2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview

"Für uns ist das ein Traum"

Kann Darmstadts Ex-Publikumsliebling auch mit Jahn Regensburg Relegations-Geschichte schreiben?

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Geschichte wiederholt sich selten, doch Uwe Hesse könnte das widerlegen. Dem einstigen Stammspieler und Publikumsliebling des SV Darmstadt 98 winkt am kommenden Dienstag in der Münchner Allianz-Arena mit dem SSV Jahn Regensburg ähnlich überraschend der Sprung in die Zweite Bundesliga, wie er dies mit den Lilien vor drei Jahren feiern durfte. Auf eine 1:3-Heimniederlage, der der SV 98 seinerzeit noch das Wunder von Bielefeld folgen ließ, wird der aus Trebur-Astheim stammende Südhesse im ersten Relegationsduell mit dem TSV 1860 München an diesem Freitag (18 Uhr) aber gerne verzichten.

FuPa: Herr Hesse, diesen Freitag und am Dienstag geht es durchaus verblüffend für Drittliga-Aufsteiger Jahn Regensburg gegen 1860 München um einen freien Platz in der Zweiten Bundesliga. Musste Ihr Urlaub umgebucht werden?

Uwe Hesse: Das nicht, denn Urlaub ist diesmal nicht so richtig geplant, da vor gut vier Monaten unsere Tochter Mila zur Welt gekommen ist. Aber es stimmt schon, dass bei uns keiner mit der Relegation gerechnet hatte. Doch nachdem wir die angepeilten 40 Punkte erreicht hatten, konnten wir befreit aufspielen.

Ist der TSV 1860 aufgrund des bayrischen Derbycharakters der erklärte Wunschgegner im Verein?

Hesse: Die Löwen sind für uns schon ein besonderer Gegner, nicht zuletzt weil einige der Jungs aus der 60er-Jugend stammen. Einen Wunschgegner gibt es in so einer Situation aber in meinen Augen nicht. Dafür haben die Teams alle viel zu viel Qualität.

FuPa: Wie schätzen Sie die Chancen des SSV Jahn ein, zum vierten Mal in der Vereinsgeschichte in die Zweite Liga aufzusteigen?

Hesse: Ich würde uns schon als klaren Außenseiter bezeichnen, aber gleichzeitig wissen wir – dank unserer mannschaftlichen Geschlossenheit – auch um unsere Chance. Für uns ist das ein Traum, jetzt diese Möglichkeit geboten zu bekommen, für die Münchner nach einem Negativlauf wohl kaum. Wir haben uns am Sonntag alle getroffen und die Zweitliga-Konferenz angeschaut. Nach der langen Saison wird es sehr auf die Physis ankommen.

FuPa: Das Heimspiel am Freitag in Regensburg war ruckzuck ausverkauft. Kommt Ihnen das und die Gesamtkonstellation bekannt vor?

Hesse: Es erinnert schon sehr viel an die Situation in Darmstadt vor drei Jahren. Die Stimmung in der Stadt ist ähnlich elektrisiert und alle wünschen einem Glück. Und natürlich wurde am Sonntag auch in meine Richtung geflachst, als Bielefeld kurzzeitig auf dem Relegationsplatz stand. Für den Fall hätte ich die Videovorbereitung übernehmen sollen... (lacht)

FuPa: Sie gehörten 2014 zum Team des SV 98, das nach einer 1:3-Pleite am Böllenfalltor das unmöglich Scheinende geschafft und mit einem 4:2-Coup nach Verlängerung bei Arminia Bielefeld bekanntlich noch in die Zweite Liga aufgerückt ist. Wie oft sind Sie in den vergangenen Tagen darauf angesprochen worden?

Hesse: Einige Male, vor allem nach dem letzten Auswärtsspiel in Münster. Da war es ziemlich genau drei Jahre her. Ich habe dann erzählt, dass es das mit Abstand verrückteste Fußballspiel war, das ich je erlebt habe. Wenn ich dran denke, kriege ich immer noch Gänsehaut.

FuPa: Welche Bilder haben Sie vor Augen, wenn Sie an die ersten Stunden nach dem Schlusspfiff auf der Bielefelder Alm denken?

Hesse: Spontan fällt mir ein, dass uns die Bielefelder mit winkenden Taschentüchern empfangen haben und wie sie dann am Ende alle am Boden lagen, während wir total aus dem Häuschen waren. Und als wir so gegen 6 Uhr am Böllenfalltor angekommen sind, war der ganze Platz voller Leute. Wir haben von der Tankstelle bis zum Stadion fast ne halbe Stunde gebraucht.

FuPa: Hätten Sie es seinerzeit für möglich gehalten, dass es für die Lilien noch höher hinausgehen könnte?

