2024-05-02T16:12:49.858Z

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Eine Idee wird Realität

VEREINSPORTRÄT: +++Frisch gegründete SG Quembach/Oberwetz legt los +++ „Wir brauchen den Fußball“ +++ Traurige Gesichter in Oberkleen +++ Vergleichskönig Carlos Tevez +++ Teutonen als Vorbild +++

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400 Millionen Euro Gesamtvolumen bei einem möglichen Transfer von CR7? Monatsgehälter von mehreren Millionen Euro? Inziwschen Standardprobleme in der Welt des Profifußballs. Vor ganz anderen Fragen stehen hingegen viele Vereine in den unteren Ligen: Wie begegnet man dem demographischen Wandel in ländlichen Regionen? Wie lang kann man eigenständig den Spielbetrieb aufrechterhalten? Wie findet man Sponsoren? Und woher bekommt man gute, kostengünstige und im Idealfall integre Spieler?

Um die unterschiedlichen finanziellen Dimensionen von Profi- und Amateurfußball einmal deutlich in Relation zu setzen: Mit dem Betrag, den der argentinische Superstar Carlos Tevez bei Shanghai Shenhua in China alle zwei Stunden verdient, deckt die neu gegründete SG Quembach/ Oberwetz die Kosten für die gesamte kommende Kreisliga B-Saison. „Absolut alternativlos“, so bezeichnet Alexander Kunert, seit März 2017 1. Vorsitzender der SG Oberwetz, den Zusammenschluss. Der Weg von der Idee, über notwendige Verhandlungen, der Zusammenstellung der Mannschaft bis hin zu den Zielen soll im Folgenden exemplarisch aufgezeigt werden…

Groß war die Euphorie bei der SG Oberwetz/Oberkleen vor der Saison 2015/16, hatte man sich doch nicht unerheblich verstärkt und richtete den Blick folglich in die oberen Tabellenregionen: „Eigentlich wollten wir aufsteigen oder zumindest oben mitkämpfen“, erinnert sich Alexander Kunert - am Ende einer für alle Beteiligten absolut enttäuschenden Spielzeit stand der Abstieg in die Kreisliga B. Schon im Herbst 2016 stellten sich die Verantwortlichen der Spielgemeinschaft aus den Vereinen Oberwetz und Oberkleen die Frage, wie es perspektivisch mit dem Fußball in den beiden Ortschaften weitergehen sollte - bereits zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich ab, dass die Sparte in Oberkleen vor der Auflösung stand. „Eine Saison wäre für uns allein wohl machbar gewesen, wenn auch nur sehr schwer“, so Kunert, dessen Vorgänger Dennis Zahrer sich folglich nach Partnern für eine neue SG umsah.

Ein erster Blick richtete sich diesbezüglich zur SG Niederwetz/ Reiskirchen, wobei die Gespräche „vermutlich aus sportlichen Gründen“ scheiterten: „Vielleicht war dies rückblickend sogar besser für uns“, bilanziert Kunert und verweist auf die Tradition von Spielgemeinschaften in der Region, welche dort bereits seit den 70er-Jahren häufig anzutreffen sind. Parallel zur SG Oberwetz suchte die SG Quembach nach einem Fusionspartner - erste Gespräche mit der SG Schwalbach scheiterten auch in diesem Fall, sodass letztendlich kurz vor Weihnachten 2016 „zwei gebrandmarkte Kinder“ zusammenfanden: „Da stimmte die Chemie sofort und bereits beim zweiten Termin war die Sache weitestgehend fix. Vom ersten Gespräch bis zur Unterschrift unter den Vertrag gab es vier bis fünf Treffen, an welchen über die Vertragsinhalte gesprochen und auch das ein oder andere Bier getrunken wurde“, erinnert sich Kunert lachend zurück.

Beteiligt an diesen grundlegenden Gesprächen war lediglich ein kleiner Personenkreis, „das haben die geschäftsführenden Vorstände der Vereine unter sich ausgemacht“. Veröffentlicht wurde die Nachricht der neu gegründeten SG Quembach/ Oberwetz auf dem Neujahrsempfang in Oberwetz Anfang Januar 2017, an welcher auch Abgeordnete aus Quembach teilnahmen: „Die Neuigkeit wurde von allen dort Anwesenden gut aufgenommen. Auch auf Nachfrage bei der Jahreshauptversammlung gab es ausschließlich positive Resonanz. Eine SG mit Niederwetz - für viele bei uns so etwas wie der „Klassenfeind“ - wäre wohl deutlich schwerer zu vermitteln gewesen. Über Quembach wurde kein schlechtes Wort verloren“, fasst Kunert die ersten Reaktionen der Vereinsmitglieder zusammen.

