2024-06-14T14:12:32.331Z

Kommentar
– Foto: Alexander Fischer

Kommentar: Das große Corona-Chaos ist hausgemacht

Die Entscheidung, den Spielbetrieb ab 2.11. auszusetzen, sorgt für eine bizarre Situation im Bezirk Lüneburg +++ Irritierende Stebani-Aussage

Der Lockdown für den Amateurfußball kommt. Ob wir wollen oder nicht. Die Entscheidung, den Spielbetrieb ab dem 2.11. auszusetzen, sorgt für eine bizarre Situation im Bezirk Lüneburg, denn viele Kreise haben schon jetzt alles heruntergefahren. Und da das beim Verband und im Fußball-Bezirk nicht gut ankommt, ist das Chaos für dieses Wochenende hausgemacht. Ein Kommentar von Dennis Paasch aus dem FuPa-Lüneburg-Team

Fakten sind etwas herrliches. Sie geben Sicherheit, man kann sein Handeln nach ihnen ausrichten, Maßnahmen mit ihnen begründen. Doch wenn jeder andere Maßnahmen ergreifen möchte, dann führen auch die deutlichsten Fakten zu chaotischen Zuständen, wie man aktuell am Umgang mit den stark steigenden Corona-Infektionszahlen im Fußball-Bezirk Lüneburg beobachten kann.

Eines steht tatsächlich unumstößlich fest. Die Anzahl der mit dem Coronavirus infizierten Menschen nimmt deutschlandweit und auch in unserer Region stark zu. Es gibt viele Zahlen, die das belegen. Wer mit der Inzidenzrate nichts anfangen kann oder die Berechnung von belegten und zur Verfügung stehenden Intensivbetten zu umständlich findet, der kann sich auch ganz einfach daran orientieren, wie groß der Anteil der positiven Testergebnisse bei den Corona-Tests ist:

In Deutschland stieg dieser Anteil in jüngster Zeit bei stabilen 900.000 bis rund 1.300.000 wöchentlichen Corona-Tests von "nur" 1,16 Prozent in Kalenderwoche 38 auf zuletzt 5,62 Prozent in Kalenderwoche 43 an (laut Robert-Koch-Institut). Tendenz weiter steigend. Das ist in etwa so, als würde man die begehrten Sammel-Figuren nicht mehr in jedem siebten Überraschungsei, sondern in jedem sechsten oder fünften finden. Nur ist die Überraschung hier halt ein fieser Virus, der im schlechtesten Fall auch zum Tod des Infizierten führen kann.

Dass die politischen Vertreter der Bundesländer gemeinsam mit der Bundesregierung Maßnahmen ergreifen, um die pandemische Ausbreitung des Virus einzuschränken, ist daher richtig und wichtig.

Es hätte auch andere Lösungen gegeben

Die Entscheidung, den Amateursport inklusive aller Spiele und sogar Trainingseinheiten ab dem 2.11. bis Ende November zu untersagen, trifft alle Fußballer hart. Viele Menschen haben sich sehr darum bemüht, Hygienekonzepte aufzustellen und diese auch umzusetzen. Natürlich hat das nicht überall hervorragend funktioniert, aber auch hier ist der Amateurfußball nur ein Spiegelbild der Gesellschaft. Einig sind sich aber alle: Vom eigentlichen Sport - Fußball auf dem grünen Rasen - geht so gut wie kein Risiko aus. Das ist sogar wissenschaftlich belegt. Problematisch wird es, wenn die Zuschauer dicht an dicht stehen, jubeln und grölen oder, wenn nach dem Spiel in der Kabine die Abstandsgebote beim Siegesgetränk nicht mehr ganz so genau eingehalten werden.

Man hätte im Sinne des Sports sicherlich auch andere Lösungen finden können: Zuschauer- und Alkoholverbot, das Schließen von Kabinen und Duschen. Das wäre alles nicht schön gewesen, aber der reine Sport wäre noch möglich gewesen. Zumindest die Trainingseinheiten hätten sie uns unter diesen Bedingungen lassen können. Nun ist es aber so, wie es ist: Ab Montag ist Schicht im Schacht. Ob es danach in diesem Jahr noch einmal auf die Plätze zurückgeht, ist ungewiss. Wir müssen damit umgehen. Am Ende ist es auch nur Fußball. Die schönste Nebensache der Welt, aber nicht systemrelevant. Und natürlich hat diese harte Herangehensweise auch eine Signalwirkung: Alle müssen sich jetzt zusammenreißen. Sonst droht furchtbares Ungemach.

