2024-05-08T14:46:11.570Z

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Verstehen sich gut: St. Paulis Zeugwart Siegmar Krahl (links) und Trainer Ewald Lienen. Foto: rst
Verstehen sich gut: St. Paulis Zeugwart Siegmar Krahl (links) und Trainer Ewald Lienen. Foto: rst

Das "Mädchen für alles" ist ein Mann

Seit 2009 ist Siegmar Krahl Zeugwart bei den Kickern des FC St. Pauli / Trotz Umzug nach Hamburg hält er enge Verbindung nach Itzehoe

Dresden ist ein rotes Tuch für so manchen Fan des FC St. Pauli. Was die meisten nicht wissen: Ein Dresdener gehört seit Jahren zum Funktionsteam des Kiezclubs und sitzt dort bei Heimspielen am Millerntor regelmäßig mit auf der Bank. Siegmar Krahl ist seit 2009 Zeugwart bei St. Pauli.

Den Job bei den Hamburgern hat er allerdings nicht seiner früheren Tätigkeit bei Dynamo Dresden zu verdanken, sondern seinem Engagement als Betreuer beim Itzehoer SV. St. Paulis damaliger Team-Manager Siegfried Dous, der auch schon Vorsitzender beim ISV war, hatte Krahl dazu ermutigt sich beim FC zu bewerben, weil Kult-Zeugwart Claus „Bubu“ Bubke aus Altersgründen aufgehört hatte. Neben Dous gab es noch weitere Fürsprecher für Krahl beim Kiezclub: Kapitän Fabian Boll kannte ihn aus Itzehoer Zeiten und Torhüter Patrik Borger hatte mit Krahls Sohn Rene beim VfR Neumünster zusammen gespielt. Die Bewerbung war erfolgreich und für Krahl wurde aus seinem Hobby Beruf.

Seine Herkunft kann Siegmar Krahl auf dem St. Pauli Trainingsgelände an der Kollaustraße jedoch nicht verbergen. Sein sächsischer Dialekt hat ihm dort schon so manchen Spruch eingebracht. „Das ist natürlich Spaß und lockert die Stimmung auf“, ist der ehemalige Dresdener nicht nachtragend. Krahl kam 1990 nach der Wende in den Westen. „Ich bin mit meiner Familie gleich nach der Grenzöffnung quasi auf blauen Dunst hierher gekommen.“ Krahl hatte Glück und fand Arbeit im öffentlichen Dienst beim Kreis Steinburg. Der ehemalige „Elternbeirat“ von Dynamo Dresden, wo Sohn Rene in der Knaben- und Schülermannschaft seine Fußballer-Ausbildung erhielt, trieb natürlich auch in Steinburg die fußballerische Entwicklung des Sohnes voran. Zunächst beim 1. FC Lola und dann beim Itzehoer SV. So wurde die Störstadt zur zweiten Heimat des Sachsen.

„Mit jungen Leuten zu arbeiten, ist das Beste, was man tun kann“, sagt Krahl. Das ist für ihn bis heute so. Der Umgang mit den Spielern des FC St. Pauli hält den 63-Jährigen jung. Schon beim ISV hatte er ein Auge auf die Wäsche der Spieler geworfen. Auf dem Lehmwohld sorgte er dafür, dass die Trikots der Spieler immer tip-top waren. „Das ist natürlich kein Vergleich mit dem, was bei St. Pauli abgeht, hier laufen die Waschmaschinen den ganzen Tag“, lacht Krahl, der auch die Spinde der Spieler bestückt. „Dabei erlebst du schon mal eine Überraschung, wenn es bei dem einen oder anderen wie Kraut und Rüben aussieht.“ Das Gegenteil gefalle ihm natürlich wesentlich besser.

„Unser Zehner Christopher Buchtmann geht mit gutem Beispiel voran. Bei dem ist immer alles akurat“, lobt Krahl. Genauso wichtig wie saubere Trainingsklamotten und Spielkleidung ist aber auch die Versorgung der Spieler mit Getränken. Mehrere hundert Liter an Fitness-Getränken mixt der Zeugwart wöchentlich zusammen. Außerdem muss er sich um einen „Fuhrpark“ kümmern. „Wir haben jede Menge Fahrräder, auf denen die Spieler nicht nur bei Reha-Maßnahmen trainieren. Die müssen natürlich einwandfrei funktionieren.“ Das Verhältnis zu den Spielern sei sehr gut, auch wenn er schon mal seine Meinung sage, wenn ihm etwas nicht passe. „Einige kommen schon morgens zum Kaffeetrinken in mein Büro im Umkleideraum. ’Siggi, dein Kaffee macht uns wach’, ist ein gängiger Spruch. Das freut mich dann.“

