2024-05-02T16:12:49.858Z

FuPa Portrait
Seine geliebte Pfeife wie auch die gelbe und rote Karte hat Felix Carl sich gesichert, auch wenn er längst nicht mehr als Schiedsrichter im Einsatz ist. Foto: P. Stollenwerk
Seine geliebte Pfeife wie auch die gelbe und rote Karte hat Felix Carl sich gesichert, auch wenn er längst nicht mehr als Schiedsrichter im Einsatz ist. Foto: P. Stollenwerk

Mit Drehleiter aus dem Stadion geflüchtet

Felix Carl aus Mützenich, langjähriger Schiedsrichter im alten Fußballkreis Monschau, betrachtet den Fußball heute aus der Distanz

Die Fußball-Bundesliga macht Pause, aber der Ball dreht sich unaufhaltsam weiter. In dieser Woche zogen die U21-Europameisterschaft in Tschechien und die Fifa-Frauenweltmeisterschaft in Kanada die Blicke der Fußballwelt auf sich.

An Felix Carl aus Mützenich gehen diese Großereignisse auch nicht vorbei, aber Fußball interessiert ihn eigentlich nur noch am Rande. Hier und da schaut er sich mal ein Spiel an, am liebsten im Nachwuchsbereich, aber längst betrachtet er das Geschehen nur noch aus der Distanz. Viel lieber erzählt er von früher, als er noch als Schiedsrichter im Einsatz war und zwischen den Amateurfußballplätzen in Kalterherberg und Oberhausen im Dauereinsatz war. Dann läuft der einstige Mann in Schwarz zu Hochform auf.

Der heute 66-Jährige Felix Carl weiß, dass er sich als Schiedsrichter im Laufe von 21 Jahren nicht nur Freunde gemacht hat, aber entscheidend für ihn ist, „dass ich immer versucht habe, menschlich mit den Spielern umzugehen“. Das hat ihn zwar nicht davor geschützt, bei hitzigen Begegnungen auch hin und wieder mit der unschönen Anrede „schwarze Sau“ tituliert worden zu sein, aber bis zum Abpfiff seiner eigenen Schiedsrichter-Laufbahn bekennt Carl, dass er sein Amt stets „mit großer Leidenschaft“ ausgeübt habe.

Der Konkurrenz gestellt

Den früheren Fernmeldetechniker, der bei der Firma Junker in Lammersdorf seine Lehre absolvierte, verbindet bis heute eine große Treue zu seinem Heimatverein, dem TuS Mützenich. Hier spielte er selbst Fußball und wurde in der Kreisliga B in einer Saison sogar einmal Torschützenkönig. Insgesamt 299 Spiele absolvierte er für die Vennkicker. Zu diesem Zeitpunkt war er schon längst Schiedsrichter.

Der entscheidende Anstoß, sich der Zunft der Unparteiischen anzuschließen, erfolgte bereits im Jahr 1966. Nicht etwa das legendäre „Wembley-Tor“ aus dem gleichen Jahr gab den Ausschlag, vielmehr fühlte sich Felix Carl bei einem B-Jugendspiel bei einer umstrittenen Entscheidung vom Schiedsrichter klar benachteiligt, woraufhin er den Entschluss fasste, künftig selbst Spiele zu leiten. Als Schiedsrichter stand damals übrigens der legendäre Karl Knein aus Imgenbroich, der Schiedsrichter-Obmann des Fußballkreises Monschau, auf dem Feld. Noch im selben Jahr war Felix Carl dann erstmals bei einem Jugendspiel der 23. Mann auf dem Platz.

Am 18. April 1971, dieses Datum weiß Felix Carl noch ganz genau, leitete er dann sein erstes Spiel in der Kreisliga A zwischen Kalterherberg I und Eicherscheid II. Die Erinnerungen an diese Premiere sind bis heute nicht verblasst: „Ich weiß, dass Eicherscheid damals ein paar knüppelharte Spieler auf dem Platz hatte.“

Felix Carl fühlte sich rasch wohl im schwarzen Dress und wollte nach oben. Die Befähigung, auch in höheren Klassen zu pfeifen, muss man sich aber auch als Schiedsrichter hart erarbeiteten, und dabei darf man auch den Konkurrenzkampf nicht scheuen. Dass auch bei den Schiedsrichtern mit harten Bandagen gekämpft wird, erfuhr Felix Carl später bei zahlreichen Lehrgängen in der Sportschule Hennef.

1974 meisterte er seine erste große überregionale Aufgabe beim B-Jugend-Mittelrhein-Pokalspiel zwischen dem TV Höfen und dem 1. FC Köln.

1975 absolvierte er in Hennef mit Erfolg den Lehrgang für die Bezirksklasse. 20 Quizfragen waren zu beantworten, und dazu mussten Sprint- und Mittelstrecken in einer bestimmten Zeit absolviert werden. Das Pfeifen in der nächst höheren Klasse war aber auch zugleich mit höheren Leistungsanforderungen verbunden, denn nun wurden ihm vom Fußballverband Mittelrhein regelmäßig offizielle Beobachter an die Seite gestellt, die anschließend wie in der Schule ein Zeugnis mit Noten ausstellten. Am Ende der Saison wurde gerechnet, und dann rückte man eine Klasse höher oder eben nicht.

