2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Machte im Dress von Eintracht Frankfurt 50 Bundesligaspiele: Michael Anicic (Mitte). Foto: Archiv
Machte im Dress von Eintracht Frankfurt 50 Bundesligaspiele: Michael Anicic (Mitte). Foto: Archiv

"Tue mich sehr schwer in den unteren Klassen"

Ex-Eintracht-Profi Michael Anicic über seine Fußballschule, sein Trainerengagement und seine Profi-Karriere

KELKHEIM. Vor knapp zwanzig Jahren absolvierte Michael Anicic sein erstes von insgesamt 50 Bundesligaspielen (fünf Tore) im Trikot der Frankfurter Eintracht. Zahlreiche Knieverletzungen und einige persönliche Fehlentscheidungen verhinderten jedoch eine größere Karriere, die den heute 38-jährigen unter anderem nach Österreich oder Israel führte. Mittlerweile ist es deutlich ruhiger um das einstige Top-Talent geworden. Anicic lebt mit Frau und Tochter in Kelkheim am Taunus und hat seine eigene Fußballschule mit Stützpunkten in Flörsheim und Fischbach eröffnet. Im FuPa-Interview blickt der Deutsch-Serbe auf seine bewegte Karriere als Profi zurück und gibt einen Einblick in seine Karrierepläne als Trainer.

Herr Anicic, was treibt einen ehemaligen Bundesliga-Profi in die Niederungen des Fußballs nach Fischbach oder Flörsheim?
Da wir 2002 ein Haus in Kelkheim gekauft haben und mein Stiefvater Trainer der Aktiven von Fischbach war, baute ich hier vor sechs Jahren meine Fußballschule auf. Außerdem trainiere ich hier momentan die B- und C-Junioren. In Flörsheim habe ich letzte Saison kurzzeitig die A-Junioren trainiert und betreibe dort erfolgreich meine Fußballcamps.

Sind Sie auch noch aktiv am Ball?
Nein. Letztes Jahr habe ich noch ab und zu beim SV Fischbach mit ausgeholfen, aber dieses Jahr möchte ich das auf keinen Fall mehr machen. Dafür fehlt mir auch schlicht und ergreifend die Zeit.

Welche im Profileben gesammelten Erfahrungen können Sie den Kindern weitergeben?
Wichtig ist vor allem, dass zwischen der F- und D-Jugend viel mit Ball gearbeitet wird. Die Kinder müssen früh die feine Technik und Ballarbeit erlernen. Außerdem sollte bei den meisten Übungen der Ball im Spiel sein, damit die Kinder Spaß am Fußball haben.

Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Trainerkarriere gesteckt?
Mein Ziel ist es erst einmal, in Fischbach die Jugend strukturierter aufzubauen und ein professionelles Training zu gewährleisten. In absehbarer Zeit werde ich dann auch meine A-Lizenz als Trainer absolvieren.

Mit der A-Lizenz könnte man doch theoretisch noch höhere Ziele anstreben...
Ja das schon, aber ich bin keiner, der auf irgendwelche Plätze in der Umgebung rennt, nur um sich bekannt zu machen. Das Problem ist, dass ich mich in unteren Klassen sehr schwer tue, weil sich die Leute dort nicht wirklich an mein professionelles Denken anpassen können. Deshalb sollte ein mögliches Engagement im Männerbereich schon über Verbandsliganiveau sein, weil ich selbst in der Verbandsliga bei Ober-Rosbach schon meine schlechten Erfahrungen gemacht habe. Auch Junioren-Bundesligateams reizen mich. Aber wie gesagt: Ich bettele nicht um einen Job, bin offen für alles, was sich ergibt. Ich bin erst 38 und der Moment wird irgendwann kommen. Auch wenn ich der Meinung bin, dass Ja-Sager, die genau das machen, was die Verantwortlichen auch wollen, eher eine Chance kriegen als ein Mensch mit Ecken und Kanten, der ich ja ohne Weiteres bin.

Mal Hand aufs Herz: Macht es mehr Spaß, Trainer zu sein oder Spieler?
Die Zeit als Profi war schon etwas ganz besonderes. Du lebst quasi für den Fußball und musst dir um nichts einen Kopf machen. Die Arbeit eines Trainers hingegen habe ich zu meiner Zeit als Spieler unterschätzt. Man macht sich 15 bis 16 Stunden am Tag Gedanken über die Mannschaft und den Fußball, aber sobald der Erfolg ausbleibt ist sofort der Trainer schuld. Daher ziehe ich auch den Hut vor allen Trainern, die gerade in unteren Klassen Erfolg haben.

