2024-05-17T14:19:24.476Z

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Erste Hilfe: Alke Renger-Kaiser behandelt einen Dornacher Spieler am Sprunggelenk.
Erste Hilfe: Alke Renger-Kaiser behandelt einen Dornacher Spieler am Sprunggelenk. – Foto: Foto: Christian Riedel

„Die Mannschaft müsste mal auf Trainer Plattner hören“

Physiotherapeutin Alke Renger-Kaiser über den SV Dornach, Marathonläufe und ihre Liebe zu Union Berlin

Alke Renger-Kaiser ist Physiotherapeutin beim Fußball-Bezirksligisten SV Dornach. Für die 42-Jährige ist das Glas nach eigenen Angaben immer halb voll und nie halb leer. Auch aus der für uns alle so herausfordernden Corona-Zeit hat sie viel Positives mitgenommen. Ein Interview über den SV Dornach, Marathonläufe und ihre Liebe zu Union Berlin

Dornach Sie muss grinsen, weil tatsächlich viele Menschen diesen typischen Versprecher haben, wenn es um ihren Beruf geht. Dann ist schnell mal vom Psychotherapeuten die Rede statt vom Physiotherapeuten. Alke Renger-Kaiser: „Wir sind schon auch Psycho ein bisschen, manch eine Verletzung rührt auch daher, dass die Leute im Kopf manchmal nicht so frei sind – von daher passt das ja. In der Corona-Zeit spielte und spielt natürlich vieles um dieses Thema, das ist halt die Blase, die gerade über allem herrscht.“

Dass im Februar oder März 2021 wieder gespielt wird – wie sich das der Bayerische Fußball-Verband vorstellt –, kann sie sich nicht vorstellen. „Nicht bei den Corona-Zahlen, die wir aktuell haben – und wie soll das denn mit dem Ligapokal gehen zu dieser Jahreszeit? Viele Vereine haben ja nicht einmal einen Kunstrasen.“

Frau Renger-Kaiser, wie dürfen wir uns das vorstellen? Corona-Krise überall – dann sind doch sicher auch die Spieler des SV Dornach noch ein bisschen sensibler, oder?

Weil eben auch so viel dranhängt. Meine Massagebank stand dann auch sehr schnell nicht mehr unten im Keller in der Kabine, sondern eben oben im Stüberl, damit dann auch wirklich immer nur einer bei mir ist. Und wenn dann einer erzählte, er müsse zum Testen, weil es eben in der Arbeit einen Corona-Fall gegeben hatte, dann kommst du schon ins Grübeln. Aber ich muss sagen, die Jungs waren echt vorbildlich, haben immer ihren Mund-Nasen-Schutz getragen, bis auf den Platz. Ich hatte nie das Gefühl, dass da jemand dabei ist, der da querschießt.

Wir wissen alle, dass es zu dem Thema viele – auch extreme – Meinungen gibt…

Mag sein. Aber auch bei mir in der Praxis hatte ich noch nicht einen Patienten, der diskutiert hat. Es kam noch nicht einer ohne Maske, es kam noch nicht einer mit einem Attest.

Wie ist es denn in diesem Jahr beruflich bei Ihnen gelaufen? Ihre Physio-Praxis musste vermutlich nicht schließen, oder?

Nein, wir hatten und haben weiter geöffnet. Gerade in der Anfangszeit so zwischen April und Juni gab es allerdings viele Patienten, die lieber nicht gekommen sind, weil sie einfach Angst hatten. Es wusste ja anfangs keiner so recht, um was es geht, was da auf uns zukommt. Die Praxis musste aber auch offen sein, weil viele Reha-Kliniken geschlossen waren. Es gab weiterhin viele frisch operierte Menschen, die eigentlich in die Reha gegangen wären und dann eben unter anderem zu uns kamen. Es war auch der Politik wichtig, dass wir weitermachen.

Die Spieler sind beim SV Dornach gut aufgehoben, was die Corona-Maßnahmen angeht – dank der Verbindungen zur Aicher Ambulanz Union und dessen Geschäftsführer Peter Aicher.

Die ganze Mannschaft wurde durchgetestet, und keiner durfte nach seinem Urlaub ins Training kommen, wenn er nicht einen negativen Test hatte. Das Hygienekonzept hat funktioniert, und ich bin deshalb auch erst später wieder zur Mannschaft gestoßen.

Hatten Sie selbst ein mulmiges Gefühl, wie lief es in Ihrer Praxis?

Wir haben schnell die Hygiene noch mehr hochgefahren, das ging alles sehr gut. Wir haben ein bisschen die Abläufe umstrukturiert, wir haben versucht, das Ganze so zu entzerren, dass es tatsächlich nur noch Einzelbehandlungen gibt und sich die Patienten möglichst nicht begegnen müssen. Bis heute hatten wir keinen einzigen Corona-Fall in der Praxis, so dass die Gefahr der Schließung bestanden hätte.

