2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines
F: Kay Harzmann
F: Kay Harzmann

Wie si­cher sind un­se­re Fuß­ball­sta­di­en?

Die Kos­ten für die Si­cher­heit in den Fuß­ball-Sta­di­en sind in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ge­stie­gen – und mit ih­nen auch die An­for­de­run­gen.

Wenn die Fuß­ball­mann­schaf­ten von Wer­der Bre­men und der Ham­bur­ger SV auf­ein­an­der tref­fen, dann ist das Nord-Der­by nicht nur aus sport­li­cher Sicht bri­sant – das Spiel ist ei­nes der ins­ge­samt 54 Be­geg­nun­gen in den bei­den höchs­ten deut­schen Pro­fi­li­gen, die als „Hoch­ri­si­ko­spie­le“ ein­ge­stuft wer­den.

Nen­nens­wer­te Aus­schrei­tun­gen hat es an­ge­sichts der ho­hen Si­cher­heits­maß­nah­men und des gro­ßen Po­li­zei­auf­ge­bots beim 102. Nord-Der­by im Jahr 2015 zwar nicht ge­ge­ben, da­für gab es erst­mals in der Ge­schich­te des Pro­fi­fuß­balls in Deutsch­land ei­nen saf­ti­gen Ge­büh­ren­be­scheid. Das Land Bre­men for­der­te von der Deut­schen Fuß­ball-Li­ga (DFL) über 425.000 Eu­ro an Ge­büh­ren für die Kos­ten des Po­li­zei­ein­sat­zes.

Vor dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt ge­wann das Land ei­ne Kla­ge der DFL, seit­dem sind die Si­cher­heits­maß­nah­men in den Fuß­ball­sta­di­en und ih­re Kos­ten noch stär­ker in das Licht der Öf­fent­lich­keit ge­rückt. „Die An­for­de­run­gen an die Si­cher­heit in den Fuß­ball­sta­di­en, aber auch bei an­de­ren gro­ßen Events wer­den im­mer grö­ßer“, be­stä­tigt Dirk Dern­bach. Er ist Ge­schäfts­füh­rer der Se­cu­ri­tas Sport & Event GmbH in Düs­sel­dorf, ei­ne auf sol­che Events spe­zia­li­sier­te Ein­heit bei Deutsch­lands größ­tem Si­cher­heits­dienst­leis­ter im pri­va­ten Si­cher­heits­ge­wer­be.

Bei un­se­rem Be­such am Se­cu­ri­tas-Stand­ort im Düs­sel­dor­fer Stadt­teil Rath spre­chen wir mit Dirk Dern­bach und Da­ni­el Schlei­mer, Ge­schäfts­füh­rer der Se­cu­ri­tas NRW Ser­vices GmbH, über die Her­aus­for­de­run­gen, die ge­ra­de die pri­va­ten Si­cher­heits­diens­te bei sol­chen Ver­an­stal­tun­gen zu meis­tern ha­ben. „Für je­des Sta­di­on gibt es ein Si­cher­heits­kon­zept. Die Po­li­zei ist da­bei aber nur ein Be­stand­teil, denn es sind im­mer ver­schie­de­ne In­sti­tu­tio­nen an der Si­cher­heit ei­nes Fuß­ball­spiels be­tei­ligt – von der Feu­er­wehr über das Ro­te Kreuz bis hin zum pri­va­ten Si­cher­heits­dienst­leis­ter“, stellt Dern­bach klar. Und auch, wer im Sta­di­on die Ver­ant­wor­tung hat: der Ver­an­stal­ter.

