2024-05-02T16:12:49.858Z

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– Foto: Frank Scheuring

Großkreutz' Abschied – das passt

Geräuschlos ging beim Weltmeister von 2014 selten etwas ab.

Analyse Der Weltmeister von 2014 gehört zu den schillernden Figuren des Fußballs, weil er nicht nur auf dem Rasen für Furore, sondern auch abseits des Spielfeldes für Schlagzeilen sorgte. Auch sein Karriereende verläuft nicht geräuschlos.
Drittligist KFC Uerdingen hat den bis zum 30. Juni 2021 laufenden Vertrag mit Kevin Großkreutz fristlos gekündigt. Es ist wahrscheinlich der Schlusspunkt einer sportlich überaus erfolgreichen Karriere mit allerdings auch unüberhörbaren Dissonanzen abseits des Platzes.

Kevin Großkreutz hat etwas vielleicht einmaliges geschafft. Er wird von vielen Fans von Borussia Dortmund als Idol verehrt, weil er das geschafft hat, wovon Tausende träumen. Ihm ist der Sprung aus der Kurve, in der er als Jugendlicher stand, in die Bundesligamannschaft geglückt. 176 lief er für den BVB 09 in der ersten Liga auf, wurde mit den Schwarz-Gelben zwei Mal Deutscher Meister (2011 und 2012) und Pokalsieger (2012). Er wurde Nationalspieler und 2014 mit Deutschland in Brasilien Weltmeister. Aus seiner Liebe und Treue zur Borussia hat er nie einen Hehl gemacht und sich die Skyline seiner Heimatstadt auf die rechte Wade tätowieren lassen. Seine große Emotionalität hat es ihm überhaupt ermöglicht, mit guten, aber nicht überragenden Anlagen fußballerisch das optimale zu erreichen.

Seine Emotionalität war Segen, aber auch Fluch. Emotional präsentierte er sich nicht nur auf dem Rasen, sondern auch abseits des Platzes. Seine Emotionalität prägt ihn auch zutiefst menschlich. Da ist auf der einen Seite der liebevolle Vater, der für einige Mitspieler gute Kamerad, der Bursche, der zugänglich ist und mit dem man durchaus vernünftig sprechen kann. Aber da sind auf der anderen Seite jene Ausfälle, die Reife und Souveränität vermissen lassen. So hat er 2014 in Berlin in einer Hotellobby uriniert. Ein anderes Mal soll er in Köln einen Fan mit einem Döner beworfen haben. In Stuttgart wurde er im Rotlichtviertel brutal zusammengeschlagen. 2019 wurde er bei einem Kreisligaspiel seines Heimatvereins VfL Kemminghausen, wo er schlichten wollte, verprügelt.

Der Abschied in Uerdingen verläuft nicht geräuschlos. Es passt zur Vita von Großkreutz, dass sein Karriereende ebenfalls nicht diskret über die Bühne geht. Beim KFC Uerdingen, wo er seit Sommer 2018 unter Vertrag steht, war er nur in der ersten Saison Stammspieler, in der zweiten schaffte er kaum noch den Sprung in den Kader. Jetzt erhielt er die fristlose Kündigung. Ob die Gründe, die der Arbeitgeber anführt, dafür ausreichend sind, muss das Gericht entscheiden. Die Fußballschuhe kann er an den Nagel hängen und sich ganz seiner Familie und seinem Restaurant widmen. Und er kann endlich wieder seinem Herzensverein BVB 09 zujubeln – ob mit Ehemaligen aus der VIP-Loge oder mit Fans auf der Südtribüne, ganz wie er möchte.

Der Fußball verliert einen Typ. Großkreutz hat aus seinen Möglichkeiten nahezu das Optimum gemacht, den amerikanischen Traum „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ im deutschen Fußball gelebt, indem der Fan zum Weltmeister und Millionär wurde. Wie andere große Stars aus der Unterhaltungsbranche hat er die Glitzerwelt gelebt, sich Fehltritte geleistet und für Schlagzeilen gesorgt. Es ist allerdings auch bei ihm eine Geschichte ohne Happy End. Ein Abschiedsspiel wird er nicht bekommen, wahrscheinlich nicht einmal in Dortmund, wo ihn die Fans verehren.

Aufrufe: 03.10.2020, 07:30 Uhr
RP / Thomas SchulzeAutor