Ihre Karriere als Spieler begann bei Eintracht Frankfurt, für die Sie ihr Debüt am 06.03.1993 gegen Bayern München gaben. Was ging Ihnen durch den Kopf als Ihnen Trainer Stepanovic mitteilte, dass Sie von Beginn an auflaufen werden?
Gott sei Dank hatten wir erst um halb 12, also vier Stunden vor Spielbeginn, Mannschaftssitzung. Damit war die Zeit, in der ich aufgeregt sein konnte, relativ kurz. Aber an eine Stunde Mittagsschlaf war somit nicht mehr zu denken.

Danach gab es Angebote von Stuttgart, Leverkusen oder gar den Bayern. Wieso sind Sie trotzdem bei der Eintracht geblieben?
Schwierige Frage. Im Nachhinein wäre es natürlich besser gewesen, nach München zu wechseln. Ich habe mich noch schwer getan, etwas alleine zu machen. Vielleicht war ich mit meinen 18 Jahren damals noch zu jung, zu unsicher, zu naiv. Außerdem bin ich ein Frankfurter Junge. In jungen Jahren ist es wichtig, dass man Spielpraxis sammelt und nicht für mehr Geld auf der Bank sitzt. Aber es hat alles seine Vor- und Nachteile. Sonst hätte ich wohl meine wunderbare Frau nicht kennengelernt.

Nach vier Jahren bei der Eintracht zog es Sie dann schließlich 1996 nach Österreich zu Sturm Graz und SV Ried sowie nach Israel zu Hapoel Haifa. Wie bewerten Sie diesen Abschnitt Ihrer Karriere?
Die Zeit im Ausland war die tollste Zeit meine Karriere. In Österreich wurde ich endlich wieder als Fußballer angenommen. Man hat sich hier nur dafür interessiert, ob einer kicken kann oder nicht. Außerdem hatte ich in Graz mit Klaus Augenthaler einen sehr guten Trainer und habe sogar Europapokal gespielt. In Ried war alles familiärer, aber nicht minder schön. Und in Israel war es acht, neun Monate im Jahr einfach nur warm und Sommer. Man wacht auf und guckt von seinem Balkon direkt auf die Küste. Das hat einfach eine ganz andere Lebensqualität als hier. Und nebenbei hatte ich sportlich auch noch Erfolg.

Vor allem zur Frankfurter Zeit waren Sie in einige private Eskapaden verstrickt, ließen sich beispielsweise oberkörperfrei vor einem Münchener Restaurant ablichten oder druckten Ihre eigenen Autogrammkarten. Inwieweit haben Sie sich selbst die ganz große Karriere vermasselt?
Im Nachhinein waren solche Aktionen sicherlich nicht gut und ich habe auch den ein oder anderen Fehler gemacht. Aber im Vergleich zu heute, wo Profis nachts betrunken mit 200 km/h angehalten werden, war das doch relativ harmlos. Auch ein Giovane Elber hat sich mal fast nackt fotografieren lassen, doch weil er bei Bayern gespielt hat, war das wohl nicht so schlimm. Ich denke sowohl mich trifft eine Teilschuld als auch die damaligen Verantwortlichen bei der Eintracht, weil es keinen gab, der mir mal geholfen hat.

Sie erlitten in Ihrer Karriere vier schwere Knieverletzungen, die Sie weit zurückwarfen. Mal hypothetisch betrachtet: Was hätten Sie ohne Kreuzbandrisse oder Meniskusschäden erreichen können und was hat Sie motiviert, sich immer wieder durch die Reha zu kämpfen?
Ich bin wirklich sehr stolz auf mich und meine Familie, dass ich nach diesen Rückschlägen immer wieder zurückgekommen bin. Ich war schon immer ein Kämpfer-Typ und wollte es gerade denen zeigen, die mich schon abgeschrieben hatten. Es gibt Leute, die mir sagen, dass ich ohne solche Verletzungen gut und gerne 300 Bundesligaspiele hätte absolvieren können.

Erkennen Sie irgendwelche Unterschiede zwischen heutigen Frankfurter Talenten, wie zum Beispiel Marc Stendera oder Sebastian Jung? Könnten Sie einen Wechsel von Sebastian Rode zu den Bayern nachvollziehen?
Heutzutage ist es für die Jungs viel einfacher, Profi zu werden und auch zu bleiben. Sie werden besser von den Vereinen auf das Profileben vorbereitet und auch einen Tick weit gesteuert. Damals war das nicht so, ich kann mich zum Beispiel nicht mal an einen Kraftraum bei der Eintracht erinnern. Bei Rode muss man wirklich überlegen, schließlich hatten die Bayern vor zwanzig Jahren noch nicht die Übermannschaft wie heute. Daher hätte ich wohl zu meiner Zeit mehr Chancen bei den Bayern gehabt als Rode.


Aufrufe: 07.7.2013, 10:00 Uhr
Philipp DurilloAutor