2024-05-10T08:19:16.237Z

Spielbericht
F: Kamm
F: Kamm

Klasse Leistung - geiles Spiel - 3. Tabellenplatz

Am Samstag gastierte der Radefelder SV an der Sachsendorfer Straße. Die Randleipziger reisten mit ordentlich Selbstvertrauen an. Durchaus gerechtfertigt, wirft man einen Blick auf die Tabelle, wo die SVler mit der beeindruckenden Bilanz von 19 Siegen, 2 Unentschieden und lediglich einer Niederlage (59 Punkte) bei 96 eigenen und nur 18 gegnerischen Treffern thronen und als Aufsteiger in die Landesklasse zu 99,9% feststehen. Zur Einordnung nochmal ein kurzer Blick auf die Habenseite der Hubertusburger, die eine für ihre Verhältnisse äußerst ordentliche Runde spielen und mit 36 Punkten bei 45 Toren und 33 Gegentoren auf dem vierten Platz zu finden sind. Die Partie also „Spitzenspiel“ behaftet. Umso ärgerlicher für Trainer Dierk Kupfer, dass er beim Versuch die ganz Großen zu ärgern auf drei seiner Führungsspieler verzichten musste. So rückte für Libero Beckedahl Routinier Meik Eckert in die Startelf, Mittelfeldmotor Münch wurde vom jungen Tom Köppe vertreten und für Top-Torjäger Böttger lief Pascal Weidner auf, der nach einjähriger Verletzungspause sein Startelfcomeback feierte. Außerdem, nicht weniger schmerzhaft vermisst, fehlte mit Nico Lippert ein weiterer Stammspieler, was durch die Rückkehr von Robby Staude abgefedert werden konnte. Die Aussichten für die Hubertusburger somit also alles andere als rosig. Die Marschroute klar, hinten kompakt stehen, versuchen möglichst lange die Null halten, nach vorne gucken ob sich irgendwann Räume bieten und vor allen Dingen alle spielerische, taktische und individuelle Unterlegenheit wettmachen durch Kampf sowie laufen, laufen…laufen. Es war eine gewaltige Aufgabe, der sich die Blau-Weißen zu stellen hatten, viel Grund zum Optimismus gab es eigentlich nicht. So wäre es nach wenigen Sekunden auch gleich passiert. Schiedsrichter Dirk Kühne hatte kaum richtig angepfiffen, da fand der erste Radefelder Pass schon Martin Müller, der direkt abzog und ein echtes Pfund abschoss, doch Benjamin Schönitz bewies einmal mehr, dass er der Rückhalt des Teams ist, mit einem überragenden Reflex lenkte der Wermsdorfer Schlussmann und Kapitän den Ball noch an den Querbalken. Wie viel die blau-weiße, in seinem Fall grün tragende, Nummer Eins seiner Mannschaft mit dieser Aktion geben, retten und vorbereiten sollte konnte sich zu diesem Zeitpunkt selbst der größte Optimist nicht ausmalen. Nach jenem frühen Pulshochtreiber sind nun jedenfalls auch die Platzbesitzer angekommen in der Partie. Von Beginn an ist erkennbar, dass hier heute elf Spieler auf dem Feld stehen und blau-weiß tragen, die alles für ihre Farben geben werden und füreinander bis zum Umfallen kämpfen wollen. Geschickt verteidigen die Reihen vor Meik Eckert die nächsten Radefelder Angriffswellen. Die FSVler lassen die Gäste bis zur Mittellinie kommen, attackieren dann durch die pfeilschnellen Weidner, Arendt und Hanisch den ballführenden Gegner, schafft dieser das Abspiel zum Mitspieler, so prallt jener gegen die nächste Wand, namentlich Freiberg, Köppe, Springer, Staude. Zehn Minuten sind gespielt, da schreibt der Fußball ein weiteres Kapitel seiner außergewöhnlichen Geschichten. Es ist Sebastian Hanisch der sich auf Höhe der Mittellinie in einen Radefelder Pass wirft, diesen abfängt und in einer Bewegung durchsteckt auf Pascal Weidner. Der 20-jährige mit der Krankenakte eines 70-jährigen, der über 365 Tage lang keinen echten Einsatz mehr an der Sachsendorfer Straße erleben durfte, ausgeschaltet von einem Bandscheiben Vorfall und anhaltenden Rückenproblemen, beweist sich und allen anderen, dass der Wille Berge versetzen kann. Ausgestattet mit der Rückennummer 10, übernommen vom eigentlichen Goalgetter Böttger, rennt, nein fliegt Weidner auf das Tor von Patrick Pfefferkorn zu, ein kurzer Blick nach oben, trockener Abschluss mit links, der Ball zappelt im kurzen Eck. Es sind Emotionen in Blau-Weiß die sich in diesen Augenblicken entladen, die nicht in Worte zu packen sind. Alles schreit, jubelt und liegt sich in den Armen. Fassungslosigkeit dagegen bei den gelb-schwarzen Gegnern, die Rückstände eigentlich nur aus Erzählungen kennen. Man könnte nun annehmen alles geht nun seinen gewohnten Gang, es war ein kurzer Wermsdorfer Ausflug in die Euphorie, Radefeld wird anziehen und die Hubertusburger werden den eigenen Treffer noch bitter bereuen ob der nun bald erlebbaren Wut, die sich sicherlich auf den Spielstand und die Höhe des Auswärtssieges für den Tabellenführer niederschlagen wird. Nein, es sollte ein außergewöhnlicher Tag werden, denn wie bereits erwähnt, der Wille kann Berge versetzen. An der Sachsendorfer Straße findet man zwar keine Berge, aber eigentlich übermächtige Gegner.

