2024-04-25T14:35:39.956Z

Allgemeines
Der 4000-Spiele-Mann: Seit 40 Jahren ist Christian Trompke auf den Fußballplätzen unterwegs. Seinem geschulten Auge entgeht nur wenig. Das schätzen auch die Spieler, die aber nicht immer mit seinem Auftreten klar kommen. Für den 56-Jährigen ist der Respekt untereinander wichtig. „Privat bin ich natürlich ganz anders“, sagt Trompke, dessen Tochter Michaela früher gerne mal als Linienrichterin ausgeholfen hat. Ehefrau Martina ist noch heute bei den meisten Spielen dabei.
Der 4000-Spiele-Mann: Seit 40 Jahren ist Christian Trompke auf den Fußballplätzen unterwegs. Seinem geschulten Auge entgeht nur wenig. Das schätzen auch die Spieler, die aber nicht immer mit seinem Auftreten klar kommen. Für den 56-Jährigen ist der Respekt untereinander wichtig. „Privat bin ich natürlich ganz anders“, sagt Trompke, dessen Tochter Michaela früher gerne mal als Linienrichterin ausgeholfen hat. Ehefrau Martina ist noch heute bei den meisten Spielen dabei. – Foto: privat

Schiedsrichter Christian Trompke: Anstand und Augenmaß

Fußball

Geachtet, aber auch gefürchtet: Schiedsrichter Christian Trompke erklärt seinen Stil und warum ihm Etikette wichtig ist.

Altenerding/Forstinning – Es gibt einen Schiedsrichter, zu dem haben Generationen von Fußballern im Kreis Erding eine Meinung. Das liegt nicht nur daran, dass Christian Trompke seit 1980 rund 4000 Spiele geleitet hat– oft 100 im Jahr. Es hängt vor allem mit der Art und Qualität seiner Arbeit zusammen, die am Stammtisch viel zu verkürzt so zusammengefasst wird: sehr konsequent, gutes Auge, aber gepaart mit einem Hauch von Arroganz. Aber stimmt das überhaupt, und was steckt dahinter? Wir sprachen mit dem 56-jährigen Verwaltungsangestellten aus Forstinning, der in der Schiedsrichtergruppe Erding auch die Referees für die Herrenspiele einteilt. Vor kurzem ist er zudem vom SC Baldham-Vaterstetten zur SpVgg Altenerding gewechselt, bei der er nun auch als Schiedsrichter-Obmann fungiert (wir berichteten).

Herr Trompke, was sagen Sie zu diesen Aussagen? Erstens: Trompke ist der beste Schiedsrichter auf unseren Fußballplätzen.

(sagt noch nichts)

Zweitens: Er ist auch der arroganteste.

Diese beiden Aussagen stehen aus meiner Sicht gewissermaßen im Zusammenhang. Hierzu muss ich etwas ausholen. Ich war viele Jahre selbst aktiv, als Torhüter und Feldspieler.

Sie waren Torwart und Feldspieler?

Ja, ich war lange beim TSV Poing, bin dann zum TSV Pliening-Landsham gewechselt und war später noch beim SC Kirchheim. Dort habe ich auch noch bei den Senioren gespielt. Aber ich habe dann Mitte der 1990er aufgehört, weil es aufgrund meiner Schiedsrichter-Tätigkeit zeitlich schwierig wurde. Außerdem hat man bei der AH zu viel auf die Socken bekommen. Aber zurück zur Frage: Zu Beginn meiner Schiedsrichtertätigkeit im Jahr 1980 wurde ich zufällig von Dr. Rainer Koch gesichtet.

Dem heutigen BFV-Präsidenten?

Genau. Er erkannte in mir sofort ein Talent. In der Folge durfte ich mein Handwerk als Schiedsrichter-Assistent bis zur Bayernliga – das war damals die dritthöchste Klasse – bei mehreren Schiedsrichtergrößen aus der Bundesliga erlernen: etwa bei Hans Scheurer, Manfred Amerell und Max Klauser.

Und die haben Ihnen dieses Auftreten auf dem Platz beigebracht?

