2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
Alle durcheinander! Philipp Ziereis, Andre Laurito und Mario Neunaber (hinten von links) standen in der Saison 2012/2013 für den SSV Jahn Regensburg im Spiel beim TSV 1860 München auf dem Platz. Fotos: dpa/MZ-Archiv/SV Donaustauf
Alle durcheinander! Philipp Ziereis, Andre Laurito und Mario Neunaber (hinten von links) standen in der Saison 2012/2013 für den SSV Jahn Regensburg im Spiel beim TSV 1860 München auf dem Platz. Fotos: dpa/MZ-Archiv/SV Donaustauf

„Wir haben immer gut ausgesehen“

Ehemalige Spieler erinnern sich vor der Relegation an frühere Duelle zwischen dem Jahn und 1860: „Das sind die Highlights.“

Die aus Regensburg angereisten Jahn-Fans trauten kaum ihren Augen. Unten, auf dem Rasen der riesigen Allianz-Arena, spielten ihre Lieblinge gegen den haushohen Favoriten keck mit und brachten den TSV 1860 München arg in Bedrängnis.

Es war am 4. August 2012, als die Aufsteiger aus der Oberpfalz zum Saisonstart der 2. Fußball-Bundesliga gleich zum bayerischen Derby bei den Löwen ranmussten und sich teuer verkauften – auch wenn sie letztlich unglücklich mit 0:1 verloren. Fünf Jahre später wird die Geschichte der speziellen Duelle zwischen den Sechzigern und dem Jahn fortgeschrieben. Ab kommenden Freitag treffen beide in der Relegation zur 2. Bundesliga wieder aufeinander. Es scheint eine gefühlte Ewigkeit seit dem letzten Aufeinandertreffen der beiden Teams in einem Pflichtspiel vergangen zu sein. In der Saison 2012/2013 spielten im Sturm beim Jahn noch Francky Sembolo und Ramon Machado, der Kapitän hieß Andre Laurito und im Jahn-Tor stand mit Michi Hofmann ein Ex-Löwe. Doch bereits die zwei Duelle in der Zweitligasaison 2012/2013 beendeten eine lange Pause, in der es keine Pflichtspiele zwischen dem Jahn und den Löwen gegeben hatte. Seit Mitte der Siebziger Jahre hatten sich die Wege nicht mehr gekreuzt. Damals waren es dafür umso schönere Fußballfeste, wie sich die damaligen Spieler erinnern. Hans Meichel etwa lief für den Jahn in der Abwehr auf. „Einmal spielten wir gegen die Löwen im Olympiastadion vor 40000 Zuschauern“, erzählt er. Direkt davor habe dort allerdings ein Reitturnier stattgefunden, der Platz sei wie ein Acker gewesen.

Meichel denkt er gerne an die Partien gegen die Löwen zurück, „denn eigentlich haben wir da immer gut ausgesehen“. In den vier Zweitligaduellen zwischen 1975 und 1977 gab es zwar vier Niederlagen, Meichel hatte ein paar Jahre zuvor, in der Saison 1970/71 in der Regionalliga Süd aber bereits zwei Siege gegen den TSV 1860 feiern können. „Solche Spiele sind natürlich die absoluten Highlights. Und das Duell jetzt in der Relegation sowieso“, findet er.



„Da ist alles möglich“

Seinem Jahn räumt er dieses Mal übrigens sehr gute Chancen ein. „In der Relegation ist immer alles möglich, ich sag mal, dass die Chancen fünfzig zu fünfzig stehen.“ Der Jahn habe sicher deutlich mehr Selbstvertrauen und schwebe auf einer Euphoriewelle. Die Löwen haben Meichel zufolge dagegen zwar „vielleicht die besseren Spieler, sind derzeit aber doch sehr nervös, das hat man zuletzt gesehen“. Der Jahn dürfe nur das erste Spiel daheim nicht gleich verlieren, hofft Meichel. Selbst wenn er mit einem Unentschieden im Rücken nach München zum zweiten Spiel fahre, sei noch alles möglich, findet er.

Auf der Seite der Sechziger war Ex-Nationalspieler Jimmy Hartwig in den Siebziger Jahren bei den Duellen dabei. „Es waren immer sehr intensive Spiele. Regensburg hat immer sein Letztes gegeben, gekämpft bis zum Schluss. Und dann kam noch das tolle Publikum dazu“, erinnert er sich. Regensburg sei für ihn als Spieler der Löwen insofern „ein angenehmer Gegner“ gewesen, „weil wir keine lange Reisestrapazen hatten. Damals gab es noch keine klimatisierten Luxusbusse“. Für die Relegation glaubt er fest an seine ehemalige Mannschaft: „Ich will ja dem SSV Jahn nicht zu nahe treten, aber ich glaube der Favorit ist der TSV 1860.“ Hartwig denkt, dass die Löwen beide Partien gewinnen werden, den Regensburgern wünscht er aber alles Gute: „Kämpft so, wie ihr früher gegen uns gekämpft habt.“

Für Anton Nachreiner, einen weiteren Spieler aus den Siebziger Jahren, ist das Relegationsduell etwas doppelt Besonderes. Schließlich ist sein Sohn Sebastian in die Fußstapfen des Vaters getreten – nur spielt der nun beim Jahn und nicht wie der Senior früher bei den Löwen. Nachreiner, mittlerweile promoviert und Richter, bleibt dennoch gelassen. „Mei, so ist es halt“, sagt er mit einem Schmunzeln. In einem Gefühlskonflikt sei er nicht, da er zum TSV 1860 keinen engen Kontakt mehr habe und in seiner Tätigkeit als Vorsitzender des DFB-Kontrollausschusses „bin ich ja ohnehin zur Neutralität verpflichtet“. Seinem Sohn, der seit Jahren in der Innenverteidigung des SSV Jahn seinen Mann steht, drückt er natürlich schon die Daumen. Ratschläge gibt er ihm aber keine: „Das würde auch nichts bringen, weil ich zu diesem Duell vorab eigentlich gar nichts sagen kann.“ Da sei er nicht nahe genug dran. Was auf dem Platz zu tun sei, das wisse sein Sohn schon selbst, glaubt der 61-Jährige.


Beginn einer neuen tollen Ära?

Ob das Duell gegen die Löwen eine neue, tolle Ära für den SSV Jahn einläutet, wird sich erst in der Zukunft zeigen. 2012, nach dem tollen Auftritt in der Allianz-Arena, glaubten viele Regensburger Fans daran, dass sich der Jahn in der zweiten Liga behaupten würde. Stattdessen brach er im weiteren Verlauf der Saison völlig ein und stieg sang- und klanglos wieder ab. Später ging es sogar bis in die Regionalliga hinunter. Nun klopft der Jahn aber wieder an die Tür zur zweithöchsten Spielklasse. Und vermutlich wird es in den beiden Relegationsspielen Geschichten geben, von denen auch die Spieler von heute in vielen Jahren noch erzählen müssen.

Aufrufe: 023.5.2017, 08:30 Uhr
Jürgen Scharf, MZAutor