Gute Laune also in Quembach und Oberwetz, lange Gesichter hingegen in Oberkleen: „Natürlich waren dort einige Leute zunächst mal irgendwo etwas enttäuscht, aber was will man da machen. Wir haben uns für diesen Weg entschieden und den alten Vertrag fristgerecht gekündigt. Signale zur Auflösung der Fußballsparte gab es seitens des dortigen Stammvereins schon längere Zeit“ fasst Kunert die Situation beim einstigen SG-Partner zusammen - mit Abpfiff des letzten Saisonspiels in Dorlar (2:10) endete am 24. Mai die sechsjährige Kooperation der beiden Vereine.

Gesprächsbedarf bestand allerdings nicht nur auf Funktionärsebene - mit Spielern und Sponsoren standen ebenfalls diverse Termine an, sollten und mussten doch auch diese vom neuen Weg überzeugt werden: "Da gilt es bereits im Vorfeld, viele Dinge abzuklopfen“, so Kunert. Alle Spieler müssen bei einem Stammverein gemeldet sein, da eine Spielgemeinschaft offiziell kein eigenständiger Verein ist, d.h. beispielsweise keine Gehälter zahlen oder Spendenquittungen ausstellen darf - folglich sind alle Akteure entweder in Ober- oder Niederquembach (SG Quembach) bzw. Oberwetz angemeldet.

„Ferner musste natürlich geklärt werden, wie es mit unseren Sponsoren weitergehen soll: zum Glück ist es uns gelungen, beide Hauptsponsoren im Boot zu behalten. Wir haben uns darauf geeinigt, vorhandene Trikotsätze neu beflocken zu lassen, sodass wir in jedem zweiten Spiel die Trikots mit den unterschiedlichen Sponsoren tragen werden. Ferner ist angedacht, den Sponsoren des jeweils anderen Vereins günstig Werbeflächen im Stadion zur Verfügung zu stellen. Diese Gespräche verliefen sehr unkompliziert und wir sind froh, dass die Unterstützung auch von dieser Seite so groß war und ist.“ Speziell auf dem Sektor Bandenwerbung sieht Kunert erhebliches Steigerungspotential: „Wir haben hier bei uns noch einige freie Banden und durch die Lage direkt an einer Hauptverkehrsstraße bieten sich für Unternehmen Gelegenheiten, günstig auf sich aufmerksam zu machen.“ Um den Preis einer solchen Bande in Relation zu setzen, erneut ein kurzer Blick in die Welt der Superstars: Carlos Tevez könnte sich alle zwei Minuten eine solche mieten...

Nach Klärung dieser grundlegenden Punkte erfolgte dann zunächst die Kündigung des Altvertrages mit Oberkleen, bevor beim HFV der Antrag auf Gründung einer neuen SG gestellt werden konnte - dieser Antrag bedarf der Zustimmung des zuständigen Kreisfußballwartes, welcher diese auch kurz darauf erteilte. „Hier wissen alle um die Schwierigkeit der kleinen Vereine, eigenständig den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten, sodass es mittlerweile fast an der Tagesordnung ist, dass neue Spielgemeinschaften gegründet werden“, weiß Kunert zu berichten und betont, „dass es in den letzten Jahren für die Vereine deutliche Verbesserungen und Erleichterungen in diesem Bereich“ gegeben habe: „Eine kurze E-Mail war in unserem Fall völlig ausreichend.“ Bis vor einiger Zeit existierte beispielsweise noch der Passus, dass ein Verein nach Auflösung einer SG nicht direkt wieder in einer solchen aufgehen darf - alle Entscheidungen diesbezüglich werden auf hessischer Ebene, d.h. ohne Beteiligung von DFB/DFL, getroffen. Eine finanzielle Sicherheit in Form einer Bürgschaft wird von den Vereinen weder bei der Anmeldung noch zu einem späteren Zeitpunkt erwartet. „Natürlich ist es in der heutigen Zeit ein Vorteil, wenn man einen „Bürokraten“ im Verein hat, welcher sich um die Abwicklung dieser ganzen Angelegenheiten kümmert und bei Fragen als Ansprechpartner fungiert. Da sind mittlerweile doch eine ganze Menge an Dingen zu beachten und einzuhalten“, erläutert Kunert, welcher sich selbst intensiv mit der Ausarbeitung des neuen Kooperationsvertrages befasst hat: „Unser alter Vertrag mit Oberkleen umfasste knapp zweieinhalb Seiten, das neue Papier hingegen zwölf.