Sofern sich ein Schiedsrichter keinen Angriffen von Spielern und Außenstehenden aussetzen will – und das ist definitiv bei mir der Fall – so kann das von den anwesenden Personen als Arroganz ausgelegt werden. Jedoch verhält es sich bei mir so – und das ist den meisten Verantwortlichen bewusst –, dass ich zum einen als Schiedsrichter berechenbar bin, eine klare Linie habe und zum anderen keine verbale Kritik während des Spiels dulden möchte. Dies auch vor dem Hintergrund, dass Schiedsrichter wie auch Spieler versuchen, ihre beste Leistung abzurufen und dabei auch eventuelle Fehler zugestanden werden müssen. Uns als Schiedsrichtern steht es bekanntlich auch nicht zu, die Leistung von Spielern zu kritisieren.

Wie wichtig ist Ihnen der richtige Umgangston auf dem Platz?

Vor meiner derzeitigen Tätigkeit war ich Personalleiter. Davor war ich 14 Jahre im Management der Sparkassen Finanzgruppe mit Reisetätigkeit beschäftigt und habe demzufolge viele Personen mit den unterschiedlichsten Charakteren kennengelernt. Diese Zeit hat mich sehr positiv geprägt, sodass ich auch in punkto „korrekter Umgangston“ einen gesteigerten Wert lege. Mein Credo lautet: „Wie man in den Wald hineinschreit, so schallt es zurück.“ Es muss jedem Spieler und/oder Verantwortlichen gestattet sein, dem Spielleiter eine Frage zu stellen. Jedoch muss dies in einer adäquaten Form erfolgen. „Hey Schiri, wie lang hamma no?“ – das geht halt nicht. Das ist mir zu respektlos, das ist kein angemessener Umgangston. Ich spreche ja die Spieler auch mit Sie und mit Namen an.

Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Spielern, Trainern und Funktionären einschätzen?

Das kann man nicht pauschalisieren. Grundsätzlich möchte ich aber betonen, dass ich mittlerweile zum Großteil aller Vereine ein sehr gutes Verhältnis habe. Letztlich assoziiere ich dieses Thema mit dem Punkt „Bester und arrogantester Schiedsrichter“. Jeder Spieler, Funktionär et cetera hat eine persönliche Meinung zu meiner Person, egal ob positiv oder negativ. Gerade die Personen, die mich auch privat und somit außerhalb des Platzes kennen, wissen, dass ich ein gutes, zwischenmenschliches Verhältnis präferiere.

Verzeihung, aber wer Sie auf dem Platz erlebt hat, kann Sie sich nicht als lockeren Typen vorstellen.

Man darf das einfach nicht in den gleichen Topf werfen. Privat bin ich ein ganz anderer Typ, da kann ich auch gern kumpelhaft sein. Aber wenn du das auf dem Platz bist, dann hast du schon verloren. Ich bin der Auffassung, dass du als Schiedsrichter eine Respektsperson sein musst. Das haben mir eben auch Leute wie etwa Amerell und Scheuerer beigebracht.

Was die Ligen-Zugehörigkeit anbelangt, sind Sie allerdings nicht in deren Fußstapfen getreten.

Ich war auf einem guten Weg, aber dann musste ich aus gesundheitlichen Gründen für zwei, drei Jahre kürzertreten. Danach war die Chance auf eine ganz große Karriere vorbei. Außerdem war ich auch nicht bereit, alles der Schiedsrichtertätigkeit unterzuordnen. Und das ist in diesen Sphären absolut nötig.

Nochmal zu den Funktionären und Trainern. Haben Sie nicht auch Verständnis dafür, dass die Emotionen überkochen können?

Natürlich. Aber auch hier macht der Ton die Musik. Und da muss ich die Leute dann schon mal in die Schranken weisen.

Auch Zuschauer, die sich daneben benehmen?

Klar. Ich lasse mich aber nie auf Diskussionen mit den Zuschauern ein. Das gibt’s bei mir nicht, da steige ich nicht drauf ein. Zu den Zuschauern habe ich übrigens noch eine Geschichte aus der Zeit, als ich meine Tochter zu den Spielen mitnahm. Damals gab es noch keine Schiedsrichter-Gespanne in den unteren Ligen. Also habe ich oft meiner Tochter die Fahne in die Hand gedrückt. Einmal war sie in Kirchasch Linienrichterin – vor 300 Zuschauern. Nach einer Abseitsentscheidung, sagten einige Zuschauer zu ihr: „Du musst schon richtig winken.“ Sie hat sich umgedreht und gesagt: „Ich weiß schon, was ich tue.“ Dann war Ruhe.

