): „Ihsan ist ein großartiger Spieler und Freund. Ich habe es geliebt, mit ihm zusammenzuspielen. Er hat mir auch immer gute Ratschläge gegeben. Auch wegen ihm denke ich gerne an meine Zeit in Deutschland und wir halten noch immer Kontakt. Toll, was für eine wundervolle Karriere er in Rödinghausen hatte. Ich wünsche ihm für seine Zukunft nur das beste.“

Sören Siek (von 2011 bis 2016 Mittelfeldspieler und Kapitän des SV Rödinghausen): „Kennengelernt haben Ihsan und ich uns 2011, da wir beide aus Bielefeld stammen, hatten wir uns allerdings schon öfter auf den Bielefelder Sportplätzen getroffen. Seitdem sind wir sehr gut befreundet. Er ist ein super Typ, hat eine sehr professionelle Einstellung zum Fußball und ist ein toller Innenverteidiger. Super Technik, gutes Aufbauspiel und trotzdem geht er keinem Zweikampf aus dem Weg. Schlecht verlieren können wir beide. Er ist immer stylisch gekleidet und wir haben ein super Verhältnis und tauschen uns oft aus. Dass er nicht nur auf die Karte Fußball gesetzt hat, zeichnet ihn aus und dafür schätze ich ihn sehr.“

Sebastian Block (heute Co-Trainer des SV Rödinghausen, der 2011 ebenso wie Ihsan Kalkan als Spieler zum Verein stieß): „Ihsan ist definitiv ein Freund, und die sind im Fußball rar gesät. Das liegt auch an seiner Persönlichkeit. Er tritt immer bescheiden auf, ist aber auf dem Platz auch ein echter Führungsspieler. Und er ist ein echter Wertemensch, sehr gerade und klar strukturiert. Er vollzieht jetzt den richtigen Schritt, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen, als ich damals neben dem Fußball voll in den Berufsalltag eingestiegen bin. Ich bin natürlich auch traurig, dass er uns jetzt verlässt, aber wir werden uns nicht aus den Augen verlieren. Er hat in diesem Verein Spuren hinterlassen.“

Dennis Weidenbrück (vom SVR-Fanclub „Amigos“): „Aus Fan-Sicht sind wir natürlich sehr traurig, dass er uns verlässt. Ihsan hat immer ein Ohr für uns Fans gehabt und sich Zeit genommen, um sich auszutauschen. Er hat sich immer voll und ganz mit dem SVR identifiziert und alles gegeben. Ein toller und sympathischer Spieler, der uns fehlen wird.“

Aufrufe: 017.5.2019, 22:50 Uhr
Thomas Vogelsang / FuPaAutor