2024-04-25T14:35:39.956Z

Allgemeines
Den gebe ich nicht mehr her: Dieter Kauertz mit dem Pokal als Schiedsrichter des Jahres, der sogar im Bett nicht fehlen durfte. Foto: privat
Den gebe ich nicht mehr her: Dieter Kauertz mit dem Pokal als Schiedsrichter des Jahres, der sogar im Bett nicht fehlen durfte. Foto: privat

Ende der Fünfziger ohne Lederball begonnen

Teil zwei des großen Interviews mit Dieter Kauertz, langjähriger Schiedsrichter des Kreises Mönchengladbach/Viersen +++ Portrait und Teil eins zum Nachlesen

In zwei Teilen haben wir Euch in den vergangenen Tagen Dieter Kauertz vorgestellt, der 1000 Einsätze im Bereich der Schiedsrichterei in sein "großes Buch" eingtragen hat. Nach dem Portrait, das ihr hier noch einmal nachlesen könnt, und dem ersten Teil des Interviews, das ihr hier findet, gibt es hier nun den letzten Teil des Interviews, in dem es um heiße Spiele und die Aufgaben als Schiedsrichter-Beobachter geht.

Was war Ihr „heißestes“ Spiel?

Kauertz Viel Arbeit hatte ich bei einigen Spielen. Da war etwa 1988 ein Pokalspiel zwischen dem SC Kapellen und dem SV Schwafheim, in dem ich acht Verwarungen und damals auch vier Zeitstrafen ausgesprochen habe. 2007 waren es in der Kreisliga A zwischen der DJK Hehn und Union Ay Yildiz, ein Klub, den es ja nicht mehr gibt, gar zehn Verwarnungen und zwei Ampelkarten. Spiele, in denen ich zwei Feldverweise aussprechen musste, gab es hier und da immer mal. Mein heißestes Spiel fand aber am 26. August 2001 statt. Da hatten wir nämlich beim Bezirksligaspiel zwischen Rheinwacht Stürzelberg und dem BV Wevelinghoven auf Asche vor 70 Zuschauern 37 Grad im Schatten.

Seit einigen Jahren sind sie Schiedsrichter-Beobachter. Was ist da genau ihre Aufgabe?

Kauertz Rund eine Stunde vor dem Spiel stellt man sich dem Schiedsrichter-Trio vor. Nach dem Spiel – nachdem der Spielbericht vom Schiedsrichter ausgefüllt worden ist – gibt es in der Kabine eine 20- bis 30-minütige Spielanalyse. Hier sollen die wichtigsten Szenen aus dem Spiel besprochen werden, damit sie die jungen Schiedsrichter bei ihren nächsten Spielen weiterbringen. Die Beobachter sind dafür da, die jungen Schiedsrichter weiter zu entwickeln – auch mit Tipps und Verbesserungsvorschlägen. Anschließend füllt der Beobachter zu Hause für den FVN den Beobachtungsbogen mit Benotung aus. In diesem muss sich auch das wiederfinden, was in der Spielanalyse besprochen wurde.

Was enthält so ein Beobachtungsbogen?

Kauertz Der Beobachtungsbogen gliedert sich in insgesamt neun Punkte. Zunächst beschreibt der Beobachter kurz das Spiel. Danach bewertet er unter Punkt 2 die Regelanwendung und -auslegung, das taktische Verhalten und den Umgang mit den Spielern und Offiziellen. Ausführlich werden die persönliche Strafen unter Disziplinarkontrolle beschrieben. Unter Punkt 4 befasst sich der Beobachter mit der Persönlichkeit des Schiedsrichters und beurteilt unter Punkt 5 das Lauf- und Stellungsspiel. Unter Punkt 6 wird die Zusammenarbeit zwischen Schiedsrichter und seinen beiden Assistenten beschrieben. Dann werden unter "Zusammenfassende Bemerkungen und Verbesserungsvorschläge" die Auf- und Abwertungen begründet. In den Punkten 8 und 9 werden die Leistungen von Assistent 1 und 2 mit dem Schwerpunkt Abseits und Unterstützung beurteilt.

