2024-05-02T16:12:49.858Z

FuPa Portrait

Nach Mobbing – Spieler klagt an: „Sie nahmen mir die Freude"

NEUE SERIE "FAST GESCHAFFT": Justin Schröder wurde aus dem Fußball „gemobbt“. Er hielt dem Druck nicht mehr stand und wollte einfach nicht mehr.

Die Stutzen und Hosen gehen nahtlos in einander über. Spielerisch ist das System eine freundliche Rudelbildung als ein konsequenter Spielaufbau. Und nicht zu vergessen: Einer pflückt immer Blümchen. So wird eigentlich bei den Mini-Kickern und zu Beginn in der F-Jugend Fußball gespielt. Doch bei Justin Schröder verlief die Jugendzeit ganz anders. Mit acht Jahren war er bei Arminia Bielefeld in der Jugend gelandet. Das ging so durch bis zur U 15. Sein Ausstieg erfolgte nicht ganz freiwillig - Justin Schröder wurde weggemobbt: „Sie nahmen mir die Freude am Fußball.“

Seine ganze Jugend war auf Fußball ausgerichtet. Das schien sich auf den ersten Blick zu lohnen. Mit zwölf und 13 Jahren ging es bei Turnieren bereits gegen die ganz großen Clubs. Im Reviercup traten sie gegen Mannschaften von Borussia Dortmund, Schalke 04 und einige andere bekannte Größen der Branche an. Justin wurde bei einigen Turnieren sogar zum „Spieler des Turniers“ gewählt. Den großen Vereinen blieb sein Talent naturgemäß nicht verborgen. Sie reagierten prompt. „Mein Vater rief mich an, dass es einen anderen Verein gibt, der mich wollte: der VfL Wolfsburg. Ich könnte dort aufs Sportinternat gehen, würde fürs Spielen Geld bekommen - und mein Vater sogar einen Job bei VW!“ sagte Schröder zu seiner großen Chance. Das Angebot verfiel jedoch. Justin zog sich eine Entzündung im Knie zu und der VfL suchte sich einen neuen Spieler. Die Härte des Profigeschäfts eben. Doch der Junge hatte weiterhin Erfolg - das Mobbing begann.


„Du kannst doch eh nix“

Das ganze Leben verbringt ein ambitionierter Jugendfußballer mit seinem Team. Doch genau diese Jungs begannen, Justin zu mobben. „Sobald der Trainer raus ging und der mich nur irgendwie lobend erwähnte, sagten sie immer: „Du kannst doch eh nix“ oder „Du bist viel zu klein“, beschrieb Justin das Verhalten seiner Mitspieler. Doch auf dem Spielfeld blieb jeder professionell, denn schließlich waren sie ja alle beim DSC Arminia Bielefeld, dem Bundesligisten.

Fußballerisch ist Justin eine Führungspersönlichkeit auf dem Platz. Er spielt mit Köpfchen und weiß schon, bevor der Ball seinen Fuß berührt, was er als nächstes mit dem Leder vor hat. Ein „Defizit“ hat er augenscheinlich, seine Körpergröße. Aber trotzdem machte er, wie er selbst sagt, auch größere Spieler locker frisch. Fußballerisch eben, wie Joshua Kimmich. Menschlich kein Prolet, sondern ein schüchterner, aber immer hilfsbereiter Junge. Keiner, der prahlt und andere nieder macht.

Bei Sprüchen blieb es längst nicht mehr! Es wurde schlimmer. Der Weg zum Training und zurück entwickelte sich zur Qual für den 14-Jährigen. Er und seine Peiniger fuhren gemeinsam mit dem Zug hin und zurück zum Training. Justin fühlte sich wegen des permanenten Mobbings von Tag zu Tag unwohler, täuschte Verletzungen vor, um nicht zum Training zu müssen. Irgendwann musste er dann doch wieder auf den Platz und dann ging das Mobbing weiter.


