2024-05-10T08:19:16.237Z

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Hat den Blick nach vorne gerichtet: SC-Frauencoach Jens Scheuer | Foto: Meinrad Schön
Hat den Blick nach vorne gerichtet: SC-Frauencoach Jens Scheuer | Foto: Meinrad Schön

Jens Scheuer: "Unsere Mannschaft wird ein Gesicht haben"

BZ-Interview mit Jens Scheuer, dem Trainer der Freiburger Bundesliga-Fußballerinnen, über seinen Wunsch nach Kontinuität und die Standortvorteile

Die Fußballerinnen des SC Freiburg spielen in der Bundesliga bisher eine überwiegend erfolgreiche Saison. Vor zwei Highlights der Saison – dem Ligaspiel gegen Spitzenreiter Bayern München, und dem Pokalspiel beim VfL Wolfsburg – sprachen Michael Dörfler und Claus Zimmermann mit SC-Trainer Jens Scheuer.
BZ: Herr Scheuer, wie fühlt man sich derzeit als Mitglied der SC-Familie?
Scheuer: Generell sehr wohl. Wir haben hier ein sehr familiäres Umfeld und das Prinzip der kurzen Wege. Jeder unterstützt jeden, das vereinfacht vieles.

BZ: Gibt es einen Austausch zwischen den Verantwortlichen im Männer- und Frauenbereich?
Scheuer: Man trifft sich und unterhält sich. Das ist nicht strukturell angelegt, gleichwohl verfolgen wir hier wie dort die gleiche Philosophie. Man schreibt sich auch SMS oder bekommt via Whatsapp Glückwünsche übermittelt. Mit Lars Voßler, einem der Co-Trainer von Christian Streich, pflege ich zum Beispiel guten Kontakt.

BZ: Die Frauen des SC Freiburg spielen eine erfolgreiche Saison. Entwickelt sich da möglicherweise etwas, das über das Erwartbare hinaus reicht?
Scheuer: Schwer zu sagen. Wir definieren uns auch bei den Frauen als Ausbildungsverein. Da ist es problematisch, Prognosen abzugeben. Tatsache ist aber, dass wir uns in der Liga stabilisiert haben und eine ernstzunehmende Rolle spielen. Aber es ist auch bei uns wie bei den Männern: Es gibt Klubs mit einem weitaus größeren Budget, nehmen sie nur den VfL Wolfsburg und Bayern München. Finanziell können wir denen nicht das Wasser reichen, das sind andere Dimensionen.

BZ: Und heißt wohl auch, dass Nationalspielerinnen, wie die Melanies namens Behringer oder Leupolz, oder Sara Däbritz – alle drei jetzt bei Bayern München – weiterhin von den Großklubs weggekauft werden?
Scheuer: Ja, da unterscheiden wir uns kein bisschen von der Bundesliga der Männer. Geld spielt heute im Fußball eine große Rolle, es ist ein verlockender Faktor. Wir können nur versuchen, den Spielerinnen klar zu machen, dass sie sich bei uns gut entwickeln können. Entscheidet sich eine gegen uns, haben wir das zu akzeptieren.

BZ: Macht das nicht müde, immer wieder die Besten abgeben zu müssen und Jahr für Jahr einen Neuaufbau zu starten?
Scheuer: Das weiß ich nicht. Ich bin ja erst seit dieser Saison bei den Frauen dabei. Und ich habe schon gewusst, auf was ich mich da einlasse. Aber glauben sie mir, wir arbeiten schon daran, unsere Spielerinnen zu halten. Lena Petermann, Cinzia Zehnder und Anja-Maike Hegenauer haben ihre Verträge bereits verlängert. Gut möglich, dass andere noch folgen. Ich bin da ziemlich optimistisch.

BZ: Kommen wir zum Sportlichen: Es stehen anstrengende Spiele an: Gegen die Bayern am Samstag (13.30 Uhr) in der Meisterschaft, am 3. April dann in Wolfsburg im Halbfinale des DFB-Pokals. Welches ist das wichtigere Spiel?
Scheuer: Die sind beide gleich wichtig. Gegen den Branchenprimus FC Bayern wollen wir zeigen, dass auch wir gegen ein Spitzenteam mithalten können. Ich bin da ganz zuversichtlich. In Wolfsburg bietet sich uns die Chance, ins Finale des DFB-Pokals einzuziehen. Das wäre natürlich eine große Sache. Doch daran wollen wir erst nach dem Bayern-Spiel denken.

BZ: Sind Sie zufrieden mit der Resonanz, die Sie hier beim Sportclub erfahren. Dem Zuschauerzuspruch zum Beispiel?
Scheuer: Zunächst einmal muss man froh sein über jeden Zuschauer, der ins Stadion kommt. Es ist aber schon ein schönes Gefühl, wenn man ins Stadion rein läuft und die Tribüne ist voll. Das stimuliert. Unsere Spielerinnen, die ja auch sechs Mal in der Woche trainieren, haben es verdient, wenn sie Zuspruch bekommen. Wenn es gegen die Bayern einen neuen Zuschauerrekord geben würde, wäre das eine tolle Sache und für uns eine Bestätigung unserer Arbeit.

