2024-04-25T14:35:39.956Z

FuPa Portrait
Beim Debüt gleich in der Startelf: Kevin Pezzoni (links) überzeugte am Samstag beim 1:0-Heimsieg des Fußball-Regionalligisten SC Hessen Dreieich gegen den FC Homburg (Daniel di Gregorio). 	Foto: Jan Hübner
Beim Debüt gleich in der Startelf: Kevin Pezzoni (links) überzeugte am Samstag beim 1:0-Heimsieg des Fußball-Regionalligisten SC Hessen Dreieich gegen den FC Homburg (Daniel di Gregorio). Foto: Jan Hübner

Dreieich statt Athen

Portrait: Walldorfer Kevin Pezzoni ist nach Ärger bei griechischem Erstliga-Klub nun für Regionalliga-Aufsteiger SC Hessen am Ball

Eigentlich sollte der aus Walldorf stammende Profi Kevin Pezzoni in diesen Tagen in Athen seinem Beruf nachgehen. In der ersten griechischen Liga bei Apollon Smyrnis. Im Sommer hatte der 29 Jahre alte Defensivmann nach drei Jahren beim Drittligisten SV Wehen Wiesbaden einen Vertrag bis 2020 unterschrieben, doch nach sechs Wochen löste er ihn auf und unterzeichnete Anfang September einen Zweijahreskontrakt bei Regionalligist SC Hessen Dreieich. Was war passiert?

„Erst war alles gut, doch dann ist die Problematik aufgetreten, die man von diesen Ländern kennt. Der Präsident hat viel von außen beeinflusst, das war schon mafia-like“, sagt Pezzoni. „Und da habe ich mir gesagt: Das brauche ich mir nicht anzutun.“ Sein Trainer bei Apollon, der ehemalige Wolfsburger Coach Valerien Ismael, trat nach dem ersten Ligaspiel der Athener zurück und twitterte: „Der Präsident drohte mir und versuchte, die Startelf sowie die Auswechslungen während des Spieltags zu beeinflussen. Es ist unmöglich, unter diesen Bedingungen zu arbeiten.“

Während der ehemalige Bundesliga-Fußballer von Werder Bremen, Bayern München und Hannover 96 noch keinen neuen Job hat, war Kevin Pezzoni nach seiner Vertragsauflösung nicht lange arbeitslos. Der SC Hessen Dreieich, als Aufsteiger mit einem Zähler aus sieben Spielen in der Regionalliga gestartet, war froh, den 1,94 Meter großen und 92 Kilogramm schweren ehemaligen Jugend-Nationalspieler zu verpflichten. Immerhin hat der 29-Jährige für den 1. FC Köln 80 Spiele in der Ersten und zehn in der Zweiten Bundesliga absolviert. Hinzu kommen 21 Zweitliga-Partien für Erzgebirge Aue sowie 15 Drittliga-Spiele für den 1. FC Saarbrücken und 75 für den SV Wehen Wiesbaden, wo sein Vertrag im Sommer nicht verlängert wurde.

„Man hat gemerkt, dass er Routine mitbringt“, sagte Dreieichs Trainer Rudi Bommer nach Pezzonis erstem Einsatz und Dreieichs erstem Saisonsieg (1:0) am vergangenen Samstag gegen das Spitzenteam FC Homburg. Pezzoni hatte als Sechser im Mittelfeld mit den Innenverteidigern Dominic Rau und Denis Streker die Defensive stabilisiert. Seine Rolle: Abräumer und Angriffsinitiator. „Er kann den Ball gut und schnell nach vorne spielen und wird uns mit seiner Erfahrung gut tun“, meint Bommer, zumal Pezzoni in einer sehr guten körperlichen Verfassung sei. „Er wird ein wichtiger Baustein.“ Das hofft auch der Walldorfer: „Ich bin nicht nach Dreieich gekommen, um meine Karriere hier ausklingen zu lassen. Ich bin 29 und noch voll im Saft. Mein Anspruch ist, hier zu helfen, dass wir unser Ziel Klassenerhalt erreichen.“

Der ehemalige Jugendspieler von Rot-Weiß Walldorf, Darmstadt 98 und Eintracht Frankfurt, der mit 16 nach England zu den Blackburn Rovers gewechselt war, will die jüngeren Spieler führen, „weil ich schon viel gesehen und früher auch von Älteren profitiert habe“. Rüdiger Rehm, sein Trainer in Wehen, hatte über Pezzoni einst gesagt: „Er hat eine große Wirkung auf junge Spieler. Wenn er etwas sagt, hört jeder hin.“

Erst eineinhalb Wochen trainiert der 29-Jährige in Dreieich. „Aber ich habe das Gefühl, als ob ich schon viel länger hier wäre.“ Mannschaft, Trainerteam und der gesamte Verein hätten ihn sehr gut aufgenommen. „Hier ist alles sehr familiär.“

Familiär ist seit der Rückkehr aus Athen auch das persönliche Umfeld Pezzonis. Nach 13 Jahren, „in denen ich nur unterwegs war“, wohnt er wieder in Walldorf, wo er aufgewachsen ist. „Meine Eltern und meine ganzen Freunde leben noch da. Es ist ein schönes Gefühl, wieder zuhause zu sein.“ Ab und zu trainiert er auf dem Sportplatz seines Heimatvereins Rot-Weiß und will sich auch das ein oder andere Heimspiel des Verbandsliga-Aufsteigers anschauen.

Sein erstes Pflichtspiel im Kreis Groß-Gerau nach mehr als 15 Jahren bestreitet Pezzoni am 25. September ab 19.30 Uhr mit Dreieich im Hessenpokal-Achtelfinale beim Hessenligisten VfB Ginsheim. Dort soll der erste von vier Siegen eingefahren werden, die noch für den Einzug in die erste DFB-Pokal-Runde benötigt werden. Im Sommer 2019 könnte Pezzoni dann gut sieben Jahre nach seinem letzten Erstligaspiel (am 5. Mai 2012 beim 1:4 des 1. FC Köln gegen Bayern München) wieder einmal auf einen deutschen Spitzenklub treffen – und ins Rampenlicht treten. Doch die große Bühne muss es nicht mehr sein, sagt er: „Mir gefällt das Projekt Dreieich. Hier entsteht etwas zehn Kilometer Luftlinie von meinem Heimatort, und es ist schön, wenn ich etwas dazu beitragen kann. Ich fühle mich pudelwohl und kann mir vorstellen, länger als zwei Jahre zu bleiben.“

Aufrufe: 012.9.2018, 18:22 Uhr
Heiko WeissingerAutor