Die Ver­ei­ne sind es in der Re­gel, die für die Ord­nung im Sta­di­on pri­va­te Si­cher­heits­diens­te wie Se­cu­ri­tas be­auf­tra­gen. Das pas­siert in­zwi­schen im­mer häu­fi­ger. Dirk Dern­bach weiß, war­um: „Die An­sprü­che sind ge­wach­sen und da­mit auch die An­for­de­run­gen an die Qua­li­fi­ka­ti­on der Ord­ner.“ Se­cu­ri­tas selbst hat 2003 mit dem Sta­di­on­ge­schäft be­gon­nen und grün­de­te sei­ner­zeit ge­mein­sam mit Bay­er Le­ver­ku­sen die Bay­Se­cur. Mitt­ler­wei­le ge­hört das Un­ter­neh­men kom­plett zu Se­cu­ri­tas, die mit ih­rer Sport &Event-Toch­ter in­zwi­schen auch für an­de­re Ver­ei­ne für Ord­nung in den Sta­di­en sorgt. Mit Schal­ke 04, Bo­rus­sia Dort­mund, 1. FC Köln, Ale­man­nia Aa­chen, Rot-Weiß Es­sen, Rot-Weiß Ober­hau­sen und Bo­rus­sia Mön­chen­glad­bach ste­hen be­rühm­te Na­men auf der Kun­den­lis­te.

Doch kom­men wir zu­rück zur Qua­li­fi­ka­ti­on. Hier gibt es zu­min­dest bei Se­cu­ri­tas kla­re Vor­stel­lun­gen. „Für das Fuß­ball­sta­di­on set­zen wir spe­zi­ell ge­schul­tes Per­so­nal ein, um den Auf­ga­ben dort ge­recht zu wer­den. Ei­ne Si­cher­heits­kraft vom Flug­ha­fen kann nicht mal eben die Kon­trol­le in ei­nem Fuß­ball­sta­di­on über­neh­men“, ar­gu­men­tiert der Ge­schäfts­füh­rer. Er legt sehr viel Wert dar­auf, dass Se­cu­ri­tas-Mit­ar­bei­ter mehr als die ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen er­fül­len müs­sen. Min­dest­stan­dard für das Be­wa­chungs­ge­wer­be ist ei­ne Un­ter­rich­tung bei den In­dus­trie- und Han­dels­kam­mern, die rund 40 Stun­den um­fasst. „Ei­ne Prü­fung am En­de der Un­ter­rich­tung ist zwar kei­ne Pflicht, doch mitt­ler­wei­le bie­ten fast al­le Kam­mern ei­ne sol­che Prü­fung an“, so Dern­bach.

Für den Ein­satz in den si­cher­heits­re­le­van­ten Be­rei­chen im Sta­di­on reicht das Se­cu­ri­tas nicht aus – und auch dem Deut­schen Fuß­ball-Bund nicht. Spe­zi­ell für die Ord­nungs­diens­te in den Sta­di­en der 1. bis 3. Li­ga hat der DFB ein Pro­gramm „Qua­li­fi­zie­rung Si­cher­heits- und Ord­nungs­diens­te (Qua­SOD)“ ge­star­tet: In 22 Stun­den in neun Mo­du­len wird hier un­ter an­de­rem ge­lehrt, wie mit Py­ro­tech­nik um­ge­gan­gen wer­den muss, wie Kon­flikt­si­tua­tio­nen ge­löst wer­den oder ein Sta­di­on ent­fluch­tet wird. Die Lehr­gangs­in­hal­te set­zen sich aus E-Learning und Prä­senz­schu­lun­gen zu­sam­men und en­den mit ei­ner Prü­fung durch den DFB. Bei Se­cu­ri­tas ist die Teil­nah­me an die­sem Pro­gramm für ih­re Mit­ar­bei­ter Pflicht. „Mit dem Bun­des­ver­band der Si­cher­heits­wirt­schaft sind wir uns zu­dem ei­nig, dass sol­che Schu­lungs­an­for­de­run­gen für al­le Ver­an­stal­tun­gen Pflicht sein soll­ten.“

In der Rea­li­tät klafft al­ler­dings zwi­schen den stei­gen­den An­for­de­run­gen und der Ver­ga­be von Si­cher­heits­dienst­leis­tun­gen oft ei­ne gro­ße Lü­cke. Denn auf dem Markt für pri­va­te Si­cher­heits­fir­men tum­meln sich in­zwi­schen rund 6500 An­bie­ter, für man­che da­von spie­len Schu­lun­gen ei­ne al­len­falls un­ter­ge­ord­ne­te Rol­le. Die­se Er­fah­rung ma­chen die bei­den Se­cu­ri­tas-Ge­schäfts­füh­rer im­mer wie­der. „Bei öf­fent­li­chen Aus­schrei­bun­gen spielt in 90 Pro­zent der Fäl­le der Preis die ent­schei­den­de Rol­le, nicht die Qua­li­fi­ka­ti­on des ein­ge­setz­ten Per­so­nals“, be­klagt sich Da­ni­el Schlei­mer.