Fußballkreise ziehen den Lockdown vor

Organisatorisch mag es nötig sein, dass man einem ganzen Land etwas Zeit lässt, um alle einschneidenden Maßnahmen umzusetzen. Ganze Wirtschaftszweige von 100 auf 0 herunterzufahren, schafft man nicht über Nacht. Andererseits ist das Virus jetzt auch nicht ungefährlicher als in der kommenden Woche. Mit dieser Sichtweise ist es nur konsequent verantwortungsvoll und richtig, wie viele Fußballkreise im Bezirk Lüneburg handeln: Die Fußballkreise Cuxhaven, Osterholz, Verden, Rotenburg, Heidekreis, Harburg, Heide-Wendland und sogar der von Corona aktuell noch relativ gering belastete Kreis Stade haben bereits für dieses Wochenende alle Spiele in allen Spielklassen abgesagt. Einige Kreise gehen sogar einen Schritt weiter und haben das Fußballjahr 2020 bereits für beendet erklärt. Im Sinne der Pandemie-Bekämpfung und auch zum Schutze der Bürger ist das - mit Blick auf die ab Montag eh greifende Generalabsage - ein verständlicher Schritt.

Im Fußball-Bezirk Lüneburg, der hier für die überregionalen Spiele verantwortlich ist, sieht man das anders: „Der Fußball ist kein Corona-Treiber. Ich habe da auch kein Verständnis für die Kreise, die jetzt schon im Vorfeld abgesagt haben. Jedes Spiel, das sportlich ausgetragen werden kann, sollte auch ausgetragen werden", erklärte Jürgen Stebani, der für den Bezirk Lüneburg und den niedersächsischen Fußballverband (NFV) verantwortliche Spielausschussvorsitzende, gegenüber der Zevener Zeitung - ganz so, als sei Corona so etwas wie ein leichter Nieselregen, den manch Verein als Grund für eine Spielabsage ins Feld führen möchte.

Gesellschaftlich verantwortungsvolles Handeln sollte nicht verurteilt werden

Bei allem Respekt: Diese Aussage ist ein Schlag ins Gesicht aller Menschen, insbesondere aller Ehrenamtler in Funktion in den Fußballkreisen und -vereinen, die gesellschaftlich verantwortungsvoll handeln wollen. Kein Kreisvorstand sagt gerne ganze Spieltage ab. Ihnen daraus in dieser Situation noch einen Vorwurf zu machen, ist nicht gerecht. Zumindest Verständnis für das Handeln der Kreise kann man erwarten. Es ist zwar einerseits verständlich, auf Regeln und Ordnungen zu verweisen. Sie sind für einen geordneten Spielbetrieb nötig. Aber in dieser Situation ist es fatal, wenn man sich nicht ein wenig flexibel zeigen kann, um auf die Sorgen und Ängste der untergeordneten Instanzen einzugehen.

Dass es anders geht, sieht man im Bezirk Weser-Ems. Dieser hat alle Spiele im gesamten Bezirk bis Ende des Jahres abgesagt - und damit die Gesundheit der Menschen über die Sorge nach zur Verfügung stehenden Nachholspielterminen gestellt. Ist so eine Denkweise den Verantwortlichen im Fußballbezirk Lüneburg wirklich fremd?

Dass die meisten Vereine in dieser Situation gar nicht spielen wollen, zeigt sich an den seit Donnerstag Stück für Stück eintrudelnden Absagen und Verlegungen der Spiele auf Bezirks- und Landesebene. So wie es aussieht, finden über das Wochenende verteilt statt mehrerer hundert nur ein paar Dutzend Spiele statt. Der Aufwand, mit allen Instanzen abzuklären, ob man spielen darf oder kann oder nicht, und dann die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen, dürfte für alle Seiten - Mannschaften, Vereine, Gemeinden, Staffelleitungen - gigantisch sein.

Es wirkt aber auch bizarr, wenn am Sonntag ein Bezirksliga-Spiel mit zwei Teams aus Corona-Risikogebieten stattfindet, wenn es nur einen Tag später dann unter Strafe verboten ist, dass sich auch nur drei Spieler einer Mannschaft zum gemeinsamen Sporttreiben treffen. Wer soll das bitte nachvollziehen und verstehen?

Mehr Fingerspitzengefühl wünschenswert

Ein konsequentes Absagen aller Spiele bereits an diesem Wochenende durch den NFV wäre wahrscheinlich die beste und konfliktfreieste Lösung gewesen. Zumindest aber sollte man von einem Fußballverband und seinem Bezirk Lüneburg mehr Fingerspitzengefühl im Umgang mit seinen Kreisen erwarten können.

Zwar sagte schon der große Liverpool-Trainer Bill Shankly sinngemäß, dass Fußball kein Spiel auf Leben und Tod ist, sondern, dass es noch sehr viel ernster ist. Doch man muss es damit ja auch nicht übertreiben.

In diesem Sinne: Bleibt alle gesund und kommt irgendwann alle heil zurück auf die Plätze.

FuPa Lüneburg
Aus Liebe zum Fußball

Aufrufe: 030.10.2020, 13:00 Uhr
FuPa Lüneburg / Dennis PaaschAutor