Sie sind seit 15 Jahren verheiratet, haben selbst keine Kinder – aber wenn Sie von den Spielern des SV Dornach sprechen, sind das immer Ihre Jungs. In einer Mannschaft treffen viele verschiedene Charaktere aufeinander. Gibt es aus Ihrer Sicht Typen, die in jedem Kader zu finden sind?

Ganz grob ticken sie immer ähnlich. Es gibt zum Beispiel immer diejenigen in einer Mannschaft, die denken, sie könnten locker auch ein paar Ligen höher kicken. Und in jeder Mannschaft gibt es ein, zwei Spieler, die braucht das Team als Typus, aber sie sind eben nicht die besten Fußballer.

Am Ende macht’s eben die Mischung. Die stimmt grundsätzlich im Dornacher Kader, und auch die spielerische Klasse ist unverkennbar. Als die Mannschaft dann auf dem Sprung in den Kreis der potenziellen Aufsteiger war, da ließ sie wertvolle Punkte liegen. Wenn da nicht noch eine Hammer-Serie kommt und die Konkurrenz zudem gleichzeitig Federn lässt, ist der Zug in die Landesliga abgefahren.

Da bin ich ehrlich, ich glaube ja. Es ist unbegreiflich. Da gab’s Spiele, da führst du 2:0 und kriegst dann plötzlich Tore, bei denen du dich fragst: „Hallo, geht’s noch? Was macht Ihr da?“ Es ist echt schade, weil einfach deutlich mehr drin war in dieser Saison.

Wie beurteilen Sie denn die Aufstiegschancen in der nächsten Spielzeit?

Vieles hängt davon ab, ob die Mannschaft so zusammenbleibt, wer kommt, wer geht. Die Jungs müssen sich ja auch orientieren – der eine wird mit dem Studium fertig, der andere verändert sich beruflich. Ich denke, das wird eine spannende Saison, weil eben keiner so richtig weiß, wo er steht, wie es weitergeht. Das Potenzial hat die Mannschaft meines Erachtens, und die Jungs sind sicher heiß darauf, auch mal eine Liga höher zu spielen.

Was kann Trainer Anton Plattner anders machen, damit das hinhaut?

Die Mannschaft müsste mal auf das hören, was der Trainer sagt.

Mehr Erfahrung geht kaum, Anton Plattner weiß sicher, wie er die Spieler anpacken muss. Nach unnötigen Niederlagen kann er aber auch mal deutliche Worte finden, oder?

Aber das ist dann schnell vergessen, weil ich dann komme. (lacht) Da gibt’s am Montag erst einmal eine schöne Rede, und danach kommen die Jungs zu mir auf die Massagebank. Erst kriegen sie einen Einlauf und dann eine Massage. (lacht)

Anton Plattner würde nur zu gerne noch einen Aufstieg feiern, bevor er seine Karriere dann vielleicht doch einmal beendet.

Das wäre schön. Er ist mit so viel Leidenschaft, mit so viel Feuer dabei. Und er ist eben immer noch topfit – auch mental. Er ist in jeder Hinsicht ein Vorbild. Gerade die jungen Spieler können sehr viel von ihm lernen.

Sie sind unter der Woche einmal beim Training mit dabei und dann am Wochenende beim Spiel. Gab es dabei auch mal Situationen und Verletzungen, die selbst Ihnen unter die Haut gingen?

Ich bin auch Ersthelferin und habe damals bei Klaus Eder in Donaustauf meinen großen Sportphysio gemacht, da ist ja auch viel Erste Hilfe dabei. Für mich ist das einfach Arbeit, da bin ich wie in einem Tunnel, und dann ist gut. Vor zwei Jahren war ich beim Spiel Hohenlinden gegen Markt Schwaben als Zuschauerin dabei – da sind zwei Spieler mit den Köpfen zusammengerasselt, blutend, Platzwunde, es war kein Betreuer da, gar nichts. Ich habe aber die Tasche immer im Auto, bin dann hin. Hinterher schaut mich mein Mann daheim an und fragt „Sag‘ mal, warst du im Krieg?“ Weil ich völlig blutverschmiert war…

„Die Jungs waren echt vorbildlich, haben immer ihren Mund-Nasen-Schutz getragen, bis auf den Platz. Ich hatte nie das Gefühl, dass da jemand dabei ist, der da querschießt“, sagt Alke Renger-Kaiser im Video-Gespräch.

Kommen in Ihre Praxis eigentlich auch viele Fußballer?

Das ist nicht mein Hauptgeschäft, aber natürlich habe ich schon so ein bisschen einen Ruf, nach all den Jahren kennt man mich hier im Landkreis eben doch. Alexander Schmidbauer schickt die halbe Mannschaft vom SC Kirchasch her und neulich hat erst Anton Bobenstetter (Sportlicher Leiter beim Regionalligisten TSV Buchbach, d. Red.) gefragt, ob ich nicht aushelfen kann, weil die beiden Teamphysios ausgefallen waren.