Wenn man es einfach ausdrücken möchte, wurde alles 50:50 zwischen den beiden Vereinen aufgeteilt, Nieder- und Oberquembach treten als eine Partei auf. Von beiden Seiten gibt es eine feste Einlage, die in Teilbeträgen über die Saison von den beiden Parteien abgerufen wird, beispielsweise für Transfers, Strafen und sonstige Ausgaben. Das Training und die Austragung der Heimspiele finden im Wechsel in den Ortschaften statt. Der Vorstand der SG setzt sich aus jeweils zwei Mitgliedern der Clubs zusammen, des Weiteren wurde ein Spielausschuss für die SG gebildet, welcher unter anderem über die Transfers entscheidet - hier wurden alle Rechte vertraglich festgelegt und die Namen der Mitglieder des Ausschusses schriftlich fixiert.“

Neben diversen bürokratischen Hürden galt es für die Beteiligten weitere grundlegende Entscheidungen zu treffen - beginnend mit der wichtigen Frage nach dem neuen Wappen der SG Quembach/ Oberwetz: „Das war ein sehr, sehr langwieriger und schwieriger Prozess. Es gab sehr viele Ideen und es wurde eine Menge diskutiert. Federführend war hier Timo Zörb, welcher auch unsere Facebook-Präsenz betreut und diesbezüglich weitestgehend freie Hand hat. Leute wie Timo, die Bock auf diese Sache haben, brauch man ganz einfach - anders ist so etwas nicht möglich“, lobt Kunert auch den Einsatz der Leute im Hintergrund. Letztlich beinhaltet das Wappen die Farben der Stammvereine sowie mit dem Symbol einer ausgeglichen Waage Teile des Wappens der Gemeinde Schöffengrund, „so ist jetzt jeder Verein repräsentiert und die Bindung an die Gemeinde ebenfalls gegeben - unsere Vereinsfarben sind schwarz und blau.“

Die Bedeutung eines gelungenen und kontinuierlichen Social-Media-Auftritts ist für Kunert ganz klar: „Anders ist es uns kaum möglich, Werbung zu generieren. Zumal in der jetzigen Konstellation die Reichweite natürlich auch deutlich angewachsen ist. Speziell im Bereich der Pressearbeit - welche jeweils von den Stammvereinen übernommen wird - besteht unsererseits erheblicher Nachholbedarf, da hier in den letzten Jahren kaum etwas passiert ist.“ Auch die Unterstützung ehrenamtlicher Helfer ist unabdingbar für eine erfolgreiche Zukunft des Vereins: „Hier wurde in den letzten Jahren in Eigenleistung ein Dorfgemeinschaftshaus gebaut und auch am Sportplatz wurden viele Stunden Arbeit verrichtet, um das Gelände moderner und funktionaler zu gestalten.

Einen Eindruck dieser Entwicklungen können Interessierte am 16.7.2017 bekommen, wenn der „Sporttag“ in Oberwetz auf dem Programm steht - in diesem Rahmen wird dann auch das Herzstück der neuen Spielgemeinschaft, die Mannschaft, erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Diese startet nach dem Abstieg in der anstehenden Saison unter Leitung des neuen Trainers Marcel Stanjek in der Kreisklasse B: „Marcel ist mit seinen 28 Jahren noch ein sehr junger Trainer, der sich zunächst auch erst einmal wird orientieren müssen. Ich persönlich erhoffe mir, dass er bei einigen Spielern die Moral zurückbringen kann, da diese in der letzten Saison doch häufig zu wünschen übrig ließ“, sieht Kunert ein durchaus existentes Problem der nachrückenden Spielergeneration. „Das erste Jahr wird wohl vermutlich auch das schwerste werden, da eigentlich alle in einem Findungsprozess stehen und es in der B-Klasse sicher nicht einfach ist, wenn man den Kampf dort nicht annimmt, sondern versucht, alles mit fußballerischer Klasse zu lösen. Natürlich erhoffen wir uns alle hier den direkten Wiederaufstieg, da es bei einem weiteren Jahr in dieser Klasse durchaus passieren kann, dass uns einige Spieler verlassen.“

