2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
Der Trainingsanzug sitzt schon mal: Kevin Pezzoni vor der Einheit an der Miller Hall.		Foto: Dittrich
Der Trainingsanzug sitzt schon mal: Kevin Pezzoni vor der Einheit an der Miller Hall. Foto: Dittrich

»Bin schon der Typ, der vorangeht«

RL SÜDWEST: +++ Neuzugang Kevin Pezzoni über seinen Wechsel von Offenbach nach Gießen und die Aussichten des FC im Abstiegskampf +++

giessen. Bis zum Freitagabend kam der gesamte Kader von Regionalligist FC Gießen auf einen einzigen Einsatz in der Bundesliga. Keeper Frederic Löhe lief 2008 einmal für Borussia Mönchengladbach auf. Dank einer namhaften Winterverpflichtung stiegen die Eliteliga-Einsätze jetzt auf 81 an. Viereinhalb Jahre, davon vier im Oberhaus, spielte Innenverteidiger Kevin Pezzoni für den 1. FC Köln.

Im Sommer 2012 löste der heute 30-Jährige seinen Vertrag bei den Domstädtern auf, nachdem ihm im Frühjahr auf einer Karnevalsfeier von einem verkleideten Unbekannten die Nase gebrochen und er später sogar vor seinem Haus bedroht worden war. Es folgten neben Engagements bei Erzgebirge Aue (2. Liga), dem 1. FC Saarbrücken (3. Liga) und dem SV Wehen-Wiesbaden (Dritte Liga) Stationen in Österreich und Griechenland. 2018 schloss sich Pezzoni dem SC Hessen Dreieich an, 2019 den Offenbacher Kickers. Im Interview spricht der Abwehrspieler über seinen Wechsel und die Aussichten mit dem FCG im Abstiegskampf.

Herr Pezzoni, in der Winterpause wurden Sie nach nur wenigen Monaten bei den kriselnden Kickers vom neu installierten Trainer Angelo Barletta aussortiert. Wie wurde Ihnen dieser Schritt begründet und war er für Sie nachvollziehbar? Immerhin führte die „Offenbach Post“ Sie in ihrem Zwischenzeugnis nach Noten als zweitbesten Spieler des Kaders hinter Keeper Dominik Draband.

Für mich war das sehr überraschend. Bei den Feldspielern war ich von den Noten her der beste. Wenn ich fit war, habe ich jede Sekunde gespielt. Klar ist, ich muss das akzeptieren. So ist der Fußball. Aber das so radikal durchgegriffen wurde, das konnte ich nicht verstehen, weil es auch keine wirklichen Gründe gab und man dann als Notenbester und einziger Stammspieler gehen muss. Da wird es sicherlich später einmal noch das eine oder andere Gespräch geben – aber alles zu seiner Zeit, und insgesamt ist auch alles gut.

Der FCG hat bekanntermaßen seit Monaten finanzielle Probleme, konnte Gehälter nicht bzw. nur verspätet zahlen. Zwar ist Geschäftsführer Markus Haupt optimistisch, aber zu 100 Prozent ist auch aktuell nicht klar, ob die Saison gesichert ist. Warum haben Sie sich dennoch für den Wechsel nach Gießen entschieden?

Ich glaube schon, dass die Saison bis Sommer abgesichert ist – das muss ich ganz klar sagen. Und zweitens möchte ich weiterhin noch Fußball spielen. Wir hatten gute Gespräche, mir geht es um die Aufgabe, die es zu erfüllen gilt. Beim OFC hatte ich die nicht mehr, obwohl das in meinen Augen unbegründet war. Hier ist die Aufgabe Klassenerhalt und ich möchte einen wichtigen Teil dazu beitragen. Das ist reizvoll für mich.

Gab es andere Optionen?

Ja, ein, zwei andere Möglichkeiten gab es. Allerdings bin ich, seitdem ich 16 bin, nur unterwegs gewesen. Daher habe ich für mich beschlossen, dass ich nicht mehr umziehen werde, da ich endlich auch einmal ankommen möchte. Daher bin ich auch damals aus Griechenland dahin zurückgekommen, wo ich herkomme (Pezzoni ist in Frankfurt geboren und spielte in der Jugend für RW Walldorf sowie Darmstadt 98, Anm. der Red.). Um eben nicht mehr rum zu reisen, sondern auch um einmal eine Familie zu gründen. Daher habe ich mich bewusst für Gießen entschieden.

Abgesehen von Ihrem aktuellen Wechsel: Wie haben Sie den Club in der Vergangenheit wahrgenommen?

Ich habe die Entwicklung gesehen, das möchte ich ehrlich zugeben. Auch im Ausland. Dass sie aufgestiegen sind, dass hier etwas entsteht. Aber natürlich habe ich mich nicht so intensiv mit dem Verein beschäftigt, das muss ich auch sagen.

Im letzten Pflichtspiel der Gießener Mitte Dezember standen Sie noch auf der anderen Seite und verloren mit dem OFC das Hessenpokal-Viertelfinale mit 0:1. Welchen Eindruck hat die Mannschaft da auf Sie gemacht?

Wir haben uns mit dem OFC schwergetan, das war bereits im Ligaspiel beim 1:1 so. Es sind sehr gute Zocker beim FC Gießen drin, die mit dem Ball sehr gut umgehen können. Vielleicht gibt es noch ein, zwei Stellschrauben im taktischen Bereich, wo man die Jungs noch an die Hand nehmen muss. Dann, denke ich, haben wir echt eine gute Mannschaft.

Welche Rolle, auf und außerhalb des Rasens, sollen Sie einnehmen?

Ich bin schon der Typ, der vorangeht und Verantwortung übernimmt. Deswegen bin ich auch gekommen. Wir haben das klare Ziel Klassenerhalt vor Augen.

Sie haben zuletzt bei der U19 der Offenbacher mittrainiert. Auf welchem Fitnesslevel sind Sie und was fehlt aktuell noch?

Ich brauche bestimmt noch ein wenig, aber es ist ja noch Zeit bis zum Restrunden-Start, deswegen bin ich da ganz entspannt. Klar war es bei der U 19 nicht wie bei einer 1. Mannschaft, aber ich denke, dass ich in zwei, drei Wochen topfit bin.

Wie sehen Sie die Chancen auf den Klassenerhalt?

Wenn ich nicht daran glauben würde, wäre ich nicht gewechselt. Ich komme nicht irgendwo hin, wo das sinkende Schiff schon fast untergegangen ist. Ich gehe voran und habe die klare Vision, dass wir drin bleiben.

Bei Ihrem Namen denken viele Fans an Ihre Zeit beim 1. FC Köln, die 2012 mit der Vertragsauflösung endete, nachdem Sie von Fans bedroht worden waren. Denken Sie noch oft an die Jahre in der Bundesliga zurück?

Klar denkt man schon mal daran zurück, wenn man mit Leuten darüber spricht oder mit den jungen Spielern, wenn die nachfragen. Aber es ist nicht so, dass ich zu Hause sitze und an damals denke, wie es war beim FC. Wenn ich da nach bald zehn Jahren immer noch drüber nachdenke würde, wäre das auch schlimm.



Aufrufe: 05.2.2020, 08:00 Uhr
Thomas SuerAutor