2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview der Woche
Seit dieser Saison in der Zweiten Bundesliga als Linienrichter: Patrick Kessel. (Foto: Dirk Waidner)
Seit dieser Saison in der Zweiten Bundesliga als Linienrichter: Patrick Kessel. (Foto: Dirk Waidner)

Mehr als ein Hobby

Patrick Kessel ist seit dieser Saison Assistent in der Zweiten Bundesliga +++ 26-jährige Schiedsrichter pfeifft für die SG Hüffelsheim

Norheim. Die aktive Fußball-Karriere von Patrick Kessel endete in der Saison 2007/08. Nicht etwa, weil der heute 26-Jährige eine Verletzung zum Aufhören gezwungen hätte, sondern vielmehr, da Kessel in einem anderen Bereich viel größeres Potenzial entfalteten – nämlich als Schiedsrichter. „Als das alles nicht mehr miteinander vereinbar war und als Schiedsrichter deutlich mehr drin zu sein schien, wollte ich schauen, wie weit und wohin sich das Ganze entwickelt“, erinnert Patrick sich. Heute gehört er zu einer Generation aufstrebender Jungschiedsrichter, die ihren Weg in den Profifußball gefunden haben. In dieser Spielzeit gab auch Patrick Kessel sein Debüt als Assistent in der Zweiten Bundesliga.

Binnen zehn Jahren vom SR-Schein zur Regionalliga

Zum Beginn der Saison 2003 absolvierte Patrick seinen Schiedsrichter-Schein. Damals sei er mehr auf der Suche nach einer Möglichkeit gewesen, sein Taschengeld aufzubessern. „In Norheim wurde eine Schulung angeboten, wo wir mit ein paar Jungs hingegangen sind“, erzählt Patrick und verrät: „Mit dem Schiedsrichter-Schein kommt man ja umsonst in die Bundesliga-Stadien und das wollten wir nutzen, um nach Mainz oder Kaiserslautern zu gehen.“ Letztendlich habe man davon jedoch kaum Gebrauch gemacht. Kontinuierlich empfahl sich Kessel für höhere Aufgaben, stand bald schon in der Landes- und Oberliga auf dem Platz und geht in diesem Jahr in seine vierte Regionalliga-Saison. In der Sommerpause gab es für seine Leistungen in der vierthöchsten deutschen Spielklasse dann die Belohnung. „Nach der ersten Saison in der Regionalliga bin ich als Assistent in die Dritte Liga aufgestiegen und seit Sommer auch in der Zweiten Bundesliga an der Seitenlinie“, berichtet Kessel.

Das Zwischenmenschliche ein schöner Effekt

An die Unterschiede zwischen Amateur- und Profifußball hat sich Patrick nach eigener Aussage schnell gewöhnt. Dennoch gibt es einige Faktoren, die der 26-Jährige seither vermisst: „Wenn ich in der Heimat auf ein Spiel fahre, kenne ich da jeden, esse nach dem Spiel ne Wurst oder trinke ein Bier und unterhalte mich mit den Spielern. Das ist ein schöner Effekt am unterklassigen Fußball.“ Das gehe im Profifußball dagegen etwas verloren, weil das Zwischenmenschliche nicht so wichtig ist. Bei seinen zwei Einsätzen in Bundesliga-Unterhaus – Heimspiele von Erzgebirge Aue gegen Bielefeld und Nürnberg – sowie in der ersten DFB-Pokalrunde bei Ravensburg gegen Augsburg kamen insgesamt über 24.000 Zuschauer. „Die ersten Spiele sind da sicher etwas besonderes, weil man die Atmosphäre noch mehr wahrnimmt“, wurde die Situation an der Linie schnell Normalität.

Grundsätzlich sei es sogar schlimmer, wenn man in Hackenheim von einer einzigen Person beschimpft wird, die drei Meter hinter einem am Geländer steht, als wenn man in Aue von 10.000 als Blinder tituliert werde. "Dort ist es einfach anonymer, obwohl es viel mehr Leute sehen.“ Und auch im Umgang mit den Spielern macht Kessel keinen Unterschied: „Mal übertrieben gesprochen: Ob ich jetzt mit Jelle Ackermann von Hackenheim spreche, oder mit Guido Burgstaller (Anm. d. Red.: 1.FC Nürnberg). Irgendwo sind es alles Fußballer.“ Sein nächstes Spiel winkt Kessel am Freitag, wenn Arminia Bielefeld bei der Spielvereinigung Greuther Fürth zu Gast ist.

