2024-04-30T13:48:59.170Z

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Aussteiger und Einsteiger, hier noch Seite an Seite: Cataldo Diletto (links) hat genug bei Calcio, Radoslav Kral (rechts) soll es als Nachfolger richten. Foto: Archiv Yavuz Dural
Aussteiger und Einsteiger, hier noch Seite an Seite: Cataldo Diletto (links) hat genug bei Calcio, Radoslav Kral (rechts) soll es als Nachfolger richten. Foto: Archiv Yavuz Dural

Pulverfass explodiert - vier Rücktritte bei Calcio

Die Hintergründe zu den vier Rücktritten beim Landesligisten Calcio Leinfelden-Echterdingen

Die Hintergründe zum Rücktritt des Trainergespanns und der Abteilungsleitung bei Calcio Leinfelden-Echterdingen.

Wie stellt man sich seinen Geburtstag vor? Ein netter Tag in fröhlicher Stimmung, unbeschwert unter Freunden, und wer weiß, vielleicht ja sogar, bei aller Bescheidenheit, mit dem ein oder anderen Präsent? In etwa so hatte sich das auch Cataldo Diletto ausgemalt. Und immerhin: einen Wunsch hat ihm seine Mannschaft am Samstag zu seinem 38. Wiegenfest dann ja auch erfüllt. Das Punktspiel in Ebnat wurde wie berichtet mit 5:2 gewonnen. Ansonsten jedoch kam alles ganz anders als gedacht.

Rückblickend ist klar: ausgerechnet Dilettos eigentlicher Jubeltag wird als Ausgangspunkt zu einem der größten Beben in die Annalen des Fußball-Landesligisten Calcio Leinfelden-Echterdingen eingehen. Gefühlte Stärke zehn. Inzwischen sind die Schäden am erschütterten Vereinsgemäuer zu begutachten. Der Trainer Diletto selbst, dessen Assistent Takashi Kawagishi, der Abteilungschef Juan Ramos und der Spielleiter Elmar Schäfer - für sie alle gilt: Schluss. Sie haben einträchtig ihren sofortigen Rücktritt erklärt. Vor dem Spitzenspiel am nächsten Sonntag (Goldäcker, 14.30 Uhr) gegen den Tabellenführer SV Ebersbach ist damit schlagartig die komplette sportliche Führungsriege weg. Und da trägt es nur bedingt zur Beruhigung bei, dass zumindest ein neuer Coach quasi im Erste-Hilfe-Schnellverfahren bereits gefunden ist: Radoslav Kral, Ex-Profi und ehemaliger Calcio-Abwehrchef, steigt als Verantwortlicher an der Seitenlinie ein.

Turbulenzen als roter Faden

Freilich: wirklich überraschen kann der jetzige Knall lediglich noch vom Zeitpunkt her, haben die aufstiegsambitionierten Echterdinger zuletzt doch insgesamt sogar dreimal nacheinander gesiegt und sich auf den dritten Tabellenplatz katapultiert. Dass es hinter den Kulissen dennoch gärte und brodelte, war bekannt. Und für kritischere Beobachter hatte sich eh von vornherein weniger die Frage gestellt, ob es mit diesem potenziellen Pulverfass Calcio gut gehen wird, sondern allein wie lang. Nicht nur, weil sich bei den Echterdingern die hausgemachten Turbulenzen als roter Faden durch die Geschichte ziehen und seit jeher offenbar dazu gehören wie die Luft in den Ball. Auch, weil das aktuelle Konstrukt schlicht zu viel Konfliktpotenzial barg.

Auf der einen Seite dieser mittels Großeinkaufstour aus dem Boden gestampfte Luxuskader, der ein gutes Dutzend einstiger Oberliga- bis Zweitliga-Kicker beinhaltet - auf der anderen Seite ein Trainer Diletto, der zwar reichlich Leidenschaft, Tatendrang und Ehrgeiz einbrachte, zugleich allerdings auch keinerlei Erfahrung in seinem Job. Es handelte sich um seine erste Station als Coach. Hüben eine Ansammlung von Individualisten und gegensätzlichen Charakteren, von der sich die Mehrheit auf dem Rasen selbst für unverzichtbar hält - drüben Diletto, der nun einmal nur elf und nicht 20 Mann aufstellen kann, und für den zwei Punkte die oberste Devise waren: Disziplin, mannschaftliche Geschlossenheit. So sah der aus Kalabrien stammende gebürtige Waiblinger seine Arbeit zum einen durchgängig einer partiellen Skepsis ausgesetzt. Konnte der das überhaupt? Zum anderen bewegte er sich vom ersten Spiel an in einem Spannungsfeld zwischen Mannschaft und Granden des Vereins.

