2024-05-10T08:19:16.237Z

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Als der Ball noch rollte: Szene aus dem Hessenliga-Spiel zwischen Viktoria Griesheim und dem FV Bad Vilbel im vergangenen Oktober.
Als der Ball noch rollte: Szene aus dem Hessenliga-Spiel zwischen Viktoria Griesheim und dem FV Bad Vilbel im vergangenen Oktober. – Foto: Dominik Claus

"Die Sponsoren springen langsam, aber sicher ab"

Vor allem für die Clubs in der Hessenliga bedeutet der Lockdown erhebliche finanzielle Einschnitte, wie das Beispiel Viktoria Griesheim zeigt

Auch Uwe Krichbaum, Spielausschuss-Vorsitzender des Hessenligisten Viktoria Griesheim, fordert eine Annullierung der Saison. Und er sagt: „Der Verband spricht viel mit Juristen - vielleicht sollte er lieber mal mit Naturwissenschaftlern reden“.

Uwe Krichbaum kann eigentlich nur noch den Kopf schütteln. Der Spielausschuss-Vorsitzende des Hessenligisten Viktoria Griesheim hält es für unmöglich, die Saison noch irgendwie zu einem bewertbaren Ende zu bringen. Zwölf Spiele hat die Viktoria absolviert; um zumindest die Hinrunde zu beenden, wären noch sieben nötig. Da man seitens der hessischen Landesregierung einen Antrag in die kommende Bund-Länder-Runde einbringen will, demzufolge Mannschaftssport frühestens ab dem 19. April wieder denkbar wäre – und das bei „gutem Pandemie-Verlauf“ -, hält Krichbaum eine Wertung für ausgeschlossen, "Man müsste drei, besser vier Wochen Vorlauf vor einer Fortsetzung der Runde haben. Aber selbst das wäre fast schon ein Witz."

Griesheim steht in der 20 Vereine starken Hessenliga auf Abstiegsplatz 17, doch das ist für Krichbaum kein Argument, sich gegen eine Wertung der Saison auszusprechen. "Die Jungs haben jetzt fast ein halbes Jahr nichts gemacht. Und dann sollen sie sich in drei Wochen auf sieben Spiele vorbereiten, in denen es um alles geht? Das funktioniert nicht."

Etwas Klarheit des Hessischen Fußball-Verbandes (HFV) sei endlich einmal angemessen, findet Krichbaum. "Der Verband macht genau den gleichen Fehler wie in der letzten Saison. Diese Runde kann man nicht mehr retten, das wäre komplett irregulär. Man kriegt vielleicht noch drei oder vier Spiele durch, wir müssen ja bis Mitte Juni fertig sein. Aber wie soll man denn etwas werten, wenn nicht einmal eine Hinrunde gespielt ist?"

Eine rhetorische Frage, allemal. Zumal vieles andere weiterhin komplett unklar ist. Krichbaum stellt zentrale Fragen: Dürfen Zuschauer kommen? Darf eine Mannschaft zusammen in die Kabine, um die Ansprache des Trainers zu hören? Darf man gemeinsam in die Duschen oder in den Kleinbus, um zum Auswärtsspiel zu fahren? Oder muss jeder doch alleine fahren? All dies sei nicht einmal ansatzweise Thema gewesen bisher. "Wenn es irgendwie geht, sollte man natürlich wieder spielen", sagt Krichbaum. "Das könnten etwa Freundschaftsspiele sein. Mehr aber wohl nicht."

Am 11. März gibt es das nächste Treffen des HFV mit den Kreisfußballwarten. Ob dann Tacheles geredet wird? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. "Wenn sie sich für einen Abbruch oder eine Saison ohne Wertung entscheiden sollten, gehen sie aber ja auch stillschweigend davon aus, dass es ab 1. Juli ganz normal weitergehen kann. Das wird es aber nicht. Wenn es etwa mit dem Impfen so schleppend weitergeht, sind zum Beispiel Zuschauer kaum denkbar. Und eine Punktrunde ohne Zuschauer macht im Amateurbereich keinen Sinn."

Womit Krichbaum beim Thema Geld ist. Nicht nur fehlende Zuschauereinnahmen belasten die Viktoria – im Schnitt kommen 150 Besucher, ein Ticket kostet sieben Euro -, auch die Sponsoren regen sich. "Sie springen langsam, aber sicher ab", sagt der Spielausschuss-Vorsitzende. "Bandenwerbung macht ja nur Sinn, wenn sie auch gesehen wird." Hinzu kommt die Unsicherheit beim Thema Dauerkarten. Es hält sich noch in Grenzen, doch der eine oder andere will durchaus sein Geld zurück. Generell spielt das Thema Fans in Griesheim aber nicht die dominierende Rolle bei den Einnahmen. Man sei ja nicht Barockstadt Fulda, wo zum Derby auch mal 2000 Zuschauer kommen, sagt Krichbaum.

Der Verband wolle sich weiterhin alles offenhalten, sagt der Griesheimer Macher. Der Abbruch sei denn auch das wirklich allerletzte Mittel. "Der Verband spricht viel mit Juristen darüber. Vielleicht sollte er lieber mal mit Naturwissenschaftlern darüber reden", sagt er süffisant. "Ich traue ihnen immer noch alles zu – auch, dass sie die Runde mit Gewalt zu Ende bringen wollen." Juristisch sei es wohl denkbar, auch nach zwölf absolvierten Partien mit einer Quotientenregel zu agieren – "aber das kann ich mir beim besten Willen dann doch nicht vorstellen".

Die Hessenliga ist die Schnittstelle – in der Regionalliga darüber wird regulär gespielt, eventuelle Absteiger müssen in die Hessenliga integriert werden. Dort führt Barockstadt Fulda das Klassement an, Zweiter ist Hessen Dreieich. Beide Mannschaften haben zwölf Spiele hinter sich, Fulda hat 33, Dreieich 31 Zähler. Zudem hat Fulda den direkten Vergleich gewonnen. Deshalb dürfe sich niemand beschweren, wenn Fulda – Stand jetzt – aufsteigen würde, sagt Krichbaum. "Alle Mannschaften - außer vielleicht Dreieich - hätten sicher kein Problem, in dieser Liga-Besetzung auch in die kommende Runde zu gehen."

In Griesheim haben sie derweil vor zwei Wochen wieder mit Einzeltraining begonnen, mehr als ein bisschen Laufen und sich mit Abstand den Ball zuspielen ist aber nicht drin. Man hat halt den Ball wieder mal am Fuß – das war es aber auch schon. Mehr geht einfach nicht in diesen Tagen – und wohl auch nicht in den kommenden Wochen.
Aufrufe: 027.2.2021, 14:11 Uhr
Jan FelberAutor