2024-06-04T08:56:08.599Z

Ligavorschau
Schwer vom Ball zu trennen: Robin Pöttgen (links) vom Siegburger SV 04.  Foto: Bröhl
Schwer vom Ball zu trennen: Robin Pöttgen (links) vom Siegburger SV 04. Foto: Bröhl

Pöttgen jucken die Füße

Der 35-Jährige schließt ein Comeback für Siegburg nicht aus

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Siegburg. Als Robin Pöttgen am 19. März humpelnd den Platz verließ, ahnte noch niemand das Ausmaß seiner Verletzung. „Ich musste nach einer Stunde runter, weil die Wade zugemacht hat”, erinnert sich der Fußballer des Siegburger SV 04 an das Duell in Herkenrath. Was nach einer harmlosen Prellung aussah, entpuppte sich wenige Tage später als ernst zu nehmende Blessur. Die bittere Diagnose: Thrombose.

Dabei hatte Pöttgen noch Glück im Unglück, denn das Blutgerinnsel war lange Zeit unentdeckt geblieben. Es hatte sich bereits eine Woche vor der Partie in Herkenrath gebildet. „Gegen Wegberg-Beeck habe ich einen Tritt abbekommen, den Schmerz aber ignoriert und die anschließende Trainingswoche ganz normal durchgezogen”, so Pöttgen. Erst als die Beschwerden nach dem Herkenrath-Spiel noch größer wurden, wandte sich der Mittelfeldakteur an den Mannschaftsarzt. Das Ultraschall ließ Böses erahnen, ein Krankenhaus-Besuch brachte Gewissheit: Im rechten Bein hatte ein Gerinnsel einen Venenverschluss verursacht. „Der Arzt sagte mir, ich könne drei Kreuze machen, überhaupt noch da zu sein”, so Pöttgen. In der Tat kam er mit einem blauen Auge davon, schließlich können nicht rechtzeitig erkannte Thrombosen zu lebensgefährlichen Komplikationen führen.

Die Leidenszeit des 35-Jährigen ist aber noch nicht beendet, der Thrombosestrumpf bleibt vorerst sein treuer Begleiter. „Er ist sozusagen zu meinem Markenzeichen geworden”, so Pöttgen. Aufgrund der blutverdünnenden Medikamente darf er bis Ende September keinen Kontaktsport betreiben. Stattdessen geht er viermal pro Woche laufen oder ins Fitnessstudio. „Das ist das Tragische an der Sache: Ich bin schmerzfrei und fitter denn je, darf aber trotzdem kein Fußball spielen”, erklärt der Routinier.

Seiner Mannschaft im Abstiegskampf nicht helfen zu können, sei ihm schwergefallen: „Vor den Heimspielen habe ich meine Runden um den Sportplatz gedreht. Beim Anpfiff stand ich dann unter der Dusche — das war schon hart.” Mit Ach und Krach schafften die Siegburger, die als Aufsteiger auf Platz drei überwintert hatten, auch ohne ihren erfahrensten Mann den Klassenerhalt. Nun hofft man auf eine sorgenfreie Saison.

Ob Pöttgen dazu beitragen kann, ist fraglich. „Klar juckt es in den Füßen”, sagt er, „ein Comeback ist aber völlig offen.” Die fußballfreie Zeit habe er nämlich „auch genossen; an die viele Freizeit kann man sich gewöhnen”. Gegen eine Rückkehr auf den Rasen spricht auch die Pendelei zwischen seinem Wohnort Köln-Nippes und Siegburg. „Ich weiß nicht, ob ich mir das weiter viermal pro Woche antun soll”, erklärt Pöttgen, der in Wesseling als Pädagoge arbeitet und minderjährige Flüchtlinge betreut. Auf der anderen Seite wünscht er sich einen „runderen Abschluss; ich wollte eigentlich immer selbst entscheiden, wann Schluss ist”. In Siegburg hofft man jedenfalls auf eine Rückkehr. „Er kann mit seinen Pässen den Unterschied machen. Was ihm an Tempo fehlt, macht er mit seiner Erfahrung wett”, so SSV-Trainer Kinan Moukhmalji.

So oder so kann Pöttgen jetzt schon auf eine tolle Laufbahn zurückblicken. Nachdem er sämtliche U-Mannschaften der 04er durchlaufen hatte, spielte er anderthalb Jahre für den Oberligisten Viktoria Köln — an der Seite von Größen wie Andrzey Rudy oder Karsten Baumann. Zur gleichen Zeit wurde er U-19-Meister mit der Mittelrheinauswahl. Zur Belohnung durfte man ein Jahr später nach Kasachstan reisen, um gegen die dortige U-21-Nationalmannschaft anzutreten — vor 8000 Zuschauern. Damals ebenfalls dabei: der heutige Sportliche Leiter des SSV, Christian Schnitzler. „Das Spiel wurde live im nationalen Fernsehen übertragen — das war schon irre”, so Pöttgen.

Obwohl er in seiner Premierensaison 20 Einsätze für Viktoria Köln verbuchte, wurde ihm ein Abschied nahegelegt. Es folgten sechseinhalb Jahre im Trikot des TuS Mondorf und eine Spielzeit beim FC Hennef, die mit dem Abstieg in die Landesliga endete. Nach einem Intermezzo beim TuS Birk zog er nach Marburg, um dort Friedens- und Konfliktforschung (Master) zu studieren.

Im Winter 2014 kehrte er nach Siegburg zurück und trug in der darauffolgenden Saison mit sieben Toren und 27 Vorlagen maßgeblich zum direkten Wiederaufstieg in die Landesliga bei. Ein Jahr später glückte der Durchmarsch in die Mittelrheinliga. „Es ist großartig, Teil dieser Erfolgsgeschichte zu sein — zumal ich das alles gemeinsam mit meinem Bruder erleben durfte”, so der Routinier. Tim Pöttgen (38) wird künftig allerdings nicht mehr als Co-Trainer fungieren. Die SSV-Verantwortlichen hoffen nun, dass ihnen zumindest ein Pöttgen erhalten bleibt.

Aufrufe: 010.7.2017, 20:30 Uhr
Rhein-Sieg-Anzeiger / Tim MiebachAutor