2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
– Foto: Lukas Mühlberger
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"Wenn es nur um Erfolg ginge, hätte ich schon lange aufhören müssen"

Was macht den Reiz der Reserveliga aus? Enzo Bolchini (35), Mittelfeldmotor der SG Röttingen/Oberdorf/Aufhausen gibt weitere Antworten auf die brennendste Frage der Woche. Ein ganz persönliches Karriereinterview über tolle Pässe, Bier, das immer schmeckt und drei Tage 'Zipperle'.

Enzo Bolchini ist ein fittes Fußballurgestein. Mit seinen 35-Jahren hat er nicht nur Erfolge gefeiert und bittere Tränen der Niederlage geweint, er hat auch schon ein Karriereende und das obligatorische Wieder-auf-dem-Platz-Stehen hinter sich. Dass er seinen Fußballschuhen heute wieder treu ist, verdankt er der Reservemannschaft der SG Röttingen/Oberdorf/Aufhausen. Beziehungsweise der Personalnot, die es so wahrscheinlich in jedem Verein gibt. Wir haben im Rahmen unserer Themenwoche zur Reserveliga das erste Karriereinterview mit ihm geführt. Das ein oder andere Bonmot zum Kreisligafußball inklusive!

Johannes „Enzo“ Bolchini (35), SG Röttingen/Oberdorf/Aufhausen: „Klar willst du gewinnen, aber das Bier danach schmeckt trotzdem“

Michael Feindert: Enzo, wie lange spielst du jetzt schon in der Reserve?

Enzo Bolchini: Ich habe lange Jahre im aktiven Bereich gespielt und hatte meine Karriere eigentlich schon beendet. Jetzt bin ich halt wieder dabei. Zur Saison 18/19 wollte ich nämlich eigentlich kürzertreten: Ich hatte ein berufsbegleitendes Studium begonnen und dann kam auch noch meine Tochter. Das hat aber gar nicht so gut funktioniert, am Ende hat es einfach zu sehr gejuckt! Zudem hatte ich dem Verein gleich gesagt: Wenn Not am Mann ist, helfe ich jederzeit aus. Und dann war halt irgendwann Not am Mann. Im Nachhinein war die vorletzte Saison also lediglich ein Jahr, in dem ich pausiert habe, denn seit der letzten Saison bin ich wieder voll auf dem Platz. Auch meine Frau hat gesagt, ich solle jetzt einfach wieder kicken gehen, dann sei ich auch besser drauf lacht. Das war dann quasi der Freifahrtsschein. Denn ich war sowieso weiterhin jeden Sonntag auf dem Sportplatz und ob ich jetzt nur zuschaue oder selber spiele, macht eigentlich keinen Unterschied lacht. Naja, vielleicht bis auf die Zerrung, die ich mir im letzten Spiel noch eingefahren hatte.

Wie ist denn die Reserve bei euch bei der SG aufgestellt?

Mario Vandelli macht das echt super: Das Training ist immer relativ gut besucht, auch von der Reserveseite, denn wir trainieren natürlich mit der Aktiven zusammen, höchstens das Abschlussspiel ist mal getrennt. Ich würde sagen, dass wir für eine zweite Mannschaft relativ gut aufgestellt sind.

– Foto: Lukas Mühlberger

Wie ist eure Mannschaft zusammengesetzt?

Wir haben eine Achse von vier alten Hasen im Zentrum: Da sind im Mittelfeld Christoph Mazal und ich, er ist ‚schon‘ 36 und ich werde es dieses Jahr noch. Hinter uns spielt mit Paul Surek (33) ebenfalls ein sehr erfahrener Mann, vorne haben wir Elvin Letica (44). Und drum herum die ganzen Jungen. Michael Pfitzer beispielsweise ist gerade erst rausgekommen, der ist jetzt 19, vielleicht noch ein bisschen nervös, aber hat richtig was drauf!

Wer ist denn der Erfahrenste bei euch im Team?

Ganz klar Elvir Letica: Elvir hat ja lange beim TV Bopfingen gekickt, in Waldhausen sogar noch höher. Er ist jetzt zwar über 40, aber, wie soll ich das ausdrücken? Er spielt halt einfach die Bälle, die andere nicht spielen würden.

– Foto: Lukas Mühlberger

Und wie lange machst du noch weiter?

Lacht. Wenn der Kadaver mitmacht, spiele ich einfach so lange weiter, wie es geht. Ob das jetzt bei mir auch mal noch mit über 40 gehen wird, weiß ich nicht, aber das müssen wir einfach mal sehen. Aktuell ist halt die lange Pause, aber davor ging es eigentlich noch relativ gut. Klar ist es nicht mehr so einfach wie mit Mitte 20. Im Gegensatz zu damals merke ich nach einem Spieltag noch Montag bis Mittwoch ein paar Zipperle, das gabs früher nicht.