Es sei ein gutes Gefühl, von den Spielern geschätzt zu werden. Im Laufe der Jahre seien auch freundschaftliche Beziehungen zum einem oder anderen entstanden. „Das sind aber Ausnahmen. Es herrscht ein normales Arbeitsklima. Egal ob mit Profis, Trainern oder Funktionären.“Die Arbeit ist seit Krahls Dienstantritt immer komplexer geworden. Das war irgendwann allein nicht mehr zu schaffen, deshalb hat Krahl mit Andreas Krefft Verstärkung bekommen. „Ich bin für die Vorbereitung beim Training verantwortlich. Andreas bei den Spielen. Auswärts bin ich deshalb kaum noch dabei. Am Millerntor aber schon.“ Dort räume er nach der Halbzeitpause die Kabine auf. „Man kann mich auch als Mädchen für alles bezeichnen.“

Auch wenn Siegmar Krahl mittlerweile in Hamburg wohnt, ist für ihn Itzehoe weiterhin zweite Heimat. „Ich bin immer noch mit der Störstadt verbunden. Nicht nur dass ich mich regelmäßig mit alten ISV-ern im Dithmarscher Hof treffe, meine Tochter Luisa wohnt hier.“ Wenn es die Zeit zulasse, komme er gern nach Itzehoe. Allerdings sei das in letzter Zeit immer schwieriger geworden. Fast drei Jahre war Krahl am Anfang mit dem Auto gependelt. Das wurde schließlich doch zuviel. 2012 zog er nach Hamburg. „Von Bahrenfeld aus brauche ich nur zehn bis zwanzig Minuten zum Sportplatz. Das ist etwas ganz anderes, als jeden Tag von Itzehoe nach Hamburg zu fahren. Und mittlerweile habe ich mich hier auch gut eingelebt.“

Trotz der vielen Fahrerei seien die ersten Jahre bei St. Pauli die schönsten gewesen. Vom Aufstieg in die Bundesliga schwärmt Krahl am meisten. „Mit Holger Stanislawski und Andre Trulsen hatten wir damals ein super Trainerteam. Das war rein menschlich etwas ganz Besonderes.“ Er komme aber auch mit Ewald Lienen bestens klar. „Wir sind ein Jahrgang, da versteht man sich besonders gut. Er hat mich sogar mal zum Essen eingeladen.“ Die Stimmung am Millerntor sei in der Hinrunde angespannt gewesen, verrät Krahl. Es sei aber gut gewesen, an Lienen als Trainer festzuhalten. „Der Verein ist andere Wege gegangen. Ewald Lienen wurde nicht entlassen, sondern ein weiterer Co-Trainer dazugeholt. Olaf Janssen ist eine Kölner Frohnatur. Der hat die Stimmung belebt und neue Ideen reingebracht. Seitdem laufe es wieder besser. „Mit Janssen komme ich besonders gut klar. Das gilt aber auch für Torwart-Trainer Matthias Hain“, so Krahl. Von den Spielern habe er einen besonderen Draht zu Sören Gonther, Lasse Sobiech, Christopher Buchtmann und Bernd Nehrig. Vergessen dürfe er aber auch sein gutes Verhältnis zu den Torhütern Philipp Heerwagen und Robin Himmelmann nicht.

Probleme habe er in knapp acht Jahren St. Pauli kaum gehabt. Nur einmal sei ihm etwas in die Hose gegangen. „Es gab mal ein kleines Durcheinander bei einem Testspiel. Der Gegner sollte uns eigentlich einen Transporter für unser Gepäck besorgen. Es kam aber ein Geländewagen und der war natürlich zu klein. Also musste ich einen Wagen besorgen, die ganzen Sachen umladen und auch noch selbst damit von Hamburg nach Österreich fahren. Dabei sind die Sachen von unserem damaligen Torhüter Philipp Tschauner nicht mitgekommen. Tschauni war erst stinksauer. Aber ich hab noch rechtzeitig Torwarthandschuhe usw. besorgt, so dass er sich schnell wieder beruhigt hat.“ Die Sache sei ihm trotzdem ziemlich peinlich gewesen. „So etwas möchte ich nicht noch mal erleben.“

Es sei eine gute Entscheidung gewesen, zum FC St. Pauli zu gehen. „Ich habe hier viel erlebt und dazugelernt. Das möchte ich nicht missen.“ Sein Herz schlage für den Kiezclub. Es gebe aber aber noch zwei andere Vereine, die ihm besonders am Herzen lägen. Das seien Dynamo Dresden und der Itzehoer SV. „Ich schiele schon mal bei unseren Spielen nach den Dynamo-Ergebnissen. Dort bin ich schließlich groß geworden. Wenn wir gegeneinander spielen, gibt es aber nur einen Club, da stehe ich voll hinter meinem FC St. Pauli.“
Aufrufe: 012.5.2017, 12:45 Uhr
SHZ / Reiner StöterAutor