Mainz. Es sind nur noch wenige Minuten zu spielen. Jayson Breitenbach richtet sich noch einmal die Kapitänsbinde. Seit der nominelle Kapitän der U17-Fußballer des FSV Mainz 05, Issaka Mouhaman, ausgewechselt worden ist, führt der Rechtsverteidiger sein Team als Spielführer durch die brenzlige Schlussphase. B-Junioren-Bundesliga, erster Spieltag, die Mainzer führen 2:1 gegen einen 1. FC Nürnberg, der immer stärker aufkommt. Drei Minuten vor Spielende läuft der Ersatz-Kapitän seinen Gegenspieler routiniert ab, und als der Schiedsrichter die Nachspielzeit angezeigt hat, ist er Teil des Dreiecks, das an der Eckfahne in aller Coolness die Zeit runterspielt. Dann ist der Ball doch weg, Nürnberg wirft ein, aber der Mainzer Enes Cinemre klaut sich die Kugel und drischt sie ins Tor. 3:1, Abpfiff, Jubeltraube.
„Starkes Gefühl“, sagt Breitenbach, der zum ersten Mal in der Bundesliga die Binde am Arm trug. Nach einer eher zittrigen ersten Halbzeit war das vielleicht der entscheidende Motivationsschub für den groß gewachsenen Spieler, der als einer von nur drei 05ern bereits in der vergangenen Saison in der B-Junioren-Bundesliga gespielt hat. Vor etwas mehr als einem Jahr war er von den Offenbacher Kickers verpflichtet worden. Der damalige Mainzer Trainer Meikel Schönweitz brauchte noch einen Flügelspieler. „Er saß auf der Couch und ich hatte das Telefon auf Lautsprecher gestellt, als die Mainzer angerufen hatten“, erzählt Stiefvater Jochen Hofmann: „Als die Frage kam, ob er sich vorstellen könnte, Bundesliga zu spielen, hat er kurz geschluckt – und dann sofort gesagt: 'Mach ich.'“
Das passt zu der zupackenden Art des Rechtsverteidigers, dessen leiblicher Vater aus Kamerun stammt. „Schnelligkeit und Passspiel ist gut, Zweikampf auch“, erklärt er auf die Frage nach seinen Stärken. Und die Schwächen? „Meine Beweglichkeit, sagt der Trainer.“ Erst wenige Tage vor dem Spiel hatte der angehende Zehntklässler der Integrierten Gesamtschule Mainz-Bretzenheim sein Zimmer im FSV-Internat bezogen. Zuvor war er aus dem heimischen Linsengericht, eine Gemeinde südlich von Gelnhausen, mit dem Zug zum Training gefahren. 100 Kilometer einfache Strecke, und das sechsmal die Woche. „Er hat immer gesagt: Ich will das“, sagt seine Mutter Corinna Hofmann, „also war es für uns okay.“
Am Willen fehlt es bei Jayson Breitenbach zuallerletzt. „Fußballer werden, ganz oben landen“, das ist sein Ziel. Vier Jahre hatte er beim OFC gespielt. Als Bayern München zum Probetraining geladen hatte, war es noch zu früh für solch einen großen Sprung. „In seinem dritten Jahr in Offenbach hatte er einen Durchhänger“, blickt Jochen Hofmann zurück. Hessen-Meister und Torschützenkönig war er, damals noch als Stürmer, geworden, doch jetzt brauchte es den nächsten Schritt. „Paul Faß hat ihn gesehen, Volker Kersting und ich auch“, sagt Stefan Hofmann, Sportlicher Leiter des Nachwuchsleistungszentrums der 05er, „alle haben erzählt, er wäre Linksfuß, aber ich habe ihn als rechten Mittelfeldspieler kennen gelernt.“ Im Gespräch zwischen Hofmann, Chefscout Faß und NLZ-Leiter Kersting einigte man sich schnell darauf, diesem variablen Spieler ein Angebot zu unterbreiten. „Ein sehr umgänglicher, eher zurückhaltender Junge“, sagt Kersting, „er kombiniert viele Attribute, die man braucht, um erfolgreich Fußball zu spielen.“
Dass ihm dies gelingt, daran hat Jayson Breitenbach keinen Zweifel. Sein Vorbild ist David Alaba, und von der Selbstverständlichkeit, wie dieser sich als junger Nachwuchsmann bei Bayern München Richtung Weltklasse gemausert hat, hat sich der 05er offenbar inspirieren lassen. Auch wenn das erste Training im neuen Klub eine ziemliche Ernüchterung war. „Das Tempo war viel höher, auch die Härte“, erinnert er sich. Kurz darauf war Breitenbach im ersten Testspiel direkt in die Stammelf gerutscht, und aus der hat er sich auch nicht mehr verdrängen lassen. Auch das Scheitern im Halbfinale um die B-Junioren-Meisterschaft im Juni hat er längst abgehakt: „Man muss immer weitermachen“, betont er.