2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht

Mit viel Leidenschaft und Können

VfL Osnabrück steigt in die 2. Bundesliga auf

In der vergangenen Saison wäre der VfL Osnabrück fast abgestiegen. Trainer Daniel Thioune baute ein neues Team auf, das als Einheit kämpft und die hohen Ansprüche des Trainers umsetzt. Nun ist der VfL wieder zweitklassig.

Rekordaufsteiger der 2. Bundesliga - das klingt gut, aber es ist ein fragwürdiger Titel. Denn wer oft aufsteigt, muss ja zwischendurch immer wieder abgestiegen sein. Diesmal will es der VfL Osnabrück besser machen, der nach dem 2:0 gegen den VfR Aalen und der rauschenden Feier genau weiß, was er besser machen muss.

"Wir sind nur ein durchschnittlicher Drittligist!" Mit dieser Erkenntnis hakte Geschäftsführer Jürgen Wehlend vor einem Jahr ab, was jahrelang das Fußballgefühl im südwestlichen Niedersachsen bestimmte: Der Glaube, ein gefühlter Zweitligist zu sein. Im Frühsommer 2018 lag der VfL am Boden. Nach einem Zwischenhoch, das der vom Jugendtrainer zum Chefcoach beförderte Daniel Thioune ausgelöst hatte, war die Mannschaft nach dem K.o. im Landespokal beim Regionalligisten SV Drochtersen Assel auseinandergebrochen.

Von den letzten zwölf Spielen der Saison 2017/18 gewann die Mannschaft keins und holte nur fünf Punkte. Wenn die Tabellennachbarn Erfurt und Chemnitz nicht wegen der beantragten Insolvenzen ohnehin aus dem Rennen gewesen wären, dann hätte der VfL noch viel mehr um den Klassenerhalt bangen müssen. Platz 17 - das war das schlechteste Saisonergebnis seit über zwanzig Jahren. Beim letzten Heimspiel gegen die U23 von Werder Bremen machten Hunderte Fans ihrem Unmut Luft und organisierten einen Protest: Sie verließen das Stadion vorzeitig, zogen vor die Geschäftsstelle und warfen dem Verein ihre zerrissenen Dauerkarten vor die Füße.

Da hatten Sportdirektor Benjamin Schmedes und Trainer Daniel Thioune längst ihre Schlüsse aus der missratenen Saison gezogen. Ihre schonungslose Analyse führte zu Entscheidungen, die konsequent umgesetzt wurden: Weitgehender Austausch des Personals, Verpflichtung neuer Achsenspieler, Stabilisierung des defensiven Zentrums, weniger Leihspieler und frühe Komplettierung des Kaders. Ohne die Investition in Ablösen und mit einem in der 3. Liga gerade durchschnittlichen Personaletat von drei Millionen Euro entstand ein Team, das die 3. Liga dominiert. Der Aufstieg wurde schon vier Spieltage vor Schluss besiegelt, mit dem nächsten Sieg wäre auch der Meistertitel perfekt.

Der VfL ist das stärkste Heimteam, hat die beste Auswärtsbilanz und kassierte erst 23 Gegentore, das 2:0 gegen den VfR Aalen war das 16. Zu-Null. Keine andere Mannschaft holte so viele Punkte nach Rückständen, kein anderes Team erzielte mehr Tore in der Schlussphase. Die Mannschaft ist nicht abhängig von herausragenden Einzelkönnern, sondern glänzt als Team. "Das wird oft und von vielen gesagt", erklärt Mittelfeldspieler David Blacha das Osnabrücker Plus, "aber wir lassen den Worten Taten folgen."

Das ist einer der Grundsätze, die Thioune den Spielern mit auf den Weg in die Saison gegeben hat: "Nicht labern, sondern liefern." Auf die Vermittlung von Teamgeist und Leidenschaft will der Trainer seine Arbeit jedoch nicht reduzieren. Der 44-Jährige setzt das Wissen aus dem fast schon berühmten 62. Fußballlehrer-Lehrgang, in dem er mit Domenico Tedesco und Julian Nagelsmann in einer Lerngruppe war, mithilfe seines Assistenten Merlin Polzin gekonnt um. Kompakte Matchpläne, taktische Variabilität und Umstellungen während des Spiels machen den VfL unberechenbar - und verlangen den Spielern geistige Mitarbeit ab.

"Wir fordern auch den Kopf der Spieler", sagt Polzin. Abwehrchef Maurice Trapp verzichtete darauf, wie geplant ein Fernstudium zu beginnen: "Es gibt hier sehr viel Input für den Kopf, da bin ich voll und ganz körperlich und auch geistig gefordert."

Thioune ist seit dem 4. Oktober 2017 im Amt, Schmedes kam zwei Monate später. Acht Jahre lang hatte er in verschiedenen Funktionen beim Hamburger SV gearbeitet - als Assistent des Vorstands, als Chefscout und als Nachwuchskoordinator - und dabei viel gelernt. Der Schwiegersohn des ehemaligen Bundesligatrainers und -managers Wolf Werner ist wie Thioune erstmals in verantwortlicher Führungsposition im Profifußball tätig. Auf der modernen Arbeit der beiden ruhen die Hoffnungen, dass der VfL die sportliche Herausforderung in der 2. Bundesliga besser besteht als in früheren Jahren. Dreimal (2001, 2004, 2011) fuhr der Fahrstuhl direkt wieder runter, nur einmal dauerte der Zwischenstopp ein Jahr länger, ehe es wieder abwärts ging (2009). Der Kern der Mannschaft wird bleiben, nach Ergänzungen und Verstärkungen wird seit Monaten systematisch gesucht.

Doch auch darüber hinaus gibt es viel zu tun. "Mit dem Aufstieg sind wir noch kein echter Zweitligist", betont Schmedes, "das sind wir erst, wenn wir uns drei, vier Jahre in der 2. Bundesliga gehalten haben." Im Stadion Bremer Brücke gibt es einen Investitionsstau, die Infrastruktur für die Profis und das Nachwuchsleistungszentrum sind selbst im Drittliga-Maßstab unterdurchschnittlich.

Schmedes bringt es so auf den Punkt: "Diese Region muss sich die Frage stellen, ob Osnabrück nachhaltig ein Standort im Profifußball sein will. Die Frage beantworten können nur alle gemeinsam - Verein, Kapitalgeber, Unternehmer, Stadt, Landkreis und Fans." Am Sonnabend jubelten und feierten sie alle gemeinsam. Jetzt sollen sie alle helfen, das der Ausflug in die 2. Bundesliga länger dauert als früher.

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Aufrufe: 023.4.2019, 18:17 Uhr
Tageblatt / Von Harald PistoriusAutor