Was macht für dich den Reiz der Reserveliga im Vergleich zur Ersten, zur Aktiven aus?

Puh, das ist schwer zu sagen. Ich persönlich spiele einfach wahnsinnig gerne in der Reserve, weil ich so beispielsweise viel mehr Zeit hab, einen Ball richtig anzunehmen und dann weiterzuspielen. Es ist, leider Gottes, einfach so. Aber das kann ja auch ein Vorteil sein.

Wo du es schon ansprichst: Wie würdest du denn den Niveauunterschied beschreiben?

Wenn du dann zwischendurch mal wieder bei der Ersten eingewechselt wirst, merkst du schon, dass es einen Unterschied gibt. Das liegt einfach in der Natur der Sache. Es spielen bei den Aktiven einfach nochmal ganz andere Kaliber mit, die Reserve ist da vergleichsweise relativ beschränkt. Das sieht man dann, wenn zum Beispiel die Jungen wieder mit von der Partie sind. Also im Normalfall die, die bei der Ersten dann nochmal ein bisschen mehr wollen. Die Reserve ist im Vergleich dazu schon gemütlicher: Man muss sich nicht mehr so viel bewegen und kann trotzdem ein bisschen Erfolg haben. Auch das Warmmachen ist natürlich wesentlich entspannter. So gibt es generell weniger Druck, denn klar willst du gewinnen, aber das Bier danach schmeckt trotzdem lacht!

Wie lief denn die Saison, wenn man es so nennen mag, bislang bei euch?

Oh, da muss ich erst einmal überlegen, das ist ja gefühlt schon eine ganze Weile her. Das erste Spiel in Zipplingen haben wir knapp verloren (3:2), da waren wir aber auch einfach schlecht und noch nicht eingespielt. Gegen Riesbürg setzte es dann auch nochmal eine Niederlage (1:4), danach lief es aber relativ gut. Wir hätten uns natürlich im Nachhinein auch in den ersten beiden Spielen etwas mehr erhofft, mit dem etwas miesen Saisonstart würde ich die bisherigen Leistungen als durchwachsen bewerten, da gibt es schon noch Luft nach oben. Auf die zwei Niederlagen folgten ja auch drei klare Siege, also kam die Unterbrechung auch einfach zu einem ungünstigen Zeitpunkt für uns.

– Foto: Lukas Mühlberger

Jetzt eine Fangfrage: Was ist wichtiger? Luft für die zweite oder für die dritte Halbzeit?

Eindeutig für die dritte! Es kann noch so scheiße laufen, die Kameradschaft, gemütlich ein Bier zusammen zu trinken, egal wie du gespielt hast, deswegen mache ich das auch noch. Und das geht vielen so. Wenn es nur um Erfolg gehen würde, hätte ich schon lange aufhören müssen, das Drumherum passt aber nach wie vor alles. So rückt das Sportliche ein wenig in den Hintergrund und die gemeinsame Zeit zum Hauptgrund dafür, dass ich wieder angefangen habe.

Was kann man aus deiner Sicht abschließend noch am Konzept ‚Reserveliga‘ verbessern?

Ja gut, was könnte man machen? Vielleicht könnte man – aber bin eigentlich wirklich kein Freund davon – den Flex-Modus weiter ausbauen, sodass der ein oder andere Verein dann vielleicht doch noch eine Reserve stellen könnte, die es aktuell nicht (mehr) tun. So sieht die Realität auch abseits von Corona bislang ein bisschen anders aus: Man hat teilweise fünf Spiele am Anfang, alle relativ auf einmal und dann wieder drei Wochen Pause. Bei der Ersten kann man natürlich auch nur maximal 16 Leute mitnehmen, da kommt kann dann auch nicht jeder zum Einsatz kommen, völlig klar. Die Lust am Fußball ist ja bei vielen weiterhin da, nur stimmen oft die Rahmenbedingungen nicht so ganz.

Vielleicht könnte man auch notfalls mehrere Reserveligen zusammenlegen, damit die Ligen auch wieder größer werden. Dann fährt man halt am Sonntag mal ein bisschen weiter, aber wenigstens kickt man dann wieder regelmäßiger. Bei uns in der B4 Reserve spielen aktuell acht Mannschaften.

Danke für das schöne Interview, Enzo. Und möge der Kadaver noch mit über 40 mitmachen!


Zu Enzos Spielerprofil gelangt ihr übrigens hier.

Aufrufe: 027.2.2021, 17:29 Uhr
Michael FeindertAutor