Die bei­den Fach­leu­te kri­ti­sie­ren zu­dem, dass oft­mals auch Leis­tun­gen aus­ge­schrie­ben wer­den, „bei de­nen wir noch nicht ein­mal ein An­ge­bot er­stel­len kön­nen, weil et­wa nicht klar ist, ob ein Si­cher­heits­kon­zept für ei­ne Ver­an­stal­tung über­haupt exis­tiert“. „Kaum je­mand macht sich Ge­dan­ken dar­über, ob Qua­li­tät und Quan­ti­tät von dem be­tref­fen­den Un­ter­neh­men über­haupt ge­leis­tet wer­den kön­nen“, so Dirk Dern­bach. Die Kon­se­quenz: „Vie­le eta­blier­te Un­ter­neh­men sa­gen bei Aus­schrei­bun­gen ab, den Auf­trag be­kom­men dann oft An­bie­ter, die nicht in der La­ge sind, das er­for­der­li­che Per­so­nal zu stel­len. Die­se set­zen dann zu­sätz­lich Sub­un­ter­neh­men ein, die wie­der­um viel­fach Mit­ar­bei­ter oh­ne Qua­li­fi­ka­ti­on ein­set­zen.“

Da­ni­el Schlei­mer wünscht sich da­her auch bei Aus­schrei­bun­gen mehr Dia­log mit den Auf­trag­ge­bern, um auch die Ex­per­ti­se der pri­va­ten Si­cher­heits­wirt­schaft dar­in ein­flie­ßen zu las­sen. Und: „Der Ein­satz von qua­li­fi­zier­ten Mit­ar­bei­tern soll­te bei al­len Aus­schrei­bun­gen ver­pflich­tend sein und auch die Art der Qua­li­fi­ka­ti­on soll­te vor­ge­ge­ben sein“, for­dert Dirk Dern­bach. „Au­ßer­dem muss da­für Sor­ge ge­tra­gen wer­den, dass die Un­ter­neh­men die An­for­de­run­gen auch aus ei­ge­ner Kraft um­set­zen kön­nen – und das muss über­prüft wer­den.“

In den Fuß­ball­sta­di­en selbst sind die Zu­stän­dig­kei­ten im Grun­de klar ver­teilt. Der Ver­an­stal­ter ist für die Si­cher­heit im Sta­di­on ver­ant­wort­lich und setzt da­für ent­spre­chen­de Ord­ner ein. Für die öf­fent­li­che Si­cher­heit, in der Re­gel au­ßer­halb des Sta­di­ons, ist die Po­li­zei zu­stän­dig. Den­noch könn­te es in man­chen Sta­di­en in der Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen den ver­schie­de­nen In­sti­tu­tio­nen wie Ord­nungs­dienst, Po­li­zei, Feu­er­wehr und Sa­ni­tä­ter ein­fa­cher lau­fen. „In ei­ni­gen Sta­di­en gibt es zu­min­dest ei­nen Raum, in dem die In­sti­tu­tio­nen im Ernst­fall zu­sam­men­kom­men kön­nen“, so Dern­bach. „Aber ei­ne ech­te und schnel­le Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen al­len Be­tei­lig­ten fin­det kaum statt“, er­gänzt Schlei­mer. „Das liegt vor al­lem dar­an, dass wir als pri­va­tes Si­cher­heits­ge­wer­be als Dienst­leis­ter be­trach­tet wer­den und nicht als Teil der Si­cher­heits­ar­chi­tek­tur.“

Aufrufe: 012.5.2019, 08:00 Uhr
RP / José MaciasAutor