Die Lehrgänge zwischen 1975 und 1982 mit den rund 40 Schiedsrichter-Kollegen waren für Felix Carl gleichzeitig auch immer Charakterstudien, besonders bei Absolventen wie Walter Eschweiler, Jakob Wippker, Karl-Josef Assenmacher oder Georg Dardenne, die später als Bundesliga- oder gar als Fifa-Schiedsrichter im Licht der Öffentlichkeit standen.

1978 rückte Felix Carl in die Landesliga auf, zwei Jahre später in die Verbandsliga, ehe er ab 1983 in der Oberliga, der höchsten deutschen Amateurklasse, Spiele leitete. Sich auf dieses Level mit beständig guter Leistung hochzuarbeiten, war für die Schiedsrichter aus dem kleinen Fußballkreis Monschau, wo man sogar die über 150 Mark teure Schiedsrichter-Kluft selbst finanzieren musste, vergleichsweise schwieriger als für die Anwärter aus den renommierten Kreisen Aachen, Köln oder Bonn. „Ich bin nur durch Leistung soweit gekommen“, sagt Felix Carl stolz. Man habe ihm auch schon Geld angeboten, „aber ich habe nie etwas genommen“. Von seinem Spielverständnis hat er sich auch nie abbringen lassen: „Ich habe immer hart durchgegriffen.“ Besonders schlechte Karten hatten Spieler, „die absichtlich so schwer Foul spielten, dass der gegnerische Spieler am Montag nicht mehr zur Arbeit gehen konnte“.

An viele Klassiker aus der Oberliga-Zeit erinnert sich Felix Carl gerne zurück. Er kam hier mit späteren Bundesliga-Profis wie Jörg Daniel (Fortuna Düsseldorf) oder Friedhelm Funkel, dem langjährigen Bundesliga-Trainer, zusammen, oder leitete am 6. Januar 1982 vor 1400 Zuschauern mit Bravour das Landesliga-Lokalderby TuS Zülpich gegen TSC Euskirchen. Die Gäste wurden damals von Trainer Heinz Flohe, dem deutschen Ex-Nationalspieler, betreut.

Es fehlte aber auch nicht an kritischen Situationen, wie zum Beispiel bei der Oberliga-Begegnung zwischen Siegburg und Rot-Weiß Oberhausen. RWO wollte an diesem Tag den Aufstieg in die Zweite Bundesliga klar machen. Es reichte vor 4000 Zuschauern aber nur zu einem 2:2, auch weil Schiedsrichter Felix Carl in der 75. Minute den Gästen wegen Handspiels ein Tor aberkannte. Damit löste er schwere Tumulte bei den Fans aus. „Die wollten uns an den Kragen.“ Ein großes Polizeiaufgebot versuchte die Emotionen zu bremsen. Erst nach Stunden gelang es den Unparteiischen aus dem Stadion zu gelangen. Mit Hilfe einer Drehleiter der Feuerwehr wurde das Trio über den Stadionzaun gehoben. Um nicht erkannt zu werden, hatte man sicherheitshalber die schwarzen Trikots ausgezogen.

Dennoch hat Felix Carl die Erfahrung gemacht, „dass die Attacken auf Schiedsrichter abnehmen, je höher die Klasse ist“.

Im Jahr 1987 hängte Felix Carl dann nach 21 Jahren die Schiedsrichter-Pfeife an den Nagel. 764 Spiele hatte er bis dahin geleitet, darunter 182 für den Fußballverband Mittelrhein „und außerdem zwei ganze Autos verschlissen“, ein Aufwand, der sich mit 24 Mark Spesen plus Kilometergeld in der Oberliga selbstverständlich nicht rechnete.

Geld fließt überall

Beim Kreisliga-B-Spiel Kalterherberg gegen TuS Schmidt hatte er seinen letzten Auftritt. Private und familiäre Verpflichtungen sollten jetzt endlich zu ihrem Recht kommen. Heute ist der Fußball für Felix Carl im wahrsten Sinne des Wortes die schönste Nebensache der Welt. Von den aktuellen Bundesliga-Schiedsrichtern gefällt ihm Felix Zwayer derzeit am besten, während er über die Verstrickungen der Fifa und das Milliardengeschäft Fußball am liebsten gar nicht reden möchte, nur soviel: „Es fängt doch schon in den unteren Klassen an, das Geld fließt, oder warum sonst gehen Spieler in ein anderes Dorf?“

Man kann natürlich nicht mit einem Schiedsrichter reden, ohne über die umstrittenste Schiedsrichter-Entscheidung in der Geschichte des Fußballs zu reden – das „Wembley-Tor“ aus dem Jahr 1966. Darauf angesprochen, hat Felix Carl ein klare Meinung: „Es war kein Tor. In meinen Augen hat der Linienrichter geschlafen.“

Aufrufe: 04.7.2015, 18:00 Uhr
Peter Stollenwerk I AZ/ANAutor