Von der Führung beflügelt, lässt es sich für die Heimelf gleich noch beschwingter den Angriffsversuchen der Gäste hinterherjagen. Als blau-weiße Einheit halten sie den Branchenprimus tatsächlich weiter weitestgehend vom eigenen Tor fern, wenn nicht ist auf Schönitz Verlass. Außerdem suchen die Wermsdorfer ihr Heil weiter in der Offensive, nach Balleroberungen geht es ganz schnell, was dem SV so gar nicht schmeckt. Sichtbar angesäuert verstricken sich die Randleipziger vermehrt in Diskussionen mit Schiedsrichter und Gegenspieler, die Hubertusburger geben auch hier nicht kleinbei, wodurch Mitte der ersten Halbzeit nur noch wenig Spielfluss vorhanden ist. Leicht auszurechnen, welchem Team das ganz recht ist. Nämlich jenem, dass nach einer guten halben Stunde eigentlich personell in der Überzahl seien müsste. Dominic Arendt, an dieser Stelle schon als Usain Bolt tituliert, beweist an diesem Tag auch Zweikampfhärte, steckt im Duell mit Hardy Stapel nicht zurück. Der verliert im Anschluss der Nerven und tritt nach. Arendt muss mit zerrissenem Trikot kurz vom Platz, auf diesem Weg hätte Stapel ihn eigentlich begleiten müssen. Doch weder der Unparteiische Kühne, noch Linienrichter Höhnemann scheinen Notiz zu nehmen vom offensichtlich übel zugerichteten Arendt. So geht es nach heftigen Wermsdorfer Protesten tatsächlich mit 11 gegen 11 weiter. Wer hätte gedacht, dass der Aufsteiger in die Landesklasse an der Sachsendorfer Straße einmal Glück braucht. Davon unbeeindruckt machen sich die Blau-Weißen auf zu Kapitel zwei der Geschichte des Unmöglichen. 40 Zeigerumdrehungen sind durch, Freistoß für die Platzbesitzer. Sebastian Hanisch legt sich den Ball zurecht, vor Ausführung wird Justus Keller zum Schiedsrichter zitiert, angeblich soll der doch eher schmächtig anmutende 15er den gewichtsmäßig einige Klassen höher angesiedelten Gegner ganz fies weggeschoben haben. Hanisch jedenfalls läuft an, Flachschuss der im Gewühl durchrutscht zu, eben jenem Rüpel mit Namen Keller, der die Kugel nur noch einschieben muss. Die Hubertusburger Jubelschreie werden wohl im Umkreis etlicher Kilometer, bis nach Dahlen oder Mügeln vernehmbar gewesen sein. An dieser Stelle muss ein Radefelder Spieler zitiert werden, der im konstruktiven Streitgespräch nach wenigen Minuten der Partie lapidar und herablassend feststellte: „Ihr habt euch ja ganzschön was vorgenommen (Schimpfwort zensiert)“. Wörter denen die Blau-Weißen mehr und mehr Tragweite verleihen. So heftig die Euphorie nun war, mit der selben Wucht schlug die 44. Spielminute in die entgegengesetzte Richtung zurück. Es ist ein Eckball für Radefeld, die Wermsdorfer schießen sich beim Klärungsversuch selber an. Ein Fehler, den man gegen eine Mannschaft mit diesem Potenzial nicht machen darf. David Hirsch sagt Danke und staubt zum 2:1 Anschluss ab. Der klassische psychologisch wichtige Treffer vor der Halbzeit – die Gäste werden also mit viel Rückenwind aus der Pause kommen. Diese bietet den Gastgebern nunmehr Zeit sich zu sammeln, runter zu kommen und einzustimmen