Das klingt nach richtig viel Arbeit. Ihr Tag hat vermutlich auch nur 24 Stunden – sehen Sie dann Ihren Mann überhaupt noch?

Grundsätzlich ist bei uns zuhause verkehrte Welt: Mein Mann kann mit Fußball überhaupt nichts anfangen, das ist allein meins. Er akzeptiert das – er fährt zwar nicht mit zu den Spielen, aber er unterstützt mich und versteht es, wenn ich dann mal wieder weg bin.

Es war und ist schwierig mit Corona. Haben Sie auch etwas mitgenommen für sich aus dieser Ausnahmesituation?

Viel! Ich bin ohnehin ein sehr optimistischer Mensch, versuche das Positive in den Dingen zu sehen. Und als im März alles runtergefahren wurde, da habe ich mich selbst auch mal runtergefahren – wir haben so ein bisschen reflektieren können, was man in der Praxis an den Abläufen ändern kann. Zuhause hat sich jetzt nicht so viel getan: Mein Mann hat auch komplett durchgearbeitet – er ist in einem Autohaus beschäftigt. Wir können also beide sagen, wir haben was Richtiges gelernt und sind systemrelevant. (lacht) Und das Schöne hier draußen auf dem Dorf ist ja, wenn ich Sport machen will, mache ich einen Schritt aus der Haustür, bin schnell im Garten, auf dem Feld, im Wald. Dann gehe ich halt laufen und fertig. Wenn du mitten in München lebst, zwei Kinder zuhause hast, Homeschooling, Eltern im Homeoffice, Spielplätze gesperrt, du kannst nicht raus – das ist schon hart. Dagegen ist das hier schon richtig Luxus.

Zeit zum Laufen haben Sie auch noch?

Das mache ich morgens, so gegen 4.30 Uhr. In Zeiten der Marathon-Vorbereitung drei-, viermal die Woche, am Wochenende dann auch mal später. Aber wegen der positiven Dinge in Zeiten von Corona: Früher sind die Leute mit Schniefnase, mit Erkältung in die Praxis gekommen – und ich habe mich oft gefragt, warum sie nicht zu Hause geblieben sind. Die kommen jetzt nicht mehr, heute rufen sie an und sagen den Termin ab. Und tatsächlich sind jetzt auch die Therapeuten gesünder, weil eben nicht jeder etwas reinschleppt.

Wie ist das daheim, wie hat Corona Ihr Privatleben verändert?

Mein Mann und ich sind im Sommer ganz viel Radeln gewesen, haben München kennengelernt. Wir wollten im Mai nach Indien fliegen, das ist halt Flöten gegangen. Ansonsten sind wir auch nicht so die Fortgeher – auch am Wochenende nicht. Für uns hat sich nicht wirklich viel verändert – weil wir eben beide weiterarbeiten durften.

Läuft Ihr Mann auch Marathon?

Nein, aber er unterstützt mich. Wir haben ein tolles T-Shirt, da steht drauf „Emotional supported husband“. Er fährt mich überall hin, er stand beim Berlin-Marathon wieder gemeinsam mit meinem Papa an der Strecke. Das ist mir ganz, ganz viel Wert. Und er sagt eben auch nichts, wenn ich so früh aufstehe. Letztes Jahr im Juni habe ich mir beim Laufen die Bänder gerissen – da hat er mich dann im Wald abgeholt mit dem Auto.

Wie haben Sie Weihnachten verlebt?

In Berlin, in Köpenick – wir waren wie so oft zu fünft, meine Eltern, meine kleine Schwester und wir. Das war kein Problem, also ohne Cousins und Cousinen oder so.

Wie viel bekommen Sie denn noch von Ihrem Herzensklub Union Berlin live mit?

Mein Vater hat eine Dauerkarte, und ich bin immer wieder mal dort, wenn Union spielt oder ich fahre zu den Auswärtsspielen, fast immer mit meinem Papa. Das letzte Spiel, was wir gemeinsam gesehen haben, war am 1. Februar in Dortmund. Leider mit einer Niederlage. In der 2. Liga habe ich fast jedes Spiel von Union gegen die Löwen gesehen. Daheim geht es mit dem Radl oder zu Fuß in die Alte Försterei. Und sollten wir mal nicht im Stadion sein, kriegen wir auch alles mit, wenn wir uns im Garten auf die Liege legen.

Und in München? TSV 1860 oder FC Bayern?

Einmal rot immer rot.

Beim SV Dornach sind die meisten Bayern-Fans, oder?

Ja, und wenn Union gewinnt, kriege ich immer WhatsApp-Nachrichten: „Alke, super!“ Und als Union vor einiger Zeit mal Dritter war, da haben die Jungs Screenshots von der Tabelle gemacht und in Trump-Manier „Stop the Count“ dazugeschrieben…

Aufrufe: 019.1.2021, 07:36 Uhr
Münchner Merkur (Nord) / Guido VerstegenAutor