Risse nach Disput mit dem Geldgeber

Als Diletto vor drei Wochen die Aufmüpfigen Nektarios Malamidis und Shkemb Miftari ohne Rücksprache suspendierte, stieg ihm und dem ihn stützenden Abteilungsleiter Ramos prompt der Geldgeber aufs Dach. Jener, Propizio Sirignano, auch ohne offiziellen Posten mächtiger Calcio-Mann, fand es wenig lustig, dass da jemand den von ihm finanzierten und ja mit weiter laufenden Verträgen ausgestatteten Kickern einfach den Laufpass gab. Spätestens von da an waren Risse da. Diletto und Ramos sahen ihre Linie untergraben.

Vollends zur Eskalation kam es nach zwischenzeitlicher Wogenglättung dann an besagtem vergangenen Samstag. Da strafte Diletto den aus seiner Sicht ohne den nötigen Einsatz agierenden Vincenzo Parrinello sowie den meckernden Torjäger Fatih Özkahraman ab. Mit bereits gekippter Geburtstagslaune holte er das Duo nach gerade mal 20 Minuten vom Platz, worauf die beiden es bevorzugten, sich direkt ins Auto zu setzen und nach Hause zu fahren - und worauf Diletto wiederum auch in diesem Fall ein Rauswurf vorschwebte. Dagegen begehrte diesmal nicht Sirignano auf, sondern ein Teil der Mannschaft. Energischer wurden die Stimmen, die ob des Umgangstons ins gleiche Horn stießen wie der geschasste Malamidis: Kasernenhofstil, ein Gebaren wie bei der Bundeswehr.

Ramos beklagt ,,zu viel Gegenwind"

Möglich also, dass Diletto eh seinerseits die rote Karte gedroht hätte. Mit seinem Rücktritt zog er nun selbst die Konsequenzen. ,,Ich habe alles gegeben und meine ganze Energie in diesen Verein gesteckt", sagt er, ,,aber mir wurden zu viele Steine in den Weg gelegt." Die Kritik an seinem Tun? Man möge bitte auf die Tabelle, das Potenzial im unter seiner Regie erstellten Kader sowie die Sünderstatistik schauen. Nach rekordverdächtigen 16 Platzverweisen der vergangenen Saison hat Calcio in der aktuellen bislang nur zweimal Gelb-Rot kassiert. ,,ich denke, wir haben gute Arbeit geleistet", sagt Diletto. ,,Wenn man dann trotzdem so viel Gegenwind bekommt", fügt Ramos an, ,,macht man den Weg besser frei." Die gleichzeitige Demission von ihm, Schäfer und Kawagishi ist auch als ein Zeichen der Solidarität zu sehen.

Der Neue spielte sogar Champions League

Als Trainer richten soll es nun stattdessen wie gesagt Radoslav Kral. Der 41-jährige Slowake kennt die örtlichen Gegebenheiten. Von 2010 an war er vier Jahre lang Spieler bei Calcio und in der Endphase der vorigen Saison dann bereits für ein paar Wochen Dilettos Co-Trainer. Zweifel in Sachen Kompetenz dürften in seinem Fall ausgeschlossen sein: Kral war Profifußballer, kickte für seinen Heimatclub Kosice einst sogar in der Champions League - und ist im Besitz der Trainer-A-Lizenz. Sein Assistent wird der Spielervater Milenko Malbasic. Ihre erste Übungseinheit leiten die beiden an diesem Mittwochabend.

Ramos' Aufgaben übernehmen derweil erst einmal bis zur Winterpause der bisherige Teambetreuer Boris Bistrovic sowie der Vereinspressewart Michael Alber. Letzterer muss sich nach eigener Aussage allerdings erst einmal einfinden. ,,Die Entwicklung hat mir etwas den Boden unter den Füßen weggezogen", sagt er.

Anderen nicht den Boden, aber die Geburtstagsstimmung. Ein netter Tag? Eher nein. Um im Sprachbild zu verweilen: Diletto hat schließlich keine Kerzen auf einem Kuchen ausgepustet, sondern den Schalter gedrückt. Licht aus. Das Kapitel Calcio ist für ihn nach 13 Jahren in verschiedenen Funktionen beendet.

Aufrufe: 04.11.2015, 18:00 Uhr
Filder-Zeitung / Franz StettmerAutor