auf den zweiten Teil der Schlacht. Dieser ist keine fünf Minuten alt, da folgt Kapitel 3 des Wahnsinns. Springer erobert den Ball, über Foulspiel kann diskutiert werden aber nennen wir es einfach mal ausgleichende Gerechtigkeit. Pascal Weidner schickt seinen Sturmpartner Arendt auf die Reise, der ist für keinen Gegner zu greifen, zieht rechts in den Strafraum und schließt unhaltbar ins lange Eck ab. 3:1 für den krassen Außenseiter, 3:1 für die blau-weißen Kampfschweine. Wieder sind es Freudenszenen die unvergessen bleiben werden. Dieser Treffer ist so wichtig, dämpft er alle Bemühungen der Gäste nach dem Anschlusstreffer sofort wieder ein und stellt den alten Abstand her. Auch Arendt, für den die Saison keine einfache war, belohnt sich damit und zeigt wie wichtig er sein kann. Die Hubertusburger sehen sich in der Folge vermehrt weiten Bällen, vor allem mit Ziel Martin Müller im Zentrum, ausgesetzt. Der eigentliche Unterschiedsspieler wird aber so von Tom Köppe beackert, dass ihm gemessen am eigentlichen Leistungsvermögen nicht viel gelingen soll. Die Uhr tickt weiter und sie läuft zu Gunsten der Gastgeber. Nach 73 Spielminuten kriegt Müller dann das eine Mal zu viel Platz, zum ersten Mal seit dem ersten Gegentor herrscht Unordnung in der Wermsdorfer Hintermannschaft, die Nummer 23 kann zum erneuten Anschluss einschieben. Da waren die Tabellenführer also wieder und nun glaubte eigentlich keiner mehr, dass es noch was werden würde mit der dicken Überraschung. Doch elf blau-weiße Kämpfer stemmten sich weiter gegen die Übermacht. Allen voran abermals Schönitz, der das Duell gegen Müller diesmal gewinnen kann und den Ausgleich in der 79. Minute verhindert. Die Kräfte schwinden weiter, die Blau-Weißen mit zunehmend schweren Beine, doch mit dem Willen zur Sensation. Immer wieder werfen sie sich mit allem was sie haben dazwischen, ein Bein, Kopf oder sonst was ist immer zur Stelle und so verrinnt Minute um Minute. Schließlich ist die 90. Spielminute gekommen, Wermsdorf immer noch ein Treffer in Front und es wird Kapitel 4 geschrieben. Es sind 3 Minuten Nachspielzeit angezeigt, 3 Minuten Zittern. Doch da kam Max Untermann. Vor wenigen Minuten eingewechselt, rackert er gegen Sebastian Hintzsch bis der Ball ins Seitenaus gekämpft ist. Der Radefelder nach 90 Minuten gegen solch gallige Gegner offensichtlich frustriert, lässt sich zum Nachtreten hinreißen, diesmal sieht es Kühne und zeigt folgerichtig Rot. Nun scheint wirklich alles möglich. Und Hanisch lässt es wahr werden, knallt den Freistoß humorlos ins kurze Ecke, dreht ab und wird in der blau-weißen Jubeltraube begraben.
Da ist er, der nicht für möglich gehaltene Heimsieg gegen Radefelder SV. Wider allen Umständen gewinnen die Hubertusburger die Hitzeschlacht dank riesigem Kampf und unglaublichem Teamgeist gegen den Meister mit 4:2. Es ist eine Sensation, ein Spiel das Momente für die Ewigkeit geschaffen hat – und es sind diese Augenblicke für die wir Fußball spielen und lieben.

Aufrufe: 011.6.2018, 21:31 Uhr
Andre KammAutor