2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
F: Schulze
F: Schulze

Ophoven und das langfristige Ziel

Wie schlagen sich eigentlich die Vereine der Kreisligen C und D? Eine Interview-Serie mit den Teams aus den unteren Klassen. Im Fokus: SV Ophoven.

Spielertrainer Jan Schmitz antwortet äußerst ausführlich und gewissenhaft über seinen besonderen Verein, den SV Ophoven. Eine glasklare Leseempfehlung.
Wie läuft die Saison bisher?
Schmitz: Hätten Sie die Frage vor sechs Wochen gestellt, hätte ich vermutlich geantwortet, dass ich sehr zufrieden bin. Im Sommer haben wir einen großen Umbruch vorgenommen und sind das „Projekt 2020“ angegangen. Zum Start dieses Projektes haben wir in 2015 mit Berat Mehmeti, Waldemar Brecht, Carlos Ramakers, Okan Özen, Hüsso Akkaya, Kaan Karabulut bereits sechs sehr junge und spielstarke Spieler verpflichtet, um den Kader in der Breite und vor allem in der Qualität zu verbessern. Durch den größeren Kader wurde auch das eigenverantwortliche Arbeiten gestärkt und eine existente Fremdsteuerung gemindert, da man in den vergangenen Jahren doch immer sehr stark von der Kooperation mit der Justizvollzugsanstalt Heinsberg und dem daraus resultierendem Spielerzufluss abhängig gewesen ist. Erfolge und Trainingsmoral stimmten in der gesamten Vorbereitung und zum Saisonbeginn, die neuen Spieler haben sich prima integriert, das Mannschaftsgefüge war intakt, vor allem die Mischung aus „Jung und Alt“. Die Motivation und der Enthusiasmus waren riesig, wir waren sogar zwischenzeitlich Tabellenführer und haben an der Spitze mitgekämpft, mit der dunklen Jahreszeit und der Verlagerung der Trainingseinheiten nach Birgelen auf die Asche, sank aber die Trainingsbeteiligung drastisch und damit nachhaltig auch der spielerische Erfolg. Aus den letzten fünf Spielen holten wir gar nur vier Punkte und haben uns damit die Saison „ruiniert“.

Seid ihr mit dem aktuellen Rang zufrieden? Welches Ziel peilt ihr noch an?
Schmitz: Als Trainer bin ich mit der aktuellen Tabellensituation mehr als unzufrieden, da in dem Kader so viel Qualität und Potenzial steckt und ich an die Mannschaft glaube. Der Tabellenrang spiegelt nicht unser aktuelles Leistungspotenzial wider. Wir mussten an jedem Wochenende einige Ausfälle kompensieren und konnten noch nie in Bestbesetzung auflaufen. Ferner haben wir einige Spiele unnötig und naiv verloren. Das sind gewisse Lernprozesse, die man nach einem so gewaltigen Umbruch und mit so einem jungen Team aber auch durchlaufen muss. Wir haben die Geduld und werden unseren Weg gehen, im Umbruchjahr darf man den ein oder anderen Stolperschritt machen. Einzig würde ich mir ein bisschen mehr Disziplin wünschen. Das Saisonziel ist ein Tabellenplatz unter den Top 3. Dafür muss aber in der Rückrunde eine Leistungssteigerung her. Mir ist es allerdings wichtiger, dass wir uns individuell und mannschaftlich weiterentwickeln und nicht stagnieren, damit wir dann die nächste Saison vielleicht den Aufstieg anstreben können. Mittelfristig verfolgen wir schon das Ziel, uns wieder in der Kreisliga B zu etablieren.

Über welchen Fortschritt seid ihr besonders stolz?
Schmitz: Der Verein hat im letzten Jahr die richtigen Schlüsse gezogen und die richtigen Personen in den verantwortlichen Positionen installiert. Es weht ein neuer und frischer Wind, man merkt im Umfeld eine Aufbruchstimmung. Die Atmosphäre ist super. Für die Rückrunde und die nächste Saison werden weitere Spieler beworben. Man möchte hier echt etwas „auf die Beine stellen“. Nach jedem Heimspiel gibt es einen Rundumservice, den ich so noch nicht erlebt hat. In der Spielerlounge werden so beispielsweise kostenlos Gambas, Schnitzel, XXL-Burger etc. neben Kaltgetränken serviert. Das ist obligatorisch. Nahezu die gesamte Mannschaft ist hier immer versammelt. Spielerisch haben wir die Viererkette eingeführt. Am ballorientierten Pressing müssen wir noch etwas arbeiten. Da greifen die Prozesse noch nicht ineinander. Ferner greifen die Automatismen noch nicht wie sie sollen. Besonders stolz bin ich aber auf unsere Heimbilanz: 6 Spiele 5 Siege und ein Remis bei einem Torverhältnis von 27:7 Toren. Hier kriegen wir den Schalter umgelegt und brillieren. Diese Dominanz ist mein Maßstab. Leider haben wir auswärts irgendwie eine psychische Blockade, da erkenne ich meist meine Mannschaft nicht wieder. Hier holten wir nur einen jämmerlichen Punkt aus 5 Spielen. Vielleicht liegt es ja auch an der Vorfreude auf das Essen nach dem Heimspiel, das uns zu Hause so beflügelt.

Wenn ein Spieler für seine Entwicklung hervorgehoben werde müsste, wer wäre es und warum?
Schmitz: Da möchte ich keinen Spieler besonders hervorheben. Wir haben eine sehr homogene Mannschaft mit vielen polyvalenten Spielern, die teils in unterschiedlichen Entwicklungsstadien sind und teils unterschiedlichste Ausgangssituationen haben. Der eine ruft mehr von seinem Potenzial ab, der andere noch etwas weniger. Es ist ein laufender Prozess, ein stetiger Fortschritt. Es wäre hier den anderen Spielern unfair gegenüber, einzelne Personen hervorzuheben. Zudem hat die Mannschaft durch den Umbruch ein neues Gesicht erhalten.

Was macht euer Team besonders?
Schmitz: Die Kooperation mit der JVA Heinsberg macht den Verein sogar bundesweit zu etwas Besonderem. Für dieses außergewöhnliche gesellschaftliche Engagement wurden wir auch mehrfach prämiert. Wir helfen inhaftierten Häftlingen bei der Resozialisierung und dem Weg zurück in die Normalität, indem wir sie zu den Trainingseinheiten und Spielen bei uns im Team aufnehmen. So kommt es auch schon mal vor, dass der SV 1936 medial Interesse erlangt und in dem Mittelpunkt von Berichterstattungen gerät. Sky oder auch der DFB haben beispielsweise schon einen TV-Bericht über uns gedreht bzw. der Westdeutsche Rundfunk einen Radiobeitrag inklusive Interviews über uns gemacht. Das ist sowohl zwischenmenschlich in Bezug auf das Zusammenspielen und die Interaktion mit den Inhaftierten als auch medial in Bezug auf diverse Berichterstattungen und dem Kontakt mit der Presse etwas Außergewöhnliches.Mittlerweile spürt man aber auch durch „das Projekt 2020“, dass in der gesamten Mannschaft ein neuer Teamspirit herrscht, eine Identifikation mit dem Verein, die das Besondere ausmacht. Der Zusammenhalt und der Wille, nicht auf der Stelle stehen zu bleiben, sondern etwas Neues und Größeres aufzubauen.
Aufrufe: 023.12.2015, 13:30 Uhr
André NückelAutor