Hesse: Vorstellbar war es schon, allerdings nicht so schnell. Die Zielsetzung war ja der Klassenerhalt, aber umso schöner für den Verein und die Fans, dass dann sogar zwei Erstliga-Spielzeiten herausgekommen sind. Und deshalb ist der jetzige Abstieg auch kein Beinbruch. Ich bin überzeugt, dass es in Darmstadt auch künftig geordnet weitergehen wird.

FuPa: Gibt es noch Kontakte zu Spielern aus Ihrer fünfjährigen Lilien-Zeit?

Hesse: Ich höre noch relativ viel, da ja etliche meiner Freunde in der Gegend leben. Mit David Saalfeld, der ein Jahr nach mir weggegangen ist, stehe ich noch in engem Kontakt, ein bisschen auch mit Jerome Gondorf.

FuPa: Sie sprechen es an: Obwohl Sie absoluter Publikumsliebling waren, wurde Ihr auslaufender Vertrag damals nicht verlängert. Wie schwer ist Ihnen der Abschied gefallen?

Hesse: Da ich ja nur sechs, sieben Einsätze hatte, war es schon ein bisschen absehbar, dass es so kommen würde. Man weiß ja, wie das in dem Geschäft läuft. Insofern hatte ich es mir nicht so schlimm vorgestellt. Aber da ich doch einen engen Bezug zu dem damaligen Wohnort Georgenhausen und meiner Heimat Südhessen insgesamt habe, war es letztlich schwerer als gedacht.

FuPa: Seit Oktober 2014 schnüren Sie für Jahn Regensburg die Schussstiefel, haben in 83 Spielen sieben Tore erzielt, sind einmal ab- und direkt wieder aufgestiegen. Kann man als Südhesse in der Oberpfalz Wurzeln schlagen?

Hesse: Hier lässt es sich super leben, denn Regenburg hat eine ganz tolle Altstadt. Meine Frau und ich fühlen uns sehr wohl hier.

FuPa: Sie sind in dieser Saison von Jahn-Trainer Heiko Herrlich 23 Mal aus- und dreimal eingewechselt worden, dazu läuft Ihr Vertrag aus. Befürchten Sie, dass sich die Geschichte für Sie persönlich wiederholen könnte und im Verein nicht länger mit Ihnen geplant wird?

Hesse: Sorgen mache ich mir nicht. Und aktuell geht es jetzt erst einmal darum, dass zwei ganz wichtige Spiele für den Verein bevorstehen und wir unsere kleine Chance unbedingt nutzen wollen. Danach sehen wir weiter.

FuPa: Sie werden im Dezember 30 Jahre alt. Wie lange trauen Sie sich noch zu, als Fußballprofi zu arbeiten?

Hesse: Ich fühle mich zurzeit richtig gut und bin körperlich so fit, dass ich noch einige Jahre weiterspielen kann. Es ist nachwievor einfach ein Traumjob für mich, dem ich so lange wie möglich nachgehen möchte. Die Zweite Liga habe ich mir vor drei Jahren in Darmstadt zugetraut und tue es auch jetzt wieder. Und natürlich wäre ein Aufeinandertreffen zwischen Regensburg und Darmstadt in der nächsten Saison ein Traum.

FuPa: Ihr erster Verein, der SC Astheim, kann am Wochenende die Relegation zur Kreisliga A Groß-Gerau erreichen. Könnten Sie sich vorstellen, dort nochmal aktiv zu werden und wie eng ist der Draht nach Hause?

Hesse: Das mit der Relegation habe ich mitbekommen und drücke natürlich die Daumen. Lustig ist, dass mir der erste Teil der Frage schon bei meinem ersten Interview mit 19 gestellt wurde. Schon damals habe ich gesagt, dass das überhaupt nicht abwegig für mich ist. Daheim bin ich noch so drei, vier Mal im Jahr.

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Zur Person

Uwe Hesse erblickte am 16. Dezember 1987 in Rüsselsheim das Licht der Welt und begann früh beim SC Astheim dem Fußball hinterher zu laufen. Nach drei Jahren beim damaligen Landesligisten SG Dornheim stieß der 1,79 Meter große Mittelfeldspieler 2009 zum damaligen Regionalligakader des SV Darmstadt 98. Als Stammkraft trug er seinen Teil zur Meisterschaft 2011 bei und erlangte bei den Fans als „Südhesse“ Kultstatus. Nach dem Zweitliga-Aufstieg der Lilien zunächst vertragslos, wechselte der Hip Hop und House-Fan im Oktober 2014 für 150 000 Euro zum SSV Jahn Regensburg. Hesse ist verheiratet und seit vier Monaten stolzer Vater einer Tochter.

Aufrufe: 025.5.2017, 09:06 Uhr
Martin Krieger (Main-Spitze)Autor