Zurück zur ersten Aussage: Sie sehen offensichtlich mehr als andere.

(lacht) Nein, ich denke nicht, dass ich mehr sehe als andere Kollegen. Fakt ist, dass mir meine sogenannten Lehrmeister viel auf den Weg mitgegeben und mir quasi den Feinschliff verpasst haben. Darüber hinaus ist es natürlich hilfreich, in der Vergangenheit selbst als Fußballer aktiv gewesen zu sein und somit ein Spiel nicht ausschließlich gemäß dem Regelbuch zu leiten. Gerade hierzu besitzt man ein deutliches besseres Gefühl für spezielle Situationen, wie zum Beispiel der Vorteilsanwendung.

Verzeihung, aber geht’s noch ein wenig konkreter?

Das geschulte Auge ist das entscheidende. Wenn der Ball nach vorn gespielt wird, schau ich kurz noch einmal zurück, was da passiert. Wie verhalten sich die Spieler? Du musst also nicht nur auf Ballhöhe sein, auch das periphere Sehen ist wichtig. Man kann es vergleichen mit der Schule: Du bekommst Lesen und Schreiben gelernt, umsetzen musst du es selber.

Wie wichtig ist Erfahrung im Schiedsrichtergeschäft?

Das ist ein essentieller Punkt und wirkt sich im Laufe des Lebens auf das Hobby als Fußballschiedsrichter positiv aus – für alle Beteiligten. Pro Jahr wirst du ruhiger, trittst anders auf, bist abgeklärter in heiklen Situationen.

Dass man sicherer pfeift als bei seinen ersten Spielen, ist klar. Würden Sie aber sagen, dass Sie heute ein besserer Schiri sind als vor zehn Jahren?

Ich bin auf jeden Fall eine Spur ruhiger.

Aber Sie sind 56, so fit können Sie eigentlich nicht mehr sein – zumindest in der Physis.

Für mein Alter bin ich physisch noch fit. Jedoch lässt es sich nicht vermeiden, dass auch ich mittlerweile einen kleinen Bauchansatz habe. Die Sprints fallen nicht mehr so leicht, wie noch vor etlichen Jahren. Aber bei flotten Kontern kann man vieles mit Erfahrung kompensieren.

Halten Sie sich fit?

Das muss schon sein – in einem gewissen Rahmen. Ich gehe mit meiner Frau joggen. Das ziehe ich zwei- bis dreimal die Woche durch.

Sie kennen alle Fußballplätze im Landkreis. Wo macht‘s besonders Spaß zu pfeifen?

Es gibt sehr viele Orte, zu welchen ich gerne anreise.

Und wo ist es besonders schwierig?

Ich bitte um Verständnis, dass ich mich in Anbetracht meiner Tätigkeit als Herren-Einteiler hierzu bedeckt halten möchte.

Anders gefragt: Wo stöhnen ihre Kollegen auf, wenn sie da hingeschickt werden.

Ja, da gibt es schon Beispiele, Aber die kann ich hier nicht nennen. Das sind aber oft persönliche Dinge. Und den Wünschen trage ich schon Rechnung. Wenn sich die Leute schon als Schiedsrichter zur Verfügung stellen, dann müssen sie sich nicht auch noch von Beginn an beschimpfen lassen.

Wie ist es, wenn Vereine einen Schiedsrichter ablehnen?

Grundsätzlich gilt: Ich lasse mir nicht von den Vereinen vorschreiben, welchen Schiedsrichter ich ihnen schicke. Da stehe ich voll hinter meinen Leuten. Aber es gibt natürlich auch längere und alte Geschichten, bei denen ich dann zu meinen Kollegen sage: „Da war jetzt dreimal Zirkus. Komm, ich ziehe dich da mal eine Zeit lang raus.“

Was war Ihr bisher schwerstes Spiel?

Es gab einmal einen Spielabbruch. Da sind Zuschauer vom Gastverein mit dem Messer auf mich los. Der Heimatverein hat aber super reagiert, mich in die Kabine gebracht. Ich musste noch eine Stunde dort ausharren. Ich bin wirklich kein ängstlicher Typ, aber da war ich kreidebleich, als ich nach Hause gekommen bin. Das war bisher auch das einzige Mal, dass ich an meinem Hobby gezweifelt habe. Aber es gab so viele schöne Momente.

