2024-05-02T16:12:49.858Z

Im Nachfassen
Ein junger Schiedsrichter wurde im Wiesbadener Kreis von Eltern der Jugendspieler bedroht.
Ein junger Schiedsrichter wurde im Wiesbadener Kreis von Eltern der Jugendspieler bedroht. – Foto: Thies Meyer

Eltern treten gegen Schiri-Kabine

Attacken auf Schiedsrichter häufen sich zuletzt auch in Wiesbaden +++„Besorgniserregender Trend“

Wiesbaden. Es ist mittlerweile ein Trend, den sich freilich kein Freund des Fußballsports wirklich wünschen kann – Gewalt am Schiedsrichter. Schiedsrichter haben zwar schon immer mit verbalen Verfehlungen der Spieler oder Vereinsverantwortlichen zu kämpfen gehabt, doch in letzter Zeit häufen sich auch die körperlichen Angriffe auf die Unparteiischen. Nach den Vorfällen in Südhessen und in Rheinland-Pfalz, bei denen Schiedsrichter und deren Gespann attackiert wurden, gab es auch in der Fußballregion Wiesbaden nun Fälle, bei denen Schiedsrichter Opfer von Angriffen wurden (wir berichteten). Dabei sind auch die Spielleiter im Jugendfußball betroffen. „Die letzten Wochen ist zweifelsohne ein besorgniserregender Trend erkennbar“, so Kreis-Jugendwart Dieter Pfauth.

Ende Oktober musste das C-Junioren-Spiel in der 1. Kreisklasse zwischen dem 1. SC Meso-Nassau und dem FSV Schierstein 08 abgebrochen werden. Gepfiffen wurde die Partie von einem erst 18-jährigen Schiedsrichter, der für die SG Rambach/Igstadt/Kloppenheim aktiv war. In einer Partie Erster gegen Letzter in der untersten Spielklasse, wo weder ein Abstieg noch ein_Aufstieg möglich ist, führte der SC in einer ruppigen Partie bereits nach einer Viertelstunde mit 3:0. Dennoch sollen wohl mehrere Eltern zusätzliches Feuer in die Partie gebracht haben, weswegen der Unparteiische den Trainer der Heimmannschaft aufforderte, die Gemüter zu beruhigen. Als dies jedoch keine Wirkung zeigte, entschloss sich der junge Schiedsrichter, das Spiel für zehn Minuten zu unterbrechen, um wieder Ruhe reinzubekommen.

Hier geht es zum Statement des 1. FSV Schierstein 08.

Junger Referee ruft Polizei und Klassenleiter zur Hilfe

„Als unser Schiedsrichter dann durch das Fenster der Schiri-Kabine auf das Feld geblickt hat, gab es wohl Tumulte zwischen einzelnen Erwachsenen auf dem Platz“, berichtet Joerg Bennecke, 1. Vorsitzender der Spvgg Igstadt, von den Geschehnissen. Die Aggressivität, die auf dem Platz herrschte, richtete sich dann jedoch plötzlich gegen den jungen Schiedsrichter, der sich weiterhin in der Kabine befand. „Es ist wirklich kaum zu glauben, was sich dort dann abgespielt hat. Ein paar der Krawallmacher haben anschließend versucht, die Tür der Schiedsrichter-Kabine einzutreten“, erzählt Bennecke. Der völlig verängstigte Spielleiter rief sofort die Polizei und Klassenleiter Siggi Maurer zu Hilfe, die auch schnell eintrafen. „Herr Maurer hat sich wirklich rührend um den jungen Mann gekümmert. Er wurde anschließend von der Polizei nach Hause gebracht. Er hat nun aufgehört, was leider nur allzu verständlich ist“, so Bennecke, der bis heute auf eine Entschuldigung der beiden Vereine wartet und sich maßlos über die geringe Strafe von je 100 Euro ärgert.

Eines ist klar, dieser und auch andere Vorfälle wirken sich destruktiv auf die Rekrutierung und Etablierung von Schiedsrichtern aus. „Die Leute müssen einfach mal verstehen, dass die Schiedsrichter aus den Vereinen kommen, also zu uns gehören. Wir haben sowieso schon zu wenige Schiedsrichter und ohne sie gibt es nun mal keinen Fußball“, sieht Pfauth die aktuellen Verhältnisse als äußerst bedenklich an. Besonders junge Schiedsrichter verlieren schnell den Mut und auch die Lust am Pfeifen, weshalb auch der Nachwuchs an Spielleitern immer mehr ins Stocken gerät.

Als Warnung und Abschreckung vor gravierendem Fehlverhalten sollen in erster Linie die Strafen und Sanktionen dienen. Der „Schiri-Schläger“, der im Kreis Dieburg einen Schiedsrichter brutal attackiert hatte, wurde beispielsweise für drei Jahre vom Spielbetrieb gesperrt. Die Überprüfung einer verhängten Sanktion oder das fristgerechte Absitzen der Strafe ist dabei jedoch nur schwer kontrollierbar: „Die Strafen werden immer nur vom jeweiligen Landesverband ausgesprochen, weshalb viele Spieler dann einfach in einem anderen Bundesland anheuern, wo beispielsweise ein neuer Pass beantragt werden kann“, erklärt Pfauth, der sich eine engere Zusammenarbeit zwischen Landesverbänden wünscht.

Klar ist, selbst die reibungsloseste Zusammenarbeit trägt keine Früchte, wenn die Menschen weiterhin kein Sozialverhalten auf dem Sportplatz zeigen können und damit die Zukunft des Fußballs immens gefährden.

Aufrufe: 014.12.2019, 08:00 Uhr
Henri Solter Autor