2024-05-14T11:23:26.213Z

Ligavorschau
Michael Lehmann (links) und Marian Dlugosch präsentieren das vom Vorstand entwickelte
Michael Lehmann (links) und Marian Dlugosch präsentieren das vom Vorstand entwickelte – Foto: Foto: Martin Deck

Werte und Visionen

Viel Geld, viele Kicker aus der Fremde: Unter Werner Mang sollte die SpVgg Lindau unbedingt den Sprung in höhere Spielklassen schaffen. Nach dem Rücktritt des Schönheitschirurgen zählen andere Werte im Verein.

Lindau / sz - Es birgt schon eine gewisse Ironie, dass im Hintergrund die Vorberichterstattung auf das Champions-League-Halbfinale Paris Saint-German gegen RB Leipzig läuft, während Michael Lehmann und Marian Dlugosch auf der Terrasse der Vereinsgaststätte über die Zukunft der SpVgg Lindau sprechen. Auf der einen Seite die beiden Millionärsclubs, die es mit viel Geld bis in die Vorschlussrunde der Königsklasse (im Fall von PSG sogar ins Finale) geschafft haben, auf der anderen die Spielvereinigung, die in den vergangenen Jahren mit für die Kreisklasse vergleichsweise viel Geld versucht hat, möglichst schnell in den Ligen nach oben zu klettern – an diesem Vorhaben jedoch klar gescheitert ist. Zur neuen Saison treten die Lindauer wieder in der Kreisliga A an.

Ansonsten hat sich aber einiges verändert in den vergangenen Monaten. Nach dem Abgang von Schönheitschirurg Werner Mang als Präsident des Vereins und dem Rücktritt des bisherigen Vorstands Ende des vergangenen Jahres, hat es ein neues Führungsteam um den neuen Vorsitzenden Michael Lehmann und dessen Stellvertreter Marian Dlugosch zur Aufgabe gemacht, die Spielvereinigung neu aufzustellen. War neben Mang in den vergangenen Jahren vor allem der Sportliche Leiter Karsten Kranich für die Geschicke der SpVgg verantwortlich, verteilen sich die vielfältigen Aufgaben nun auf mehrere Schultern. "Es hat sich eine tolle Mannschaft von acht bis zehn Leuten zusammengefunden, die mit viel Engagement das Ehrenamt übernimmt", sagt Lehmann, der bereits bis 2014 viele Jahre im Vorstand aktiv war.

Das neue Führungsteam verfolgt eine klare Philosophie: Die Spielvereinigung soll wieder mehr in der Stadt Lindau verankert werden. Während in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Kickern mit Geld an den Bodensee gelockt wurde, besteht die neu zusammengestellte erste Mannschaft für die kommende Saison zu 90 Prozent aus Lindauern – angeführt von Trainer Manuel Cifonelli, der als Kind bei der SpVgg das Fußballspielen lernte, zuletzt aber vor allem in Österreich aktiv war. "Er hat sich in den ersten Wochen wirklich sehr gut verkauft", lobt Lehmann den Nachfolger von Marco Mayer. Auch ansonsten hat der neue Sportliche Leiter Musti Caner eine Mannschaft mit viel Bezug zu Lindau zusammengestellt. Zehn ehemalige Spieler sind zurückgekehrt, acht A-Junioren zu den Aktiven aufgestiegen.

Überhaupt will der Verein künftig viel stärker auf die eigene Jugend setzen, "auch wenn es dann etwas länger dauert, bis sich der Erfolg einstellt", wie Marian Dlugosch sagt. Bereits in den vergangenen eineinhalb Jahren hat er sich mit mehreren Eltern dafür eingesetzt, dass die Jugendarbeit professionalisiert wird. Mittlerweile werden alle Jugendmannschaften von Trainern mit Lizenz trainiert. "Jetzt müssen wir schauen, dass die Teams in den nächsten zwei bis drei Jahren den Sprung in die Leistungsstaffel schaffen", sagt der stellvertretende Vorsitzende. Soll soll verhindert werden, dass die größten Talente wie in den vergangenen Jahren nach Friedrichshafen oder Wangen abwandern.

Der Erfolg soll aber nicht im Vordergrund stehen. Vielmehr hat das Vorstandsteam ein sogenanntes "Vision-Board" erstellt, das soziale Werte in den Vordergrund stellt und als Leitfaden für den ganzen Verein dienen soll. "Ein Leuchtturm für Freundschaft und Respekt" steht da zum Beispiel drauf. Unter dem Bild eines hell- und eines dunkelhäutigen Jugendspielers heißt es: "Sein Pass spielt keine Rolle. Seine Pässe schon." Ein klares Bekenntnis zur Integrationsarbeit des Vereins. Rund 60 bis 70 Mitglieder der SpVgg hätten Migrationshintergrund, schätzen die beiden Vorsitzenden. "Integration ist für uns ein ganz wichtiges Thema", sagt Michael Lehmann. "Leider habe ich oft das Gefühl, dass bei der Stadt und der Bevölkerung gar nicht bekannt ist, was wir hier leisten."

Um den rund 200 Jugend- und 45 Aktivenspielern gute Bedingungen zu bieten und weitere Jugendliche von der Straße und der Spielekonsole in den Verein zu locken, hofft der Verein auf weitere Unterstützung der Stadt bei der Verbesserung der Infrastruktur.

Auf Dauer, so die Hoffnung der beiden Vorsitzenden, wird der Verein an Attraktivität gewinnen und sich dann automatisch auch Erfolg einstellen. "Wir hoffen auf eine gewisse Sogwirkung", sagt Marian Dlugosch, betont aber, dass der eingeschlagene Weg seine Zeit brauche. Anders als dies Werner Mang handhabte, der in der Vergangenheit öffentlich stets den Aufstieg der ersten Mannschaft in die Bezirksliga als Pflicht ausgab, will der neue Vorstand keinen Druck aufbauen. "Natürlich wäre es toll, wenn wir in den nächsten zwei bis drei Jahren in die Bezirksliga aufsteigen", sagt Marian Dlugosch. "Aber das muss sich entwickeln. Die Mannschaft soll selber sehen, wie gut sie ist." Wichtiger sei zunächst, so Lehmann, "dass die Jungs einen Fußball spielen, der die Leute begeistert". Zumindest das hätte die SpVgg dann noch mit PSG und RB Leipzig gemeinsam.

Aufrufe: 020.8.2020, 11:01 Uhr
Schwäbische Zeitung / Martin DeckAutor