2024-05-02T16:12:49.858Z

Analyse
Seggy Bonsu, Oktay Dal, Metin Kizil und Andy Habl (v. r.) versuchen sich gegen RWE in der Abwehr per Kopf. Aber der Ball kommt durch zu Michael Cebulla.
Seggy Bonsu, Oktay Dal, Metin Kizil und Andy Habl (v. r.) versuchen sich gegen RWE in der Abwehr per Kopf. Aber der Ball kommt durch zu Michael Cebulla. – Foto:  Axel Randow

Frust oder Freude am Fußball

SV Gladbach 09 versucht sich nach dem Aufstieg in die Regionalliga ohne Verstärkungen

Ist es eine gesunde Portion Bodenständigkeit, oder wirkt es nicht sogar borniert zu glauben, nach dem Aufstieg in die 4. Liga ohne jegliche Verstärkung über die Runden zu kommen? So wie es SV Bergisch Gladbach 09 in dieser Saison aktuell versucht.

Während andere Aufsteiger sich mit gestandenen Regionalliga-Spielern verstärken, treten die Kreisstädter mit dem Kader an, der letzte Saison in der Mittelrheinliga spielte, diese indes zugegebenermaßen gemeinsam mit dem FC Wegberg-Beeck nach Belieben dominierte, eine phänomenale Saison mit dem Aufstieg in die Regionalliga West gekrönt hat.

Auf dem Papier sind mit Baris Sarikaya und Kevin Dabo vom TV Herkenrath und mit Jens Bauer vom 1. FC Kaan-Marienborn zwar drei Spieler mit Regionalliga-Erfahrung gekommen. Doch die Mannschaften, für die dieses Trio spielte, sind am Ende der Saison auch wieder abgestiegen.

Und Sarikaya und Dabo haben erst in der Rückrunde auch regelmäßig für den TVH gespielt, als Top-Spieler wie Geimer, Salman und Najar schon nicht mehr im Kader waren. Jens Bauer konnte wegen seiner schweren Verletzung noch kein Spiel bestreiten. Ansonsten kamen mit Spiegel ein Spieler mit Landesliga-Erfahrung von Borussia Lindenthal-Hohenlind und mit Bonsu einer mit Spielpraxis in der Mittelrheinliga beim FC Hürth.

Mit Marianne Brochhaus ist im Vorstand des SV Bergisch Gladbach 09 die frühere Regionaldirektorin der Kreissparkasse Köln als Finanzfachfrau tätig und gibt offenkundig nur Geld aus, das ihr auch zur Verfügung steht. So weit, so richtig.

Nur: wären viele, auch kleinere Sponsoren womöglich bereit gewesen, befristet auf eine Spielzeit 500 Euro oder 1000 Euro mehr zu geben, um zwei oder drei höherklassig erfahrene Spieler zu verpflichten? Einen Versuch des Vorstandes oder des Verwaltungsrates „Klinken putzen zu gehen“, wäre es vielleicht wert gewesen. Vielleicht gab es diesen aber auch.

Niemand aus Reihen des SV 09 oder des Umfeldes hat fest damit gerechnet, dass der Klassenerhalt für SV 09 in der Regionalliga realistisch ist. Zu viele der kleinen Vereine haben in vielen Spielzeiten die Erfahrung gemacht, dass dieses schlicht nicht möglich ist: Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit sind: TV Herkenrath, FC Wegberg-Beeck, FC Hennef oder 2013 auch schon mal der SV Bergisch Gladbach 09.

Einzig dem Bonner SC ist es gelungen, über viele Spielzeiten die Klasse zu halten. Und ausgerechnet dort siegt SV 09 mit 3:0 auch noch deutlich. Auch im Pokal kam bereits in der 1. Runde das Aus für den BSC: beim Mittelrheinligisten FC Wegberg-Beek. Gegen Rot-Weiß Oberhausen 0:2 und gegen Rot-Weiss Essen 1:2 zu verlieren, zeigt, wie nahe diese Mannschaft, die mit einer brillanten Moral besticht, auch fußballerisch an Top-Teams, die unter Profi-Bedingungen trainieren, dran ist.