Vorbildfunktion für den Weg, welcher mit der SG Quembach/ Oberwetz eingeschlagen werden soll, hat für Alexander Kunert die Geschichte des SC Watzenborn-Steinberg: „Natürlich träumt man von einer solchen Entwicklung: auch dort wurden Kräfte einzelner Ortsteile gebündelt und man hat sich gemeinsam für einen bestimmten Weg entschieden. Das Bündeln von Kräften ist auch hier bei uns der einzige Weg, um perspektivisch Erfolg haben zu können: drei der sechs Ortsteile der Gemeinde Schöffengrund haben sich nun zusammengeschlossen, prinzipiell sind wir für eine weitere Expansion diesbezüglich offen. Das Problem der Eigenständigkeit einzelner Vereine ist überall bekannt, zudem ist der Jugendfußball insgesamt sehr schwach geworden. Zwar gibt es in der Region den JFV Wetzbachtal mit insgesamt acht Jugendteams, aber bereits hier existiert schon keine A-Jugend mehr.“ Diese demographischen und sozialen Entwicklungen machen es insgesamt für die Vereine schwierig, „da man mehr oder weniger genötigt ist, Spieler für Geld zu holen.“ Für Kunert haben viele Vereine in der näheren Umgebung diese Probleme noch nicht erkannt beziehungsweise wehren sich aktuell noch dagegen, neue Wege zu gehen: „Oftmals herrscht noch eine große Angst bezüglich der finanziellen Machbarkeit, da man es ab einer gewissen Leistungsstärke - Kreisoberliga aufwärts - vermeintlich nur noch mit einem größeren Sponsor schaffen kann. Aktuell steht auch bei uns die Euphorie über die neuen Möglichkeiten nicht selten der Angst vor dem neuen gegenüber - unter anderem auch deshalb, da zunächst erst mal deutlich mehr zu tun ist als dies zuvor der Fall war. Man benötigt aber den Erfolg, um neue Spieler zu generieren, denn: Erfolg macht sexy!““

Seiner Vision, in drei oder vier Jahren Kreisoberliga zu spielen, begegnen viele Gesprächspartner momentan noch mit einer gewissen Skepsis, berichtet Kunert, für den allerdings ganz klar ist: „Wir brauchen den Fußball hier in der Region, zumal es auch kein wirkliches Alternativangebot gibt. Auch für andere Sparten außerhalb des Fußballs werden solche Kooperationen der Weg der Zukunft sein - ob es nun um Tischtennis, Aerobic oder den Lauftreff geht. Alle haben die gleichen Probleme wie wir - je mehr Leute man in den Abteilungen vereinen kann, umso besser ist es für jeden.“

Unterstützung erfährt die SG Quembach/ Oberwetz auch von Seiten der Politik: „Ich nehme es natürlich sehr wohlwollend zur Kenntnis, wenn sich Ortsteile auf eine Zusammenarbeit verständigen“, gibt Michael Peller, Bürgermeister von Schöffengrund, zu Protokoll. Auch er sieht „ein Vereinssterben und immer geringeres Angebot im kulturellen Bereich“ und die damit verbundenen Probleme: „Für die JFV Wetzbachtal konnten wir vor kurzem ein Förderprogramm mit einem Umfang von 5.000€ akquirieren, welches sich perspektivisch auch positiv auf den Seniorenbereich auswirken sollte.“ Einigkeit besteht zwischen Peller und Kunert bezüglich der Vision von einer „SG Schöffengrund“, also dem Zusammenschluss aller Ortsteile der Gemeinde: „Insgesamt ist eine solche SG wohl nur noch eine Frage der Zeit - hieraus würden sich auch nochmals ganz neue Möglichkeiten ergeben“, nennt Peller die Erschaffung eines Kunstrasenplatzes exemplarisch als Beispiel. Hierzu müssten dann allerdings wohl einige der aktuellen Plätze Wohngebieten weichen, um die Kosten für den Bau eines solchen Platzes abdecken zu können - „das wäre dann insgesamt eine win-win-Situation für die Gemeinde und den Verein.“ Den Sport im allgemeinen sieht Peller, bis zu seinem 23. Lebensjahr selbst bei der SG Schwalbach aktiv, insgesamt als wichtigen Freizeit- und Gesellschaftsfaktor an: „Für die nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft ist Sport unabdingbar, legt dieser doch die Basis für Sozialkompetenz - vor allem der Mannschaftssport ist mit einem hohen Lernprozess verbunden.“

Bis zum Saisonbeginn gilt es für Kunert und alle anderen Beteiligten, „auch weiterhin alles dafür zu tun, dass die Geschichte hier ein Erfolg wird.“ Nicht unwichtig wird diesbezüglich sein, wie die neue Spielgemeinschaft von den Fans und vor allem den eigenen Spielern angenommen wird. Ob der Weg der SG Quembach/ Oberwetz in den kommenden Jahren ein erfolgreicher werden wird, steht momentan noch in den Sternen - vielleicht schließt sich ja in drei Jahren der Kreis und Carlos Tevez sucht - dann 100.000.000 € reicher - nach Ablauf seines Vertrages in China nochmals eine neue Herausforderung im Schöffengrund...
Aufrufe: 029.6.2017, 14:35 Uhr
Florian RinkAutor