Darüber würden wir gern was hören.

Als Schiedsrichterassistent war ich beim Entscheidungsspiel zwischen dem 1. FC Passau und der SpVgg Landshut vor 10 000 Zuschauern bei dem damaligen Bundesligaschiedsrichter Hans Scheurer. Als Schiedsrichter hatte ich viele schöne Spiele – zum Beispiel zwei Juniorenspiele als Jugendlicher im Olympiastadion München. Es gab auch zahlreiche Entscheidungsspiele et cetera.

Welchen Pfiff würden Sie gern zurücknehmen?

In einer Bezirksliga-Begegnung hatte ich einmal eine diffizile Situation und auf Tor entschieden, obwohl der Ball vermeintlich nicht die Linie überschritten hatte.

Welche Regel hätten Sie gern anders?

Aus meiner Sicht muss sich zeitnah klar und eindeutig zum Thema „strafbares Handspiel“ positioniert werden. Für alle an einem Spiel beteiligten Personen ist es zwischenzeitlich nicht mehr nachvollziehbar, welche Aktion sanktioniert wird. Dies auch vor dem Hintergrund, dass selbst die Experten in den Profiligen nach mehrfacher Zeitlupe unterschiedliche Anschauungen haben. Darüber hinaus würde ich mir eine Erleichterung bei der Abseitsregel wünschen. Mittlerweile wird eine Beurteilung um Zentimeter vorgenommen – das halte ich insbesondere in den unteren Klassen für suboptimal.

Sind Spiele in Corona-Zeiten schwerer zu leiten?

Mit Ausbruch des Corona-Virus hat sich viel verändert. Jeder, der einmal Fußball gespielt hat, weiß, dass dieser Sport mit viel Emotionen verbunden ist. Plötzlich nur noch pragmatisch zu agieren, hat zur Folge, dass der Spaßfaktor signifikant abnimmt. Wir als Schiedsrichter sollten auch während eines Spiels versuchen, nach Möglichkeit den gebotenen Abstand zu wahren. Präventiv weise ich vor einer jeden Begegnung die Verantwortlichen auf diesen Umstand hin.

Sie sind von Baldham nach Altenerding gewechselt – warum?

Im Hinblick auf die Tätigkeit als Herren-Einteiler habe ich schon länger mit dem Gedanken gespielt, mir einen Verein in der Region Erding zu suchen. Mit der SpVgg Altenerding habe ich einen sympathischen, bodenständigen und alteingesessenen Verein gefunden.

Wieviele Spiele haben Sie in 40 Jahren eigentlich geleitet?

Mit der Dokumentation meiner Spiele habe ich erst 1993 begonnen. Aufgrund meiner 40-jährigen Tätigkeit und der Tatsache, dass ich bis vor rund fünf Jahren einen Schnitt von 100 Spielen jährlich hatte, dürfte die Gesamtanzahl von Spielen bei knapp 4000 liegen. Eine verbindliche Aussage ist ausschließlich durch den Bayerischen Fußball-Verband möglich.

Haben Sie es jemals bereut, die Schiriprüfung gemacht zu haben?

Bis heute habe ich es zu keinem Zeitpunkt bereut. Schließlich trägt dieses Hobby neben vielen Herausforderungen und einer großen Verantwortung auch zur persönlichen Entwicklung bei. Insbesondere für die jungen Schiedsrichter-Kameraden ist dieser Sport ein gelungener Ausgleich zu unserer schnelllebigen und von technischen Geräten geprägten Zeit.

Haben Sie noch einen Tipp an alle Schiedsrichterneulinge von heute? Wie kann man es schaffen, so lange durchzuhalten?

Man braucht die nötige Einstellung, viel Engagement, Zuverlässigkeit, ein gutes Standvermögen, ein gesundes Selbstbewusstsein und ein dickes Fell, damit man nicht alles hört und sich nicht alles zu Herzen nimmt. Nach 90 Minuten ist das Spiel vorbei. Das Wichtigste ist aber die Liebe zum Fußball.

Aufrufe: 01.2.2021, 09:30 Uhr
Erdinger Anzeiger / Dieter PriglmeirAutor