Alles im Grünen Bereich, wären da nicht Ergebnisse, wie ein 0:6 bei der U23 von Borussia Mönchengladbach oder – noch schlimmer – ein 1:5 daheim gegen den SV Lippstadt. Gegen Mitaufsteiger VfB Homberg gab es gleich im ersten Heimspiel den ersten Schock, als nach einem individuellen Fehler ein Spiel, das auch gewonnen werden konnte, mit 0:1 verloren ging. Persönliche Fehler begleiteten die Mannschaften auch in den folgenden Spielen, oft der berühmte eine zu viel. . .

Auf der Torhüter-Position gab es einen – vor Saisonbeginn bereits feststehenden – Wechsel. Peter Stümer gehört die Zukunft zwischen den Pfosten. Die Frage ist, ob Verein und Trainer ihm einen Gefallen tun, ihn übergangslos ins eiskalte Wasser zu werfen. Auch die Fans der 09er nehmen ihm Fehler, die er ob seiner Jugend machen darf, auch übel. Seine Reflexe sind herausragend, seine Nerven oft angespannt. Anders als bei Routinier Cebulla.

Michael Cebulla (rechts, hinter Kapitän Ajet Shabani) kehrte gegen Rot-Weiss Essen ins Tor zurück. Sein Kollege von Rot-Weiss Essen heißt Jakob Golz und ist der Sohn von Richard Golz (früher HSV).
Michael Cebulla (rechts, hinter Kapitän Ajet Shabani) kehrte gegen Rot-Weiss Essen ins Tor zurück. Sein Kollege von Rot-Weiss Essen heißt Jakob Golz und ist der Sohn von Richard Golz (früher HSV). – Foto: Axal Randow

In der Viererkette hat Oktay Dal in der Innenverteidigung den „Zweikampf“ gegen Tom Isecke zunächst einmal gewonnen, sich einen Stammplatz neben Andy Habl verdient. Links ist Claudio Heider gesetzt, rechts Milo McCormick und als Alternative Seggy Bonsu. Als er nach dem Sieg beim Bonner SC und seinem sensationellen Tor verletzt etliche Wochen ausfiel, wurde einmal mehr deutlich, dass Cenk Durgun im zentralen defensiven Mittelfeld im Grunde nicht zu ersetzen ist. Ohne ihn ist die defensive Mitte der 09er zu „durchlässig“, egal, wer versucht ihn zu vertreten. Dustin Zahnen ist Erste Wahl auf der Position neben Durgun.

Hinter den Spitzen agiert der sehr erfahrene Ajet Shabani auf der Zehner-Position. Auch Etienne Kamm kann die Spielmacherrolle übernehmen. Aber auf allen Positionen im offensiven Mittelfeld ist derzeit kein Spieler zu sehen, der sich eine Stammplatzgarantie verdienen würde. Ob Daniel Isken, Pat Hill, Yoschua Grazina oder Metin Kizil – keine der Offensivkräfte, die letzte Saison die Verteidigungsreihen der Mittelrheinligisten „aufmischten“, drängt sich derzeit für die erste Elf auf.

Personeller Handlungsbedarf ist somit gegeben. Nicht nur die Fußballer schieben Frust, haben nach starkem Beginn gegen den VfB Homberg nur zweimal auswärts gesiegt. Daheim steht die Null – auf der Punkte-Habenseite. Dieses frustriert die treuen, aber auch die vielen neuen Fans, die sich SV 09 in der starken letzten Saison verdient hat.

Vielleicht ist bis zur Winterpause ab dem 15. Dezember noch der eine oder andere Punkt zu holen. Danach sollte die neue Transferperiode genutzt werden, über personelle Verstärkungen nachzudenken. Wenn auch der Klassenerhalt utopisch scheint, muss doch Ziel sein , das eine oder andere Erfolgserlebnis zu feiern: für die Fußballer und auch ihre Fans.

Alex Voigt trainiert ohne Bezüge derzeit den nächsten Gegner Wuppertaler SV, da dieser nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügt. Womöglich gibt es auch Fußballer, die bereit sind, sich für die Rückrunde „ins Schaufenster der Regionalliga“ zu stellen. Der FC Hennef ist auf diesem Weg zu einem herausragenden jungen Spieler wie Kenan Akalp gekommen. Dieser hat für ganz kleines Geld in der Rückrunde für den TV Herkenrath gespielt. Oder der eine oder andere Sponsor ist doch bereit, für die Rückrunde dieser Saison nochmal das Spendensäckel zu öffnen. Irgend etwas sollte im Winter geschehen. . .

Aufrufe: 028.10.2019, 20:00 Uhr
KSTA-KR/Elli RiesingerAutor