2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines
In Bayern soll Anfang September wieder der Spielbetrieb anlaufen.
In Bayern soll Anfang September wieder der Spielbetrieb anlaufen. – Foto: Volkhard Patten

Re-Start: Sinn oder Unsinn?

Die Wiederaufnahme des Spielbetriebs im September steht weiter auf äußerst wackligen Füßen. Eine Analyse

König Fußball muss leiden. Da geht`s den Kickern genauso wie allen anderen Mannschaftssportarten. Eishockey, Handball, Basketball – Existenzängste wohin man blickt! In wenigen Wochen will der Amateurfußball nach monatelangem Stillstand wieder aus seinem Dornröschenschlaf erwachen. Anfang September sollte wieder in den Wettkampfmodus übergegangen werden. Jetzt ist der Start aber erneut um mindestens zwei Wochen nach hinten geschoben worden. Kann das alles gelingen? Die aktuelle Entwicklung rund um das Virus lässt leider nicht viel Gutes erahnen. Die Infektionszahlen gehen nicht wie erhofft weiter zurück. Im Gegenteil, eine gefährliche Melange aus Sorglosigkeit und Reiserückkehrern aus aller Herren Länder treibt die Zahlen wieder nach oben.


Wir haben uns die Frage gestellt: Re-Start – Sinn oder Unsinn?

Warum es Unsinn ist:

Geht`s schief, werden die Vereine die Sündenböcke sein!

Freilich können sich die Spieler auch auf Feiern, beim Baden oder wo auch immer anstecken. Passiert`s aber bei einem Fußballspiel, werden die Vereine in die Verantwortung gezogen werden. Der Tenor wird lauten: War doch klar, dass das passiert. Ihr hättet es besser wissen müssen! Damit kann Vertrauen unwiderruflich zerstört werden. Das wäre wohl für viele Vereine in Zeiten stetig rückläufiger Mitgliederzahlen vermutlich der Todesstoß.

Was soll das Ganze ohne Zuschauer?

Wie schon oft betont wurde, macht Amateurfußball ohne Zuschauer eigentlich keinen Sinn. Keine Zuschauer bedeuten für die Vereine keine Einnahmen. Auf der anderen Seite haben die Klubs Mehrausgaben wegen der Hygiene-Vorschriften zu stemmen, damit überhaupt gespielt werden darf. Diese Rechnung kann nicht aufgehen! Am vergangenen Wochenende führte der Zuschauerausschluss zu skurrilen Szenen rund um die Fußballplätze Bayerns. Wohl dem, der über eine Vereinsgaststätte samt Terrasse verfügt. Denn selbstverständlich dürfen Vereine Gäste auch während eines Spiels bewirten. Das führt dann dazu, dass - trotz Zuschauerverbots - die Fans dicht an dicht bei kühlem Bier neben dem Spielfeldrand sitzen und die Partie verfolgen. Zehn Meter weiter auf der großen Tribüne darf aber niemand Platz nehmen! Ein Scherz aus Absurdistan? Leider nicht. An dieser Stelle ist die Politik am Zug, um endlich klare Verhältnisse zu schaffen. Schließlich dürfen ja auch 400 Personen Freiluft-Kulturveranstaltungen verfolgen. Der Amateurfußball braucht Zuschauer!

Ist es das alles wert?

Diese Frage werden sich viele Freizeitkicker stellen. Viele Arbeitgeber zum Beispiel werden ihren Angestellten schon freundlich, aber bestimmt in der Sache, mitteilen, was sie davon halten, wenn sich ein Angestellter Woche für Woche dem Risiko aussetzt. Keineswegs auszuschließen, dass unter diesen Umständen vielen die Lust am liebsten Hobby vergeht.


Warum es dennoch Sinn macht:

Ohne Fußball ist es doch arg fad, wir lechzen nach Action auf grünem Rasen!

Die Zwangsentfremdung mit dem runden Leder hat zu schweren Entzugserscheinungen geführt – daran kann auch ein bisschen Profifußball nichts ändern, der vor leeren Rängen ohnehin nur eine Karikatur seiner selbst ist. Klar, der FC Bayern bereitet mit seinen Champions-League Darbietungen einem nicht geringen Teil Freude. Der Rest schwelgt in Erinnerungen an bessere Tage. Wer jemals selbst gegen einen Ball getreten hat kennt den Wunsch: Endlich wieder auf dem Rasen stehen, die Kugel am Fuß spüren. Wir wollen unsere Lieblings-Freizeitbeschäftigung zurück!

Vor allem im Amateurbereich ist Fußball nicht nur ein Spiel!

In vielen kleinen Orten gehört der sonntägliche Kick auf dem Dorfplatz zum festen Bestandteil des sozialen Lebens. Man trifft sich, hält ein Pläuschchen, tauscht sich aus, trinkt ein Bier mit Freunden – der Fußball als sozialer Kitt. Es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten, dass für viele Rentner das Heimspiel des eigenen Vereins der Höhepunkt der Woche ist, auf den hingefiebert wird.

Fußball leistet auch einen wertvollen erzieherischen Beitrag!

Neben vielen ehrenamtlichen Aktivitäten zum Wohle unserer Gesellschaft leisten Sportvereine einen oft unterschätzten, aber unverzichtbaren Beitrag zur Integration. Ebenso werden Kindern und Jugendlichen ja nicht nur sportliche Inhalte vermittelt. Teamfähigkeit, Rückschläge wegstecken, Konfliktlösung – das alles werden die Heranwachsenden im späteren Leben brauchen. Die erzieherische Funktion des Fußballs liegt seit Monaten brach.

Wo außer im Fußball treffen sich alle sozialen Schichten?

Der Kulturbetrieb in Bayern läuft langsam wieder an. Zu Recht wird betont, wie wichtig dies für die Gesellschaft ist. 400 Personen dürfen an einer Veranstaltung im Freien teilnehmen. Aber: Keine Kulturveranstaltung bringt wie der Fußball Menschen aus sämtlichen Gesellschaftsschichten zusammen. Nach einem Spiel hockt der Flüchtling neben dem Arzt, der Hartz-IV-Empfänger neben dem Investment-Bänker. Der Fußball schafft, woran die Politik zusehends scheitert: Die Überwindung sozialer Gräben!

Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben!

So simpel sich diese These anhört, so wahr ist sie auch. Neben dem Covid-19-Virus flirren in der Welt noch Millionen andere potentiell gefährliche Erreger herum. Corona wird bleiben, das ist sicher. Aber: Langsam ist in den vergangenen Monaten das öffentliche Leben wieder hochgefahren worden. Der Betrieb in Gaststätten läuft wieder, Freibäder können besucht werden, Kulturveranstaltungen laufen wieder an. Ein Leben mit Corona jenseits des Lockdowns ist also durchaus vorstellbar. Da sollte es auch möglich sein, wieder Fußball zu spielen. Allerdings sind die Vereine in der Pflicht! Hygienekonzepte müssen verantwortungsvoll eingehalten werden, eine laxe Handhabung wäre absolut kontraproduktiv. Der Amateurfußball kann beweisen, dass er die Zeichen der Zeit verstanden hat und trotzdem in einen geregelten Spielbetrieb übergehen kann. Dann kann der Fußball aus einer ganz heiklen Phase gestärkt und als Gewinner hervorgehen! Wir sollten es wagen.

Aufrufe: 023.8.2020, 08:00 Uhr
Mathias WillmerdingerAutor