Justin kann nicht mehr

Es ging sogar so weit, dass Justin bedroht und bestohlen wurde! „Gib mir jetzt dein Geld, sonst schlag ich dich - sagten sie zu mir oder ich nahm Geld mit, um mir nach dem Training etwas zu Essen zu kaufen, doch mein Portemonnaie war nach dem Training leer. Wenn ich daran denke, spüre ich noch heute ihre Blicke auf mich gerichtet, als ich ins leere Portemonnaie guckte“, erzählt Justin.

Das war für den damaligen C-Jugendspieler letztlich einfach zu viel. Er konnte und wollte nicht mehr. Auch seine Familie merkte ihm an, dass etwas nicht stimmte. Justins Mutter, Jennifer Dingwerth, erzählt uns: „Wir haben ihn zur Rede gestellt und dann rückte er mit allem raus. Man merkte, wie tief der Schmerz bei ihm saß.“ Daraufhin wendete sich Familie Schröder an den Verein und konfrontierte ihn mit den Ereignissen. Der DSC Arminia Bielefeld entließ den entsprechenden Spieler. Doch es war bereits zu spät. Justin verlor den Spaß am Fußball - er wollte einfach nicht mehr.

Er sagte seiner Mannschaft, warum er aufhören wolte und was passiert war, denn nicht jeder mobbte ihn. Ein Großteil seines Lebens waren seine Mitspieler auch ein Stück weit seine Familie gewesen. „Als ich den Jungs sagte, warum ich aufhören wollte, musste ich die Tränen unterdrücken. Nach dem Gespräch fühlte ich jedoch Erleichterung. Es war endlich vorbei“, berichtete Justin.


Das sagt Arminia Bielefeld dazu

Sein damaliger C-Jugend-Trainer, Peter Slavov, sagte auf Nachfrage von FuPa Ostwestfalen: „Wir sind ein Leistungsverein und es gibt immer mal Reibereien unter den Jungs. Wir wussten, da ist etwas, aber nicht genau was. Wir haben den Spieler dann auch entlassen, aber das alles als Mobbing zu bezeichnen, ist fraglich.“

Sein Vater, Förderer und Unterstützer in jeder Lebenslage wollte, dass er noch einmal über seine Entscheidung nachdachte. Für Justin jedoch stand die Entscheidung fest. Er konnte nicht mehr. Sein Vater stand hinter ihm! „Ich will nicht wissen, wie vielen es auch so geht wie mir damals, und die nicht darüber reden“, sagt Justin.

Nach einer kurzen Auszeit vom Fußball führte Justin der Weg zum SC Verl. Dort spielte er ein Jahr lang in der U17, aber bekam keinen Vertrag für die U19. Damals spielten zu viele auf seiner Position und U18, die damals noch eher hobbymäßig betrieben wurde, wollte er nicht spielen. Da war die Anreise von Bielefeld nach Verl zu weit für ihn, für nur die Kreisliga.


Das schlimmste in seinem Leben kam noch

Das schlimmste in seinem Leben kam noch. Sein Vater erkrankte. Diagnose: Krebs. Für Justin war sein Vater immer die Bezugsperson in puncto Fußball. So gut wie jedes Spiel stand er am Rand und feuerte seinen Sohn an. Justins Mutter erinnert sich noch gut an eine Situation: „Da waren wir beim Einkaufen am Wochenende und plötzlich kam der Anruf von Arminia, ob Justin nicht noch zu einem Turnier nachkommen könnte nach Belgien, und so fuhren wir dorthin.

Justin war ihm immer am wichtigsten, auch als er krank wurde. Einmal ging er zu einem Spiel, obwohl es ihm ziemlich schlecht ging. Er kam allerdings nach kurzer Zeit wieder heim und ging für die Schlussminuten wieder hin. Am 22. Juni 2018 verlor Justins Vater den Kampf gegen den Krebs und starb.

Justin suchte Halt und fand ihn wieder im Fußball. Dem Sport, den er einst so sehr liebte. Seine neue fußballerische Heimat ist die A-Jugend des SC Halle. „Ich hab den Spaß am Fußball wiedergefunden. Außerdem sind wir eine richtige Familie und machen auch viel in der Freizeit zusammen.“

Aufrufe: 025.12.2018, 15:00 Uhr
Teresa Kröger / FuPaAutor