Gestaltung des Alltags wird zur Herausforderung

Neben den höheren Zuschauerzahlen stieg parallel zur Spielklasse auch der zeitliche Aufwand. „Wir müssen bei den Spielen ja auch einen Tag vorher anreisen, manchmal gibt es nach den Spielen dann auch keine gescheite Verbindung mehr zurück“, berichtet Patrick von den Zwei-Tagestouren, wobei er das Geschehen vom Wochenende oft auch in die Woche mitnimmt: „Das beeinflusst schon den Alltag, aber man wächst da so ein bisschen rein.“ So wird die Planung oft zur Hängepartie zwischen BWL-Master, Privatleben und Schiedsrichterei. „Natürlich ist es mehr als ein Hobby, sondern eher wie ein kleiner Beruf. Es ist normal, dass man am Wochenende unterwegs ist. Das weiß auch das Umfeld und alle arrangieren sich so ein bisschen damit, weil man eben da reingewachsen ist“, beschreibt der 26-Jährige die Herausforderung.

Für den Rest der Saison setzt sich Patrick Kessel bescheidene Ziele und möchte sich zunächst in der Liga etablieren. „Natürlich möchte ich auch weiterkommen, das ist wie überall im Leben. Aber dazu gehören natürlich auch sehr viele Faktoren und das nötige Glück“, weiß der 26-Jährige auch das zu schätzen, was er bislang erreicht hat. „Der Rest kommt dann von alleine.“ Die nahende Winterpause bringt für Patrick einerseits etwas Ruhe, andererseits, „bin ich keiner, der sich auf eine fußballfreie Zeit freut“.

Auf den Plätzen der Region ist Kessel nur noch selten im Einsatz, kann der Versuchung jedoch auch nicht ganz widerstehen: „Wenn Not am Mann ist, kann man mich auch gerne mal anrufen und fragen. Wenn ich frei habe, bin ich aber auch mal froh, dass nichts ansteht. Das passiert selten genug.“

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Patrick Kessel im Portrait:
Alter: 26
Verein: SG Hüffelsheim
Schiedsrichter seit: 2003
Zweitliga-Assistent seit: Saison 2016/17 im Gespann: Benedikt Kempkes, Marcel Göpferich.
Regionalliga-Schiedsrichter seit: Saison 2013/14 mit Assistenten: Ingo Hess, Sascha Fischer, Fabian Vollmar, Sebastian Epp und Patrick Simon.
Karten-Bilanz: In bislang 36 Regionalliga-Spielen_(164_x_Gelb, 3_x_Gelb-Rot und 6_x_Rot)
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DREI FRAGEN AN PATRICK KESSEL

Im Sommer debütierte Patrick Kessel an der Seitenlinie der Zweiten Bundesliga. Der 26-Jährige Student ist vom Fußball und den Aufgaben begeistert, die die professionelle Schiedsrichterei für ihn bereithält.

Patrick, was ist das Tolle am Schiedsrichter sein?

Es ist viel spannender, als man als Außenstehender denkt. Für die Persönlichkeitsentwicklung ist es absolut positiv. Man kommt viel rum, sieht viel und lernt eine Menge Städte und Menschen kennen, die man sonst nie kennengelernt hätte. Das ist die spannende Seite, aber es ist gleichermaßen auch ein sehr hoher Zeitaufwand und gerade privat muss man viel zurückstecken.

Was sind für Dich die gravierendsten Unterschiede zwischen dem Amateur- und Profifußball?

Du musst natürlich unter größerem Druck entscheiden. Die meisten Situationen können ja ganz klar aufgedeckt und mit richtig oder falsch beantwortet werden. Aber generell sind auf dem Sportplatz alle gleich. Wenn du im Profifußball ein paar Spiele dabei bist, verlierst du auch die Ehrfurcht, jedoch sollte man immer mit Demut und dem nötigen Respekt an die Sache gehen.

Was waren Deine ersten Eindrücke in der Zweiten Bundesliga?

Das Spiel ist viel, viel schneller. Dir fliegen die Bälle um die Ohren, dass du am Anfang denkst: Mein lieber Freund, was ist denn hier los? Im Fernseher nimmst du das gar nicht so wahr.

Aufrufe: 023.11.2016, 21:00 Uhr
Martin ImruckAutor