BZ: Wie wollen Sie die Begegnung mit den Münchnerinnen am Samstagmittag angehen?
Scheuer: So wie wir alle unsere Spiele angehen: seriös vorbereitet und in der Gewissheit, an einem zugegebenermaßen guten Tag auch gegen eine Mannschaft wie den FC Bayern bestehen zu können. Die Analysen sind gemacht, entsprechend der Stärken und Schwächen des Gegners bereiten wir uns vor. Unsere Mannschaft wird ein Gesicht haben. Mir ist da nicht bange.

BZ:
Charakterisieren Sie mal ihr Team. In welchen Bereichen sind die Spielerinnen weit, was fehlt ihnen noch? Wie hat sich die Mannschaft unter ihnen entwickelt?
Scheuer: Letzteres könnte als Kritik an meinen Vorgängern verstanden werden, da möchte ich mich zurückhalten. Im spielerischen Bereich haben wir sicher unsere Stärken, wenn der Ball flach ist. Dazu kommt ein recht gutes Umschaltspiel, das sicher ein Manko der vergangenen Saison war. Die vielen Gegentore damals deuten darauf hin. Deshalb versuchen wir heute gut gegen den Ball zu arbeiten und wenn wir ihn haben, zügig und schnell nach vorne zu spielen. Auch haben wir eine gewisse Spielintelligenz, um uns aus schwierigen Situationen zu befreien.

BZ: Ist das an Personen festzumachen?
Scheuer: Bei uns ist die Mannschaft der Star. Aber generell haben wir von guten Neuzugängen profitiert. Bei der vom VfL Wolfsburg ausgeliehenen Lina Magull hat man schon im ersten Training ihre individuelle Klasse gesehen. Hasret Kayikci hat sich nach anfänglichen Problemen zu einer treffsicheren Spielerin entwickelt. Dazu kommen viele junge, talentierte Spielerinnen wie Giulia Gwinn, Janina Minge, Lisa Karl und Cinzia Zehnder.

BZ: Wenn Sie Wünsche äußern dürften, auf welchen Positionen sehen Sie noch Bedarf beim SC?
Scheuer: Ich wünsche mir einfach, dass ich diese Mannschaft, die ich derzeit trainiere, behalten kann.

BZ: Kommen wir mal zum Pokal. Zumindest auf dem Papier scheint die Ausgangslage klar zu sein: Wolfsburg ist Favorit.
Scheuer: Ja. Aber da dürfte auch die Komponente Druck eine gewisse Rolle spielen. Wolfsburg muss unbedingt, wir können und wollen. Druck kann sowohl positive als auch negative Stimmungen erzeugen. Sollte es uns gelingen, das Spiel lange Zeit offen zu halten, dann dürfte sich der Druck auf die Gastgeberinnen erhöhen. Und ich weiß, dass wir die Qualität haben, dann nicht chancenlos zu sein.

BZ: Kribbelt’s schon?
Scheuer: Nein, dafür ist es noch zu früh. Der Fokus ist auf die Bayern gerichtet. Gerade nach dem Spiel in Bremen, das wir 0:1 verloren haben und das ein Rückschritt war, wollen wir etwas gut machen. Die Mannschaft war danach unglaublich enttäuscht.

BZ: Sie selbst haben Fußball gespielt, beim SC Freiburg, in Bahlingen und in Bötzingen, jetzt trainieren Sie eine Frauenmannschaft. Was ist für Sie der größte Unterschied zu einem Männerteam?
Scheuer: Dass ich nicht unangekündigt in die Kabine kann. Ansonsten sind die Mechanismen ziemlich gleich. Dass Frauen schwieriger zu führen sein sollen als junge Männer, ist eine Mär. Disziplin ist immer auch eine Charakterfrage – bei Männern und bei Frauen. Der Mensch ist, wie er ist.

Zur Person:
Jens Scheuer wurde am 10. Dezember 1978 in Offenburg geboren. Er spielte einst unter Christian Streich in der A-Jugend des SC Freiburg. Nach Beendigung seiner aktiven Karriere arbeitete Scheuer beim FC Bötzingen und dem Bahlinger SC als Trainer – dann wechselte er zu den Frauen des SC Freiburg. Scheuer, der mit seiner Familie in Bahlingen wohnt, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Beruflich ist er beim Badischen Sportbund in Freiburg im Referat Übungsleiter Lehrwesen angestellt – und ist dankbar für die Unterstützung, die ihm der BSB zuteil werden lässt.
Aufrufe: 023.3.2016, 23:59 Uhr
Michael Dörfler & Claus Zimmermann (BZ)Autor