Verantwortung hat man als Schiedsrichter immer, aber als Beobachter, wenn man über die Auf- und Abstiege von Kollegen zu entscheiden hat, ist das doch noch einmal etwas Besonderes. Fällt einem das am Anfang schwer, und was lernt man dabei mit der Zeit, was am Anfang vielleicht noch schwierig ist?

Kauertz Die Auf- oder Abstiege entscheidet der Verbandsschiedsrichterausschuss in Duisburg. Es ist so, dass jeder Schiedsrichter in der Landes- und Oberliga je zehnmal beobachtet wird, in verschiedenen Kreisen und von verschiedenen Beobachtern. Auf Grund dieser Beurteilungen und Noten ergibt sich dann der Aufstieg. Mit 47 Jahren ist die Altersgrenze von der Landesliga bis zur Bundesliga erreicht. Wir Beobachter werden auch weiterhin jede Saison zweimal geschult, auf was wir besonders zu achten haben, wie wir beurteilen und benoten sollen, um ein einheitliches Bewertungsniveau zu erreichen. Für jede Saison erhalten wir deshalb auch schriftliche Hinweise auf etwa sieben Seiten. Wichtig ist vor allem, dass der Beobachtungsbogen für den Schiedsrichter einen nachvollziehbaren Wiedererkennungswert besitzt. Hier soll eine Fokussierung auf die Szenen erfolgen, die in der Spielanalyse nach dem Spiel in der Kabine angesprochen wurden und die für die Spielleitung relevant waren. Da ich beruflich als Verkäufer gewohnt war, viel mit unterschiedlichen Menschen zu sprechen, ist mir das – auch am Anfang - nicht schwer gefallen. Bei den schriftlichen Bewertungen musste ich mich zuerst an die Begrifflichkeiten und an die entsprechenden Noten mit Auf- und Abwertungen für bestimmte Entscheidungen heran arbeiten. Immer mehr habe ich auch die jungen Gespanne einzeln aufgefordert, sich zu artikulieren, wie Sie das Spiel und bestimmte Situationen gesehen haben. Eine Spielbeschreibung mit Schwierigkeitsgrad hingegen liegt mir, da ich auch gerne für Vereinszeitschriften geschrieben habe.

Wenn man so lange mit dem Fußball verbunden ist, kann man sich dann überhaupt vorstellen, dass sich das jemals ändert?

Kauertz Nein, nicht wirklich. Sobald ich vernünftig laufen konnte, habe ich angefangen, Fußball zu spielen, wenn auch Ende der fünfziger Jahre ohne Lederball. Ich bin am Kirmesplatz in Grevenbroich-Orken aufgewachsen - ein sandiger Boden mit vielen Kieselsteinen und wenig Gras. Hier spielten wir, auch teilweise die Nachbarstraßen aus den Ortsteilen Orken und Elsen gegeneinander. Die Tore bildeten je zwei auf den Kopf gestellte Eimer oder aber auch größere Geröllsteine. Zu der Zeit spielten wir die Bundesliga oder brasilianischen Nationalspieler nach: Vava, Pelé, Libuda, Konietzka, Overath, Fritz Pott. Ich werde immer Fußball-Fan bleiben – auch wenn mich jetzt die überdimensionalen Ablösesummen von zig Millionen Euro etwas abschrecken. Die Fußballvereine sind heute Wirtschaftsunternehmen; viele Fußballer haben einen "Wander-Spieler-Pass". Es geht nur noch ums Geld. Deshalb schaue ich mir teilweise lieber einen Lokalkampf in den Fußballkreisen an, wo noch mit sehr viel Herzblut gespielt und gekämpft wird – natürlich auf einem anderen Niveau als in den Bundesligen. Auch immer eine interessante Aufgabe für die Schiedsrichter und für mich als Beobachter.

Aufrufe: 02.11.2017, 12:00 Uhr
FuPaAutor